Im Kindergarten war es noch einfach: Wer die gleichen Spiele mochte, wurde zum Best Buddy. Jetzt, (irgendwie) erwachsen, sind wir anspruchsvoller. Mit engen Freunden soll uns mehr verbinden als ein gemeinsames Hobby.
Doch was, wenn eine Freundschaft aus der Kindheit überdauert, sich aber die Lebensumstände und politischen Ansichten extrem voneinander entfernen? Wie viel Unterschied verträgt eine Freundschaft, was braucht sie zum Überleben?
Wir haben zwei enge Freunde unabhängig voneinander interviewt, die es wissen müssen: Robin, 22, Abiturient und CSU-Mitglied, und Lorenz, 21, linker Soziologiestudent.
Robin
Wir haben uns im Kindergarten kennengelernt, da waren wir drei oder vier - und zwei sehr aufgeweckte Kinder. Ab da waren wir fast immer zusammen: In der Grundschule, beim Wechsel aufs Gymnasium, in unserer Freizeit.
Lorenz
Ganz am Anfang mochten wir uns gar nicht so, wir waren beide sehr bestimmend. Doch bald entstand ein "gemeinsam gegen den Rest der Welt"-Gefühl. Wir hatten eine klassische Dorfkindheit: Wir waren immer draußen, bauten Lager und Baumhäuser, haben uns mit anderen Dorfkindern bekriegt und mit Matsch beworfen... und saßen deshalb oft zusammen beim Rektor.
RobinIn der siebten Klasse wechselte ich auf die Realschule. Unserer Freundschaft machte das nichts aus. Wir trafen uns weiterhin ständig und sprachen über alles Mögliche, von Neuigkeiten im Dorf bis hin zum Weltgeschehen: wir entwickelten beide ein Faible für Geschichte und politische Zusammenhänge.
„Doch bald entstand ein "gemeinsam gegen den Rest der Welt"-Gefühl."
Lorenz
Während der Schulzeit war Robin viel politischer als ich. Größere Zusammenhänge blieben mir damals noch verschlossen. Trotzdem hatten wir immer Gesprächsstoff, zum Beispiel Musik. In seinem Zimmer hörten wir stundenlang alte Punkplatten.
Nach dem Abi plante ich ein Freiwilligenjahr in den USA. Bei meiner Abschiedsparty setzten Robin und ich uns irgendwann zu zweit ab, redeten ewig, und er sagte mir, wie sehr ich ihm fehlen werde. Das hat mir echt viel bedeutet, denn sonst ist er eher introvertiert und kontrolliert.
Wir mussten beide ein bisschen weinen. Während meines FSJs arbeitete ich dann mit Obdachlosen, Menschen mit psychischen Problemen und Suchtproblemen. Das politisierte mich - in die linke Richtung.
RobinWährend Lorenz im Ausland war, wurde ich in unserem Heimatdorf politisch aktiv. Ich trat in die CSU ein, weil ich den Bürgermeisterkandidaten unterstützen und im Ortsverband etwas bewegen wollte. Lorenz schien alles andere als begeistert.
„Alter, warum machst du das?"
Lorenz
Mein erster Gedanke war: " Alter, warum machst du das?" Es ist für mich bis heute ein Mysterium, wann wir uns politisch so auseinander entwickelt haben. Für mich geht die CSU so gar nicht. Nach dem Auslandsjahr schrieb ich mich in Frankfurt für Kulturanthropologie und Soziologie ein, setzte mich mit kritischen Theorien auseinander, lernte neue Blickwinkel kennen.
RobinTrotz unserer politischen Differenzen blieb unser Kontakt sehr eng. Wir schrieben uns mindestens jeden zweiten Tag, und unsere Diskussionen wurden immer angeregter.
Die beiden wollen anonym bleiben.
Lorenz
Manchmal ist es schon ein bewusstes Triezen und Provozieren. Wenn die CSU beispielsweise ein rassistisches Integrationsgesetz verabschiedet, schreibe ich gleich Robin: "Was macht denn deine Partei wieder für 'nen Scheiß?"
RobinWegen des Gesetzes gegen Kinderehen wären wir fast nach einem Treffen zerstritten heimgegangen. Ich fand das Gesetz wichtig, für Lorenz war es Effekthascherei und fremdenfeindlich eingefärbt. Aber oft kritisiert Lorenz auch genau die Dinge, bei denen ich mit der Partei nicht auf Linie bin.
„Manchmal ist es schon ein bewusstes Triezen und Provozieren"
Lorenz
Flüchtlinge, die Übergriffe in Köln... Das sind Themen, die viele Leute bei Diskussionen spalten, aber uns eigentlich nicht. Manchmal frage ich mich: Haben wir vermieden, das auszudiskutieren oder gehen unsere Meinungen gar nicht so stark auseinander?
Ihr wollt wissen, welcher "Friends"-Charakter zu euch passt? Dann los:
Robin
Es gibt schon Sachen, bei denen wir überhaupt nicht zueinander finden, wie bei der Antifa-Aktion in Leipzig-Connewitz. Da wurden Namen von Rechten veröffentlicht und eine Wohnung verwüstet.
Ich halte rein gar nichts von Selbstjustiz, Lorenz hingegen meinte, man müsse doch davor warnen, wer diese Leute sind und wo die herkommen. Und auch, wenn er selbst nicht randalieren würde, kann er zumindest dem Gedanken hinter manchen Aktionen etwas abgewinnen.
„Was soll das? Rechtfertigst du jetzt Gewalt gegen Polizisten?"
Lorenz
Bei der Antifa-Weihnachtsfeier in Connewitz hat ne Mülltonne gebrannt. Davon gab's ein Facebook-Foto mit zwei vermummten Gestalten, "frohe Weihnachten" stand darunter. Ich habe das geliked, und fünf Minuten später schickte mir Robin den Screenshot: "Was soll das? Rechtfertigst du jetzt Gewalt gegen Polizisten?"
Ich bin gegen Gewaltexzesse von jeder Seite, aber ich habe viele Freunde in Leipzig, bekam das Ansteigen rechter Gewalt mit... Da sah ich die brennenden Mülltonnen als geringeres Problem.
Mehr Texte zum Thema Freundschaft:
Robin
Trotz unserer Kontroversen halten wir aber immer zusammen: Sie halten unsere Freundschaft lebhaft.Bei manchen Themen geben wir aber auch auf und sagen: Belassen wir es dabei.
Lorenz
Unsere Freundschaft ist von Beständigkeit, Liebe und absolutem Vertrauen geprägt. Die politischen Differenzen stehen für mich gar nicht im Vordergrund.
Das ist vielleicht eine Fähigkeit, die manchen im Erwachsenenalter abhanden kommt: substantielle Meinungsverschiedenheiten haben und trotzdem aneinander festhalten.
RobinWürden wir uns erst jetzt kennenlernen, wäre es schwieriger, sich anzufreunden. Man hätte Vorurteile. Aber so, nach knapp zwei Jahrzehnten, kann ich mir kein Szenario vorstellen, in dem unsere Freundschaft zerbrechen würde.
„Würden wir uns erst jetzt kennenlernen, wäre es schwieriger, sich anzufreunden. "
Auch räumliche Trennungen haben ja bisher nicht geschadet. Das ist beruhigend, denn bald wohne auch ich nicht mehr in unserem Heimatdorf: Ab Herbst möchte ich Jura oder Politikwissenschaft studieren, vielleicht auch ein bisschen weiter weg.
LorenzRobin ist so schlau, ich wünsche ihm, dass er mal in einen anderen Kontext kommt. Ich würde ihm so gern mal meine Welt in Frankfurt zeigen. Robin denkt, er wird da als CSU-Mitglied komisch angeschaut, aber das kann ich mir nicht vorstellen.
Ganz ehrlich: Wenn meine Leute in Frankfurt Robin nicht akzeptieren könnten, wären sie nicht meine Freunde.
Frankreich: Macron und Le Pen kommen in die Stichwahl
Emmanuel Macron und Marine Le Pen haben die erste Runde der französischen Präsidentschaftswahl gewonnen. Nach Auszählung aller Stimmen erzielte der unabhängige Kandidat Macron am Sonntag 24,01 Prozent der Stimmen. Die Chefin des Front National bekam 21,30 Prozent. ("Le Monde", detaillierte Ergebnisse gibt es auf der Website des Innenministeriums; beides auf Französisch)
Die Gewinner werden am 7. Mai in einer Stichwahl gegeneinander antreten.