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Wellen- und Gezeitenkraftwerke: Strom vom Seeungeheuer

Das Zukunftsversprechen des globalen Energiemarkts tauchte vor gut zehn Jahren in der aufgewühlten Nordsee vor den schottischen Orkney-Inseln auf: eine 180 Meter lange Seeschlange aus rotem Stahl, 1300 Tonnen schwer. Das Ungetüm war das modernste Wellenkraftwerk der Welt, mitfinanziert vom Essener Energieversorger Eon. Branchenkenner prophezeiten der Technologie eine große Zukunft, schließlich war die Idee dahinter bestechend: Welche Energiequelle steht schon so beständig und in so vielen Teilen der der Welt zur Verfügung wie Meereswellen? Der an dem Projekt beteiligte Eon-Manager Amaan Lafayette war sich 2009 jedenfalls sicher: Wellenkraft werde „das große Ding auf dem Energiemarkt von 2020" sein.

Er sollte sich täuschen. 2017 kaufte die örtlichen Behörden die Seeschlange, um sie zu verschrotten. Da war Eon längst aus dem Projekt ausgestiegen und der Entwickler des Meereskraftwerks insolvent.

Die schottische Seeschlange ist nur eines aus einer ganzen Reihe von Beispielen, in denen hoffnungsvolle Start-ups und große Konzerne versucht haben, die Kraft des Meeres zu nutzen. Eons Investition fiel in eine Zeit, in der regelrechte Goldgräberstimmung herrschte. 2012 attestierte der Weltklimarat allein der Wellenkraft ein theoretisches Energiepotenzial von jährlich 29.500 Terawattstunden (TWh) - fast das Fünfzigfache des Stromverbrauchs in Deutschland.

Und dabei sind Wellen nicht einmal die einzige Kraftquelle im Meer: Hinzu kommt die Energie, die aus Ebbe und Flut gewonnen werden kann, aus Meeresströmungen oder aus unterschiedlichen Salzgehalten im Wasser. Alle Segmente versprechen satte und vor allem gut berechenbare Erträge. Besonders Strömungen sind hervorragend prognostizierbar.

Genutzt wird die Energie aus dem Meer allerdings kaum. Warum ist das so?

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