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Kommentar: Berlin lässt die Mieter im Stich

Als die Berliner Wohnungssenatorin Kathrin Lompscher (Die Linke) im vergangenen Sommer ihren Plan für einen Mietendeckel präsentierte, keimte bei vielen Mietern Hoffnung auf. Nicht nur, weil ihre Miete in Zukunft sinken sollte, sondern auch, weil es so schien, als wolle sich Berlin ernsthaft mit den bösen Buben aus der Immobilienbranche anlegen.

In einer Stadt, in der die durchschnittlichen Mieten sich innerhalb von zehn Jahren fast verdoppelt haben, schien das ein richtiges Signal zu sein - nicht nur an die Vermieter. Es sollte auch jenen Investoren und Spekulanten, die sich lange genug die Taschen vollgemacht haben, weil Wohnen ein Grundbedürfnis ist, zeigen, dass in Berlin künftig andere Regeln gelten. Und diese Botschaft sollte auf ganz Deutschland ausstrahlen.

Die Aufregung war entsprechend riesig. Die Opposition in Berlin und Vertreter der Immobilienwelt kritisierten den Eingriff in den Wohnungsmarkt heftig und kündigten umgehend rechtliche Schritte dagegen an. Es schien, als stünde der leibhaftige Sozialismus nicht nur vor der Haustür, sondern säße bereits bequem auf dem Sofa.

Sicher, es gab auch berechtigte Zweifel: Die wichtigste Ursache für die überhöhten Mieten, nämlich den Wohnungsmangel in den Metropolen, wird der Mietendeckel nicht beheben. Aber, konnte man dagegenhalten, er lindert zumindest die Symptome. Und die seit Jahren aus der Immobilienbranche vorgetragene Binsenweisheit, es helfe nur "bauen, bauen, bauen" hat bislang weder genügend Wohnungen in den Metropolen gebracht noch dafür gesorgt, dass das Wohnen dort bezahlbar bleibt.

Die geballte Kritik aus der Branche scheint bei der rot-rot-grünen Landesregierung Wirkung dennoch gezeigt zu haben. Zwar wurde der Mietendeckel jetzt endlich verabschiedet, doch von seiner ursprünglichen Schlagkraft und Radikalität, die das Potenzial gehabt hätte, auch über Berlin hinaus eine Wende auf dem Wohnungsmarkt anzustoßen, ist wenig übriggeblieben. Den Berliner Mietern ist jedenfalls kaum geholfen.

Denn eigentlich sollten die Berliner Bezirksämter dafür sorgen, dass Vermieter in Zukunft keine überteuerten Mieten verlangen und die Mieten für die kommenden fünf Jahre eingefroren werden. Zumindest bei rund 1,5 Millionen Mietwohnungen, die vor 2014 gebaut wurden. Der Neubau wurde davon ausgenommen.

Die Senatsverwaltung ist fein raus

Doch dann änderte die Koalition in der vergangenen Woche den Gesetzentwurf. Auf ihrer Homepage erklärte die zuständige Senatsverwaltung: "Bislang war vorgesehen, dass auf Antrag der Mieter*innen die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen die Miete abgesenkt hätte. Jetzt ist kein Antrag mehr nötig, sondern der Gesetzentwurf legt fest, dass eine überhöhte Miete verboten ist."

Mit anderen Worten: Die Senatsverwaltung hält sich fein raus. Aus dem Mietendeckel wird damit ein Verbotsgesetz. Das ist ein juristischer Kniff, die Verantwortlichen erhoffen sich dadurch wohl bessere Chancen bei einer verfassungsrechtlichen Überprüfung.

Nun mögen es viele gut finden, dass die Behörden das Gesetz nicht durchsetzen müssen, weil die öffentliche Verwaltung in der Hauptstadt ohnehin in einem beklagenswerten Zustand ist. Das Problem ist nur: Wie gewissenhaft in Berlin Verbote befolgt werden, lässt sich an so gut wie jeder Fußgängerampel beobachten.

Für Mieter ist die Durchsetzung ihrer Interessen nun erheblich schwieriger geworden. Sie müssen selbst aktiv werden und können sich nicht auf das Amt verlassen. Damit droht ein ähnliches Dilemma wie bei der Mietpreisbremse: Die Mieter müssen darauf hoffen, dass die Vermieter von selbst das Gesetz befolgen. Tun sie das nicht, müssen die Mieter zivilrechtlich gegen sie vorgehen. Doch wer legt sich angesichts der Wohnungsknappheit schon gern vor Gericht mit seinem Vermieter an?

Am Ende bleibt vom Mietendeckel nur eine traurige Botschaft hängen: Berlin lässt seine Mieter hängen.

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