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Landwirtschaft: Roboter übernehmen die Arbeiten auf dem Feld

Säen, ernten, jäten: Roboter übernehmen die Arbeit der Bauern. Sie versprühen weniger Herbizide und senken den Dieselverbrauch der Landwirtschaft.


Manchmal kommt die Revolution im Schneckentempo daher. Mit weniger als 1 km/h schiebt sich das Gefährt ohne menschliches Zutun übers Feld. Energie für den Antrieb liefern Solarzellen, auf der Unterseite sind Haken montiert, die das Erdreich bearbeiten. So unbeholfen die Bewegung auch aussieht, sie steht für eine grundlegende Veränderung in der Landwirtschaft: Die autonomen Maschinen kommen. Sie übernehmen Tätigkeiten, die kein Mensch gern tut, und sie schonen die Umwelt.

Einer davon ist der Farmdroid FD20 aus Dänemark. Mit Kratzbewegungen rupft er Unkrautpflänzchen aus der Erde, damit die Rüben besser wachsen. Was Menschen können, Nutzpflanzen von unerwünschtem Wuchs unterscheiden und Letzteren gezielt entfernen, daran scheiterten Roboter allzu häufig.

Inzwischen gelingt es ihnen immer besser. Der Farmdroid muss nicht einmal hinschauen. Er bringt die Samenkörner selbst aus und merkt sich mittels satellitengestützter Navigation die Position. Kommt er erneut aufs Feld, orientiert er sich mit seinen GPS-Antennen und jätet zentimetergenau, ohne den Nutzpflanzen zu schaden.

«Die Präzision wird immer höher», sagt Hansueli Dierauer vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (Fibl) in Frick. Er forscht seit Jahren zu Robotern und Precision Farming und begleitet die Tests des Farmdroid in der Schweiz. «Was das Gerät tut, sieht relativ einfach aus, aber es ist wirklich ein Quantensprung.» Zwischen den Reihen der Kulturpflanzen werde schon länger mit kameragestützten Systemen gehackt, um Unkraut zu entfernen.

Innerhalb der Reihen jedoch gelang es nicht: Rotierende Räder mit stäbchenförmigen Aufsätzen etwa, die wie menschliche Finger in die Krume greifen, hätten nicht wirklich funktioniert, sagt Dierauer. Der Hackroboter von Farmdroid bekommt das besser hin, wie die Tests auf acht Hektaren in den Kantonen Genf, Thurgau und Zürich zeigen. Die Erwartung, der Roboter liesse sich auf jedem Feld absetzen und würde selbständig seinen Job machen, erfüllt er aber noch nicht.

Andreas Keiser von der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (Hafl) in Bern ist an den Forschungen beteiligt. Er beschäftigt sich auch mit Anwendungen in der konventionellen Landwirtschaft. Das Schweizer Unternehmen Ecorobotix etwa hat den autonomen Roboter Avo entwickelt, der Unkraut mittels Kamera erkennt und gezielt mit einem Herbizid besprüht.

Das soll den Verbrauch des Wirkstoffs im Vergleich zu einer grossflächigen Anwendung und damit die Umweltbelastung deutlich reduzieren. «Auf der Testfläche der Firma hat der Roboter gut gearbeitet, aber bei uns ist er anfangs gar nicht klargekommen und hat statt Pflanzen auch Steine gespritzt», erklärt Keiser. Die Entwickler haben die Erkennungssoftware des Geräts deshalb nochmals mit Bildern von Unkräutern und Nutzpflanzen trainiert. Nun funktioniert die Erkennung zuverlässig.

Andreas Keiser glaubt, dass Roboter künftig Arbeiten im Feld selbständig ausführen werden. «Vorher müssen jedoch die Anwenderfreundlichkeit und die Zuverlässigkeit noch deutlich verbessert werden», sagt er. Auch müsse die Fehlerquote kleiner werden, beim Farmdroid etwa müssten Menschen auf dem Feld nacharbeiten.

Deren Lohnkosten kommen zu den Investitionen von rund 80 000 Franken für den Roboter hinzu. Der Avo von Ecorobotix soll zur Markteinführung im kommenden Jahr nach Firmenangaben ebenfalls unter 100 000 Franken kosten. Hansueli Dierauer rechnet allerdings mit einem deutlichen Preisrückgang bei Farmrobotern, wenn die Entwicklung vorangeht und mehr Geräte verkauft werden.

Dann könnte der Einsatz von Robotern sogar günstiger werden als die herkömmliche Bewirtschaftung. Zumal Arbeitskräfte schwer zu finden sind. Fehlen die Leute, haben Roboter bessere Chancen. «Pflanzenschutzmittel einzusetzen, wird schwieriger, man denke nur an die Diskussion um Glyphosat. Für die Unkrautbekämpfung werden mechanische Verfahren wichtiger», sagt Cornelia Weltzien vom Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie in Potsdam.

Die Agrartechnikerin ist sich sicher, dass es in den nächsten Jahren erheblich mehr autonome Geräte in der Landwirtschaft geben wird. «Die Technik für Bildanalyse und zum Greifen der Früchte ist sehr fortgeschritten», sagt sie. «In den umsatzstarken Märkten für Erdbeeren und Äpfel sind Roboter praxisreif, bald werden sie auch Gemüse ernten.» Ähnlich optimistisch sind die Ökonomen. Laut Analysten könnte der weltweite Markt für Robotertechnik in der Landwirtschaft von 7,4 Milliarden Dollar in diesem Jahr auf mehr als 20 Milliarden Dollar im Jahr 2025 wachsen.
Schutz vor Hackerangriffen

In Betrieben mit selbsterzeugtem Ökostrom sind die Roboter gewiss umweltfreundlicher als ein Dieseltraktor. Die Herstellung indes erfordert trotzdem Ressourcen. Also sollten sie vielseitig eingesetzt werden. «Die kameragestützte Unkrauterkennung mit gezielter Herbizidgabe könnte ebenso auf einer herkömmlichen, mehr als 30 Meter breiten Feldspritze funktionieren», sagt Andreas Keiser. «Damit würde die Anwendung effektiver, und erhebliche Mengen an Pflanzenschutzmitteln würden eingespart.»

Auch Keiser rechnet damit, dass künftig mehr Roboter in der Landwirtschaft arbeiten. Umso wichtiger wird die Frage, wie es um die Sicherheit der Geräte steht. Sie sind so programmiert, dass sie ein durch GPS-Koordinaten definiertes Feld nicht verlassen und stoppen, sobald ein Mensch in der Nähe ist. «Bei einem Hackerangriff könnten diese Mechanismen überwunden werden», sagt der Forscher. Die Hersteller müssten deshalb Vorkehrungen treffen.

Ebenso sollte der Gesetzgeber auf die Entwicklung reagieren. «Bis jetzt dürfen Roboter in der Schweiz nur auf dem Acker fahren, nicht einmal auf dem Feldweg», sagt Keiser. Erst wenn die Einschränkungen fallen, kann die Revolution weitergehen.


Erschienen am 06.09.2020 in der NZZ am Sonntag.


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