Im Länderpavillon der Klimakonferenz in Kattowitz zeigen sich einige Teilnehmerländer in schön hellem Licht. Gastgeber Polen präsentiert vor allem „schwarzes Gold". Die Stände zeichnen ein entlarvendes Bild über den Zustand der Klimapolitik.
Natürlich ist keines der Länder, das auf der Weltklimakonferenz in Kattowitz in Polen vertreten ist, ein Klimasünder. Diesen Eindruck zumindest gewinnt der Besucher, wenn er in einem der hinteren Bereiche des Konferenzgeländes den Länderpavillon betritt. Wie auf einer Messe werden hier an meist begehbaren Länderständen Innovationen in Sachen Energiewirtschaft gezeigt.
Dazu gibt es neben italienischem Kaffee Häppchen und Mitbringsel in Form von Marmeladengläsern oder - wenn es etwas langweiliger zugehen darf, wie bei den Deutschen - Prospekte und Aufklärungsbroschüren. Alle machen in Ausbau der Wind- und Solarenergie.
Längst sind nicht alle Konferenzteilnehmer in dem Pavillon anzutreffen. Was auffällt: Diejenigen, deren Ruf mit Blick auf Schadstoffausstöße besonders schlecht ist, wie Indien oder einige Industrieländer, haben die funkelndsten Plakate. Selbst Länder wie Brasilien sind dabei, auch wenn deren Stand etwas verloren in der hintersten Ecke des Pavillons steht. Aus den Boxen schallt laut Bossa Nova, während eine Hostess gelangweilt auf ihrem Smartphone rumwischt.
Seit der Wahl des Klimawandelskeptikers Jair Bolsonaro zum brasilianischen Präsidenten, dürften die meisten Teilnehmer der Konferenz in Kattowitz das fünftgrößte Land der Erde abgeschrieben haben. Der Mann, der am 1. Januar 2019 sein Amt antritt, hat angekündigt, eine Autobahn durch den Amazonas-Regenwald zu bauen.
Brasilien wird überdies nicht, wie vorgesehen, die Weltklimakonferenz im nächsten Jahr ausrichten. Angeblich Budgetgründe. Bolsonaros designierter Außenminister Ernesto Araujo übrigens nannte die Erderwärmung eine „marxistische Verschwörung".
Brasilien drückt auf die StimmungAngesichts dieser Entwicklung in Brasilien ist die Stimmung innerhalb der sogenannten Klima-Community nicht gerade gut. Nach Donald Trump s Ankündigung, 2020 aus dem Übereinkommen von Paris aus dem Jahr 2015 auszutreten, und dem weiterhin rücksichtslosen Ausbau etwa von Kohlekraftwerken in vielen Ländern, waren die Erwartungen an die aktuelle Konferenz ohnehin nicht hoch.
Dass es drei Jahre gedauert hat, sich nach dem seinerzeit euphorisch gefeierten Abkommen von Paris zusammenzufinden, um eine Art Fahrplan zur Erreichung der Klimaziele zu beschließen, lässt Zweifel an der Durchsetzungsfähigkeit der Konferenzteilnehmer wach werden. Daran, dass der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf höchstens 1,5 Grad beschränkt werden kann, glaubt niemand mehr.
„Vor drei Jahren waren wir tatsächlich zuversichtlicher", sagt Sebastian Scholz. Für den Zuständigen für Energie- und Klimapolitik des Naturschutzbundes, der aus Berlin angereist ist, ist trotzdem nicht alles verloren. „Wie immer wurden wir hier nach der Eröffnung von Euphorie eingenommen."
Scholz ist bereits zum fünften Mal dabei. Er weiß, dass es Rückschläge geben kann, auch wenn er zugibt, dass sich aktuell besonders viele Länder auf sich selbst zurückziehen und offenbar keine Notwendigkeit mehr darin sehen, multilateral Lösungen für das Klimaproblem zu finden. „Wir müssen weitermachen, wir haben keine Wahl", sagt er.
In Polen ist der Smog für jedermann sichtbarDass die diesjährige Konferenz in Kattowitz stattfindet, ringt ihm ein Schmunzeln ab. Er erzählt, wie er gleich den Kohlegeruch in der Stadt wahrgenommen habe, als er am Vorabend des ersten Konferenztages aus dem Reisebus im Zentrum gestiegen ist. Polen richtet das Treffen in einer der Region mit der stärksten Luftverschmutzung in ganz Europa aus, im schlesischen Kohlerevier.
Ohnehin gilt Polen als Kohleland, in dem fast 20 Millionen Menschen irgendwie auf Kohle angewiesen sind und etwa die Hälfte der Luftverschmutzung darauf zurückzuführen ist, dass in privaten Haushalten mit Kohle geheizt wird. Eine für jeden sichtbare Folge ist Smog, auch in Kattowitz. Die Region steht noch einmal mehr für all das - und natürlich für den Strukturwandel und soziale Verwerfungen, auf die die polnische Regierung mit ihrer Ortswahl aufmerksam macht.
Kattowitz steht so sehr für Kohle, dass das am polnischen Stand im Pavillon einfach nicht verheimlicht werden konnte. Warum also nicht in die Offensive gehen? Während die deutschen und französischen Stände wegen des Kaffees zwar gut besucht sind, aber abgesehen von etwas Sperrholz zum Anfassen nichts zu bieten haben, fährt Polen alles auf.
Als Gastgeber ist das Land am prominentesten vertreten. Über einem kleinen Café hängt ein großer Neonschriftzug: „Katowice", steht dort, polnisch für Kattowitz. In den Boden sind Glasplatten eingelassen, unter denen Steinkohle liegt, wie auch in den Wänden, hübsch neben Pflanzentöpfen.
Nie kam Kohle sympathischer rüberHinter der italienischen Kaffeemaschine liegt edel abgepackt Seife aus - aus Steinkohle und in Steinkohleoptik. Nie kam Kohle sympathischer rüber. Wo Kaffee trinken, wenn nicht hier? Bei den Deutschen mit ihren Prospekten zur „Allianz für Entwicklung und Klima"? Lieber nicht.
Was sagt es über den Kohlehunger eines Landes, wenn es Kohle zum Waschen anbietet? Das erfährt der Besucher nur ein paar Meter weiter. Direkt neben dem Kohle-Café gibt es polnische Snacks, Wurst oder Schmalz, Multimediashows zwischen scheinbar von der Decke hängenden Holzstehlen und einen ausgesprochen gut besuchten Konferenzraum, in dem auch schon mal erörtert wird, warum Kohle und das Erreichen der Klimaziele kein Widerspruch sein müssen. Alles reichlich dick aufgetragen.
Trotzdem muss man dankbar für den Länderpavillon auf der Klimakonferenz sein. Denn neben all den Lippenbekenntnissen und Phrasen, zeigt derzeit kein Ort in Kattowitz besser, wo die Welt klimapolitisch steht. Irgendwie machen alle mit, aber keiner so richtig.
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