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Pilgern unter Polizeischutz

Jedes Jahr pilgern Juden aus ganz Europa und dem Mittelmeerraum zur La-Ghriba-Synagoge auf der tunesischen Insel Djerba. Doch dieses Jahr bleiben viele zu Hause – nachdem Israel vor der Reise warnte.

Nicole Tibi sitzt konzentriert in einer Ecke der La-Ghriba-Synagoge. Mit einem Filzschrift schreibt sie Wünsche für Freunde und Familie auf hartgekochte Eier. Dann legt sie diese in eine kleine Höhle. "Ich kann aus Erfahrung sagen, dass die Wünsche wahr werden", erzählt die 63-Jährige. Schon als Baby haben ihre Eltern sie zur Pilgerfahrt nach Djerba mitgenommen. Seit ihrer Geburt hat Tibi kein Jahr ausgelassen.


Inzwischen lebt sie in Frankreich, doch sie kommt immer noch auf die Mittelmeerinsel, wo sich die jüdische Gemeinde einmal im Jahr in der wohl ältesten Synagoge auf dem afrikanischen Kontinent versammelt. "Das ist eine ganz besondere Atmosphäre hier, wir werden wunderbar aufgenommen", sagt sie voller Emotion in der Stimme.

Die meisten Pilger kommen wie Tibi aus Europa angereist, viele stammen ursprünglich aus Tunesien. Die meisten der früher rund 100.000 Personen zählenden Gemeinde haben das Land jedoch nach der Unabhängigkeit von Frankreich 1956 oder nach dem Sechstagekrieg verlassen. Heute leben noch rund 1500 Juden in Tunesien, die meisten von ihnen auf Djerba und in der Hauptstadt Tunis.


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