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Regierungspartei PiS punktet bei Regionalwahl

Bei den Regionalwahlen in Polen kann die europakritische Regierungspartei PiS mit Zuwächsen rechnen. Innerhalb der EU wird die nationalkonservative Partei vor allem für die jüngste Justizreform kritisiert | Foto: Reuters

Polen Regierungspartei PiS punktet bei richtungsweisender Regionalwahl

Die polnische Partei PiS steht europaweit in der Kritik. Jetzt holt sie bei landesweiten Regionalwahlen nach ersten Schätzungen die meisten Stimmen. In der Hauptstadt Warschau triumphiert allerdings die oppositionelle Bürgerplattform.


In großen Lettern steht es auf seinem Shirt: „Konstytucja", zu Deutsch „Verfassung". Der ehemalige polnische Präsident und Friedensnobelpreisträger Lech Walesa erlaubte sich bei der Abgabe seines Stimmzettels für die Kommunalwahlen in seinem Lokal in Danzig den Hinweis, dass die polnische Verfassung auch für die Exekutive das Maß der Dinge sein sollte. Kritiker der Justizreform der Regierungspartei PiS (Recht und Gerechtigkeit) zeigen sich häufig mit dem Schriftzug.

Es ist kein Geheimnis, dass der störrische Walesa kein Freund der Nationalkonservativen ist. Aufregung unter Regierungsanhängern. Der Leiter der Staatlichen Wahlkommission, Wojciech Hermelinski, musste darauf hinweisen, dass das Wort „Verfassung" nicht gegen die Wahlruhe verstoße und eigentlich niemanden aufregen sollte. Abgesehen von dieser und einigen weiteren kleinen Episoden verlief der Urnengang ruhig.

Polen hat sich entschieden, und es ist ein durchaus farbenprächtiges Bild, das die ersten Hochrechnungen zeigen. Um 21 Uhr am Sonntagabend wurden die Wahllokale geschlossen. Etwa 30 Millionen Wahlberechtigte waren dazu aufgerufen, für 16 Regionalparlamente, die Sejmiki, die je aus 30 bis 50 Abgeordneten bestehen, Stadträte sowie etwa 2500 Stadtpräsidenten und Bürgermeister ihre Stimmen anzugeben. Es war ein riesenhaftes Prozedere, dessen Bedeutung für die zukünftigen Machtverhältnisse im Land nicht zu verkennen ist.

„Wir haben einen guten Abend, freuen wir uns!"

Die PiS, die seit 2015 eine absolute Mehrheit der Sitze im Sejm, dem Parlament, innehat, die die staatlichen Medien und weite Teile der Gerichte kontrolliert, ist traditionell auf der kommunalen Ebene, vor allem in den Städten, schwächer aufgestellt. 2014 konnte sie lediglich in einem Regionalparlament in der Woiwodschaft Karpatenvorland im Südosten Polens die absolute Mehrheit der Sitze für sich gewinnen, wenn sie auch in vier weiteren die stärkste Fraktion stellt.

Nach ersten Auszählungen hat sie nun dazugewonnen, in neun von 16 Woiwodschaften holte sie für die Regionalparlamente die meisten Stimmen, landesweit hat sie auf dieser Ebene 32,3 Prozent und ist damit stärkste Partei. Zum Vergleich: Vor vier Jahren lag die PiS bei 26,9 Prozent. Einige ihrer Mitglieder sprechen jetzt schon von einem Sieg, nach 21 Uhr trat der mächtige Parteichef Jaroslaw Kaczynski vor seine Anhänger. „Wir haben einen guten Abend, freuen wir uns!", rief er ihnen kurz und knapp zu.

Die Opposition, in erster Linie das Wahlbündnis KO (Bürgerkoalition) der liberalkonservativen PO (Bürgerplattform) und der Nowoczesna (Moderne), musste zeigen, dass es der PiS überhaupt noch etwas entgegenzusetzen hat. Dass die Stadtpräsidentschaft in Warschau an deren Kandidaten Patryk Jaki gehen könnte, wurde nicht ausgeschlossen.

In den Städten findet am 4. November nämlich eine Stichwahl zwischen den aus dem ersten Wahlgang Bestplatzierten statt, sofern keiner der Teilnehmer mehr als 50 Prozent der Stimmen auf sich vereinen konnte. Die Wähler der Kleinparteien sind dann eine schwer zu kalkulierende Größe.

Stichwahlen in Danzig und Krakau wahrscheinlich

In der Hauptstadt hat es Rafal Trzaskowski für die PO nun gleich auf Anhieb geschafft, wie auch einige weitere progressive Oppositionskandidaten wie Jacek Jaskowiak in Posen oder Tadeusz Truskolaski in der Mittelstadt Bialystok. In Danzig und Krakau wird es aller Voraussicht nach zu Stichwahlen kommen. Landesweit hat die PO in den Regionalparlamenten leichte Verluste gemacht, sie hat 24,7 Prozent der Stimmen erhalten, vor vier Jahren waren es 26,3 Prozent.

Nach den beiden großen Parteien sind die PSL (Polnische Bauernpartei) mit unerwartet hohen 16,6 Prozent auf dem dritten und die rechtspopulistische, teils rechtsradikale Bewegung Kukiz' 15 mit 6,3 Prozent auf dem vierten Platz gelandet. Die Wahlbeteiligung lag bei 51,3 Prozent, vor vier Jahren waren es 47,4 Prozent. Viele Beobachter beschrieben diesmal die Wahllokale als ausgesprochen voll, vielfach bildeten sich lange Schlangen.

Die PiS wie auch die Opposition versuchen nun, die Ergebnisse als Erfolge für sich darzustellen. Tatsächlich ist es erstaunlich, dass die Regierungspartei - Stimmenzugewinn hin oder her - nicht noch besser abgeschnitten hat. Schließlich hat das Staatsfernsehen weitgehend kritiklos über die Kampagne der PiS berichtet. Dass allerdings Premierminister Mateusz Morawieckis Verwicklungen in eine Jahre zurückliegende Abhöraffäre jetzt publik wurden und am 19. Oktober der Europäische Gerichtshof Polen aufgefordert hat, die Zwangspensionierung der Richter am Obersten Gericht zu beenden, dürfte die PiS stimmen gekostet haben - zumindest in den Städten.

Auch wenn die PO mit ihrer Bürgerkoalition die meisten Großstädte wahrscheinlich wird halten können, steht sie dennoch geschwächt dar. Das landesweite Ergebnis der Regionalparlamente gilt gemeinhin als Gradmesser für die Parlamentswahlen. Wer die Mehrheit der Sejmiki gewinnt, gewinnt den Sejm - das wäre aktuell die PiS.

Die Wahlergebnisse haben zudem gezeigt, dass es über die PiS hinaus ein starkes rechtskonservatives und EU-skeptisches Wählerpotenzial im Land gibt, das sich über mehrere Parteien und Bewegungen verteilt. Die traditionell EU-freundliche PO hat da einen schweren Stand.

Dass die PiS die Mehrheit in neun Regionalparlamenten erringen konnte, ist überdies schlicht wichtig in Zusammenhang mit den Reformen der Partei auch auf der kommunalen Ebene. In den Woiwodschaften überblicken die Sejmiki große Investitionsprojekte und auch die Verteilung von EU-Mitteln. Dass die PO hier nun weniger Einfluss haben wird, wird die Partei landesweit weniger sichtbar machen. Mit Blick auf die Parlamentswahlen im nächsten und die Präsidentschaftswahlen im übernächsten Jahr ist das trotz des Jubels in den Großstädten keine sonderlich gute Voraussetzung.

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