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Schmutziger Wahlkampf: Hier kämpft das alte gegen das neue Florida

Ein linker Demokrat und ein rechter Republikaner liefern sich einen schmutzigen Wahlkampf, der sich um Rassismus, Trump und US-Ideale dreht.


Renzo Ruf, Winter Haven (Florida)


Pete Smith hat sich ein Ziel gesetzt. Er will seine geliebte Heimat "retten" - und die Linke davon abhalten, in Florida die Macht zu übernehmen. Und weil Smith nicht der Einzige ist, der im Provinzstädtchen Winter Haven so denkt, versammeln sich Gleichgesinnte jede Woche im "Liberty Room" ("Freiheitszimmer") einer Baptistenkirche. "45 Patrioten" seien es beim letzten Treffen gewesen, sagt der rechte Aktivist Smith, die sich über die politische Gemengelage im "Sunshine State" kurz vor dem Wahltag informieren liessen: Viele Männer und einige Frauen, die überwiegende Mehrheit davon Weisse. Gesprochen wurde über die drohende Machtübernahme "kommunistischer" Politiker, die versuchten, althergebrachte amerikanische Werte umzustossen.


Und selbstverständlich wurde über Andrew Gillum gesprochen, über den Kandidaten der Demokratischen Partei für den freien Gouverneursposten im drittgrössten Bundesstaat der USA. Pete Smith kann Gillum - 39 Jahre alt, Stadtpräsident von Floridas Hauptstadt Tallahassee, Vater dreier Kleinkinder - nicht leiden. Er begründet dies mit dem Programm des Demokraten, das mit den Überzeugungen, die von rechten Republikanern vertreten werden, in der Tat nicht vereinbar ist. So spricht sich Gillum dafür aus, das soziale Sicherungsnetz enger zu knüpfen, unter anderem mittels eines Ausbaus der staatlichen Krankenkasse für Minderbemittelte (Medicaid). Auch befürwortet er eine Reform des Justizwesens, damit Kleinkriminelle nicht mehr jahrelang hinter Gittern schmoren müssen.

Aber eigentlich stört sich Smith daran, dass Gillum ein selbstbewusster, erfolgreicher Afroamerikaner ist und er am kommenden Dienstag Geschichte schreiben könnte, als erster schwarzer Gouverneur von Florida. Natürlich würde Smith dies nie öffentlich so sagen - weil er dann beschuldigt würde, ein Rassist zu sein. Aber mit seinem Unwohlsein über Gillum steht er stellvertretend für das alte Florida, das wenig gemein hat mit den Touristenstädten an der Goldküste im Südosten, den Schmelztiegeln Miami und Fort Lauderdale. Es ist ein Florida, das in der Tradition der Südstaaten steht und in dem die Landwirtschaft noch immer eine wichtige Rolle spielt.


Der Kandidat dieses alten Floridas ist Ron DeSantis: 40 Jahre alt, ehemaliger Berufsmilitär, bis vor einigen Wochen Abgeordneter im nationalen Repräsentantenhaus, zweifacher Familienvater. Der Republikaner gilt als Klon von Donald Trump - ganz zur Freude von DeSantis. Während einige Parteikollegen im "Swing State" Florida Distanz zu Trump markieren, sucht er seine Nähe und eifert dem Präsidenten nach. So überzieht er den Gegner gerne mit Beleidigungen. Gillum, sagt DeSantis während seines Auftrittes im "Liberty Room", sei "radikal" und "korrupt". Er wolle in Florida eine lokale Einkommenssteuer einführen, die Polizei schwächen und das traditionelle Bündnis zwischen Florida und Israel aufkündigen. Ein linker Berufspolitiker eben, der alles bekämpfte, wofür der Präsident stehe. Dabei nennt DeSantis seinen Kontrahenten fast immer bei seinem Vornamen: "Andrew".

Dazu muss man wissen: Auch wenn Amerika stolz auf seine republikanischen Wurzeln ist, spielen Titel im politischen Alltag eine wichtige Rolle. Ein ehemaliger Botschafter wird mit "Mister Ambassador" angesprochen, ein Stadtpräsident mit "Mister Mayor". Während eines Auftrittes in Miami Gardens, einer mehrheitlich von Afroamerikanern bewohnten Vorstadt von Miami, beklagt sich Gillum deshalb über diese Respektlosigkeit. Er habe DeSantis erst vor einigen wenigen Tagen kennen gelernt, sagt der Demokrat, und könne deshalb nicht nachvollziehen, warum sein Kontrahent bereits "die Frechheit besitze", ihn mit seinem Vornamen anzusprechen. Er jedenfalls nenne DeSantis "Mister" oder "Mister Congressman". Das Publikum in einem Versammlungslokal der Florida Memorial University klatscht begeistert; die anwesenden Afroamerikaner wissen, worüber Gillum spricht - in Amerika wird das Verhalten von weissen und schwarzen Männern immer noch mit unterschiedlichen Ellen gemessen. Gillum geht nicht so weit, DeSantis vorzuwerfen, er sei ein Rassist. "Ich sage nur, die Rassisten sind der Meinung, er sei ein Rassist."


Gillum hat gemäss Meinungsumfragen derzeit die Nase vorn. Am Ziel ist er aber noch nicht - auch weil Trump sich geschworen hat, die Wahl eines linken Demokraten in Florida zu verhindern. Neuerdings sagt der Präsident, Gillum sei ein "eiskalter Dieb", und das Weisse Haus behauptet, die Bundespolizei FBI ermittle gegen ihn. Die Antwort des Demokraten? "Verschwörungstheorien stimmen nicht, nur weil Präsident Trump und Ron DeSantis dies behaupten."

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