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Chronique

Pommes sind das kulinarische Symbol deutscher Eintönigkeit

Es gibt kaum etwas, das Anmut so schnell zerschmettert, wie der Moment, in dem man in einem halbwegs edlen Restaurant (eins, wo die Menükarten nicht plastifiziert sind) Pommes mit Ketchup bestellt. Kein Gericht zeigt deutlicher, dass der oder die Konsumierende keine Anforderungen an guten Geschmack hat, keinen Sinn für schöne Dinge und keinen Mut, Gewürze abseits von Paprikapulver zu probieren. Denn die meisten Pommes sind im Grunde nichts anderes als labbrige Fettstängel. Und das wahrscheinlich Langweiligste, was man mit einer Kartoffel machen kann. 


Wie ideenlos Pommes sind, zeigt sich schon daran, wie man sie besser macht: mit Saucen, Gewürzen und Formen. Aus Kartoffelspalten schmeckt man die Kartoffel heraus. Gitterkartoffeln knuspern. Und Crazy Fries sind mit der Federsprungkraft und dem rauchigen Geschmack die wahrscheinlich größte Unterhaltung, die frittierte Kartoffeln zu bieten haben.

Normale Pommes sind nichts davon. Sie sind wie die substanzlosen Überreste aus der Schreddertonne: zusammengefügt ein Liebesgedicht, als einzelner Schnipsel wertlos. Pommes sind das Abfallprodukt des Erdapfels, die Basic Bitch der Kartoffelgerichte, die kulinarische Version von: "Ach, mir egal, ich lass' das jetzt so." Und ein essbares Symbol der Bräsigkeit, für die auch viele Deutsche bekannt sind. 


Es gibt Leute, die Deutsche mit einer sehr fortschrittsverweigernden Einstellung "Kartoffeln" nennen. Dabei wäre Pommes nicht nur vom Klang her die bessere Bezeichnung. 


Wie die Pommes ist auch diese Art von Deutschen langweilig, bräsig, inspirationslos. Sie machen das, was für sie am einfachsten ist. Sie liegen immer mit den gleichen Schnitzeln rum. Sie verlassen sich darauf, dass sie in ihrer Ursprungsform überall auf der Welt ähnlich sind: unaufregend, banal, aber verlässlich. Pommes-Deutsche wollen keine Veränderung. Sie vertrauen darauf, dass sie in ihrer Grundform super sind, wie sie sind. Wer sich doch traut, die Kartoffelstöcke zu würzen oder in ihrer Form zu verändern, erntet misstrauische Blicke und Feindseligkeit für so viel Flippigkeit.

Den Pommes ihre Daseinsberechtigung abzusprechen, wäre vielleicht zu radikal. Und doch: Es gibt sicher einen Grund dafür, dass manche Menschen sich mit ihnen nur in einem bestimmten Zustand auseinandersetzen können: besoffen.