Ob ihr nun Musikfans seid oder mit Punk nichts am Hut habt: Die Ausstellung „ Hey! Ho! Let's Go: Ramones and the Birth of Punk " ist eine Reise zum Queens Museum wert. Das wird eine tolle Geschichte, dachte ich mir, nachdem ich dort war. Aber ich hatte ja keine Ahnung, was da noch alles dahinterstecken sollte! Bis ich mit Marc H. Miller telefonierte und ihn schließlich besuchte.
Er hat die Ausstellung kuratiert. Ausschlaggebend dafür war im Grunde eine Scheidung: Als Marc beim Auszug den Keller ausräumte, fielen ihm Bilder aus alten Zeiten in die Hände. Aus den 20 Jahren von 1969 bis 1989, in denen er an der Bowery lebte, einen Steinwurf vom legendären Rockclub CBGB's entfernt. In Marcs Loft gingen Künstler ein und aus, er selbst machte Kunst - und fand sich deswegen mit einer Kamera mitten im Entstehen des Punk wieder.
Jahrzehnte später baute er langsam die Website auf, fand darüber ein paar alte Bekannte wieder, und als er mit dem Dokumentieren schließlich bei der Phase seines Lebens angelangt war, in der er im Queens Museum gearbeitet hatte, ging Marc dort ins Archiv, Material besorgen. Eigentlich. Heraus kam er mit leeren Händen. Und mit einem Auftrag.
Diese Geschichte lasse ich ihn besser mal selbst erzählen. Im Interview erfahrt ihr außerdem, warum Joey Ramone einmal seinen Namen auf 50 Fotos hintereinander kritzelte, was Punk mit bildender Kunst am Hut hat, wer gratis ins CBGB's kam und was aus einem wie Marc H. Miller hinterher geworden ist (so viel sei verraten: Er empfiehlt seinen Lebensweg nicht zur Nachahmung - aber nicht etwa aus Reue).
Mit der Website „98 Bowery" zeige ich quasi den Gang meines Lebens von 1969 bis 1989, und der letzte Teil sollte meine Zeit als Kurator im Queens Museum Ende der 80er Jahre dokumentieren. Dorthin fuhr ich, um einige Bilder einzusammeln, und kam mit dem Museumsdirektor ins Gespräch. Er wusste von einem Projekt, das ich für eine andere Einrichtung in Queens gemacht hatte, es hieß „The Queens Jazz Trail Map" und war eine illustrierte Karte mit den ganzen Jazzmusikern, die in Queens gelebt hatten.
Er schlug vor, eine Queens Hiphop-Map zu machen, weil auch in diesem Genre viele Musiker aus Queens kommen, besonders bekannt ist dafür sind ja Run DMC und LL Cool J, aber auch 50 Cent und Nicky Minaj sind in Queens aufgewachsen. Ich sagte: „Klar, das kann ich wohl machen, aber am einfachsten wäre eine Ramones-Show, weil ich ja ganz offensichtlich mit dem Ramones etwas anfangen kann." Er sagte: „Das machen wir!" Und das war's.
Ohne die Website hätte ich diese Unterhaltung nie gehabt. Das war nicht kalkuliert. Ich sah, dass die Leute über diese Ära nicht so sprachen, wie ich sie erlebt hatte, und ich wollte meine Sichtweise auch dort draußen wissen.
Das Downtown New York der 70er Jahre war heruntergekommen, die Mieten waren billig, und viele kreative Menschen kamen her, sowohl junge Künstler als auch Musiker, angezogen von dem Leuchtfeuer Andy Warhols. Viele von ihnen kannten sich untereinander von diversen Colleges. Es gab das East Village, das CBGB's, und eine natürlich Wechselbeziehung zwischen den Musikern und Künstlern.
Man hört die Klischees über Punk, dass man die Virtuosität und die Gitarrensolos satt hatte und sagte: zurück zu etwas Einfacherem, Ausdrucksvolleren. Dasselbe passierte in der Kunstwelt: Da gab es diese aufgeblähte Konzeptkunst und übermäßig intellektualisierte Kunst. Die Musiker merkten, dass sie keinen Plattenvertrag kriegen konnten, weil Tausende aus den 60ern übriggebliebene Bands gab, und die bildenden Künstler bekamen keine Ausstellungen wegen Dutzender übriggebliebener Künstler aus den 60ern. Es wuchs eine Art Do-It-Yourself-Szene da unten zusammen. Und es war auch eine Party.
Das habe ich gesehen, als Bettie Ringma und ich begannen, ins CBGB's zu gehen: Die Leute, die mir da zuerst auffielen, waren die, die ich aus der Kunstszene kannte. Deshalb machten wir ja auch die „Punk Art"-Ausstellung in Washington . Und als die Bands größer wurden, brauchten sie die bildende Kunst für Poster, Bühnendesign, Plattencover, Mode. Es gab also eine ganz natürliche Verbindung, mit der ich zufälligerweise schon früh in Berührung kam.
Wir machten zu diesen Zeit gemeinsam etwas, das wir „Paparazzi Self-Portraits" nannten. Das war ein Weg, selbst plötzlich mittendrin und voll dabei zu sein: Wir fotografierten uns mit einem Promi. Am CBGB's kamen wir ständig vorbei, und manchmal standen jede Menge Leute davor auf der Straße, so dass klar war: Da war etwas los. Gleich beim ersten Mal bekamen wir ein Foto von Bettie mit Patti Smith.
Wir erzählten Hilly, dem das CBGB's gehörte, dass das für eine Ausstellung sei. Ihm war es eh egal, ob die Leute Eintritt zahlten, weil die Kasse nicht an ihn, sondern an die Bands ging. Und er ermunterte jeden, der dort Fotos machte oder sagte, er sei Journalist, eben alles, was dem Club PR einbrachte. Wir erklärten ihm also ein paar Sekunden lang, wozu unsere Fotos wären, und dann ging er mit uns zu Roberta Bayley, die die Eintrittskasse machte, und sagte: „Lass die beiden umsonst rein." So konnten wir immer ins CBGB's.
Nein, aber wir haben tatsächlich die Ausstellung gemacht. Und wir hatten eine weitere namens „Paparazzi Self-Portraits", da war Joey Ramone mit dabei, und Joey hat alle Fotos signiert.
... Die Antwort gibt es im Originaltext. Ebenso wie ein paar Takte über mögliche Ursachen der Ramones-Nostalgie und die Risiken schräger Lebenswege.