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Strom und Wärme aus Holz

Strom und Wärme aus Holz

Vom Exoten aus der Mangelwirtschaft zum Wirkungsgrad-Wunder: Holzgas hat ein großes Potenzial in Blockheizkraftwerken, wird bislang aber wenig genutzt. Die Jungunternehmer von Lipro Energy wollen der Technologie auf die Sprünge helfen. Mit einem Kraftwerk, das auch minderwertige Brennstoffe verstromt.

Von Peter Ringel

Mit einem Holzvergaser gekoppelte Blockheizkraftwerke sind die effektivste Methode, um Strom und Wärme aus fester Biomasse zu gewinnen. Der elektrische und thermische Wirkungsgrad von kombiniert rund 85 Prozent ist beeindruckend. Dennoch hat es die Technologie bislang nicht aus der Nische geschafft. Was ein Team junger Ingenieure nicht daran hinderte, sich unter das Dutzend der Anbieter im deutschsprachigen Raum zu wagen. Vor fünf Jahren gründeten sie Lipro Energy, jüngst wechselte die Firma in eine größere Werkhalle nahe dem niedersächsischen Oldenburg. Dort ist genug Platz, um zehn Holzgaswerke gleichzeitig zu fertigen. Anfang des Jahres werden in der Halle je zwei Vergaser und Generatoren sowie Sensoren und Schaltschränke zu 50-kW-Anlagen montiert. Doch die Jungunternehmer wollen nicht nur die Produktion hochfahren. Investiert wird auch in die Entwicklung. Das Ziel lautet, auch minderwertige Brennstoffe zu verstromen um den Betrieb wirtschaftlicher zu machen.
Ohne hochwertige und teure Hackschnitzel kommen Lipro Holzgaswerke bereits heute aus. Grund für die Genügsamkeit: „Unsere gestufte Vergasung ist einzigartig“, sagt Mitgründer Frederik Köster. Laut dem Forstwirt und Maschinenbauingenieur sei damit jede Prozessphase optimal zu steuern. Schritt eins ist die Pyrolyse, die bei bis zu 700 Grad Celsius und möglichst ohne Sauerstoff erfolgt. Die dabei entstehende Kohle und das Gasgemisch werden getrennt. Während Förderschnecken den verkohlten Feststoff in den Reaktor leiten, crackt die Anlage den Mix aus flüchtigen Kohlenwasserstoffen bei mehr als tausend Grad Celsius per Oxidation, indem Luft und Dampf zugeführt werden. Wichtig bei diesem zweiten Schritt: „Durch die Trennung von Kohle und Gas gelangt kein Teer in den Verbrennungsmotor“, erklärt Köster. Eine aufwändige Gasreinigung entfällt. Auch beim dritten und letzten Schritt sind die getrennten Prozessphasen von Vorteil. Während die Oxidation große Hitze braucht, sind zu hohe Temperaturen bei der Reduktion des Gases im Festbett der Pyrolysekohle unerwünscht. Ansonsten können Schlacken entstehen, die das automatische Herausfördern der Asche behindern. Am Ende des komplexen Prozesses hat der Reaktor ein Gemisch von Kohlenmonoxid und Wasserstoff produziert. Dieses Synthesegas treibt schließlich den Motor des Blockheizkraftwerks an.
Weil weder Teer noch Schlacke die Anlage lahmlegen, sichert das Verfahren eine hohe Verfügbarkeit. Zugleich erhöht es die Wirtschaftlichkeit, weil der Betreiber auch B-Ware für die Pyrolyse verwenden kann. „Wir brauchen kein hochwertiges und homogenes Brennmaterial“, betont Köster. Statt Hackschnitzeln aus Stammholz reichen etwa Kronenmaterial, Strauchschnitt oder Restholz. Auch Zapfen stören nicht. Feinstoffe müssen allerdings soweit ausgesiebt werden, dass sie nicht mehr als ein knappes Drittel ausmachen. Wichtig ist zudem, dass der Brennstoff weniger als zehn Prozent Wasser enthält. Entscheidend sei immer das Gesamtkonzept, betont Köster: „Wenn zum Beispiel die Trocknung nicht vernünftig ausgelegt ist, läuft die Anlage nicht.“
Dass ein Holzgaswerk nicht unbedingt hochwertiges Brennmaterial braucht, belegt schon der Prototyp von Lipro Energy. Was zunächst nur als Konzept für die elterliche Hofgemeinschaft gedacht war, entwickelte sich zur ersten Anlage. Als sich bei der Recherche für die Abschlussarbeit zeigte, dass nichts Passendes auf dem Markt war, schweißten die Gründer selbst ein Kraftwerk zusammen und fanden so zur Geschäftsidee. Der Prototyp läuft seit fünf Jahren und macht den Ökobetrieb, der einen zu geringen Energiebedarf für eine Biogas-Anlage hat, in der Strom- und Wärmebilanz autark. Gefüttert wird das automatisch laufende Kleinkraftwerk mit allem, was rings um den Hof bei der Pflege von Hecken anfällt. Zudem wurden einige Reihen für den Kurzumtrieb angelegt.
Was die Ingenieure beim Tüfteln und der Literaturrecherche gelernt hatten, nutzten die Maschinenbauer, Mechatroniker, Forst- und Betriebswirte fürs Design der eigenen Anlage. „Es gibt tausende Entwicklungsprojekte, von denen viele nur im Labor oder als Großkraftwerk wie in Rosenheim gebaut wurden“, erklärt Köster. Viele der für die Holzvergasung erteilten Patente seien nie zur Anwendung gekommen. Eines davon, aus den siebziger Jahren und inzwischen ausgelaufen, wird von Lipro Energy genutzt. Beim Entwickeln floss viel Aufwand in die selbst programmierte Software. „Wir liefern eine Steuerung aus einem Guss“, sagt Co-Geschäftsführer Julian Fintelmann. Sensoren messen Temperaturen, Druckdifferenzen, Füllstände sowie Durchflüsse. Ein Großteil der Wartung ist per Fernzugriff möglich. Verschleißteile und Öl wechselt meist der Betreiber vor Ort.
Die zehn Lipro Holzgaswerke, die bislang in Deutschland, Österreich und Japan in Betrieb sind, werden von Forstbetrieben, Landwirten und Biomassehöfen betrieben. Fast alle entschieden sich für die größere Kraftwerk-Variante mit 50 Kilowatt elektrischer und 110 Kilowatt thermischer Nennleistung. Rund 30 weitere Holzgaswerke sind in der Planung, als nächstes werden Anlagen in der Schweiz repowert. Das Aufrüsten ist auch in Deutschland das Hauptgeschäft. Wegen der höheren Vergütungen lohnt sich das Repowering alter Anlagen, allerdings ist das Marktvolumen gering. Wegen des schwachen Heimatmarkts setzt Lipro Energy wie die anderen Hersteller auf den Export. Etwa nach Japan, wo es eine attraktive Einspeisevergütung gibt. Hierzulande liegt die im EEG festgelegte Vergütung mit rund 13 Cent pro Kilowattstunde dagegen unter der für Biogas. Zu den schwachen Anreizen gesellen sich Auflagen, die es den Betreibern auch nicht einfacher machen. So ist für Blockheizkraftwerke eine Zertifizierung vorgeschrieben, sobald sie ins Niederspannungsnetz einspeisen. Und ab einer Leistung von 100 Kilowatt besteht ein Zwang zur Direktvermarktung. „In Deutschland hat Holzgas eine schwache Lobby“, klagt Köster, „dabei ist es das Beste, was man energetisch mit Biomasse machen kann.“
Schon seit Ende 19. Jahrhunderts verbrannte man Holzgas in Motoren. Seit in Kriegs- und Nachkriegszeiten Autos damit fuhren, galt es eher als Exot aus der Mangelwirtschaft denn als innovative Technologie. Am Image kratzten auch die Nebenwirkungen aus den Anfangstagen des EEG. „Es gab zeitweise viele schwarze Schafe in der Branche“, bekennt Fintelmann. Anlagen liefen nicht stabil oder gar nicht. Weil Komponenten nicht zusammenpassten oder weil Teer die Ventile und Kolbenringe im Motor verklebte. Inzwischen gilt die auf dem Markt verfügbare Technik als ausgereift. Doch nun mangelt es an politischer Unterstützung.
Das Potenzial von Holzgas geht weit über den derzeitigen Nischen-Status hinaus. Zudem ist die grundlastfähige Technologie für die Energiewende relevant. Als Betreiber kommt vorrangig infrage, wer die thermische Energie des Blockheizkraftwerks nutzen kann. Etwa als Prozesswärme, in einem Nahwärmenetz oder einem Schwimmbad. Andere Anwender suchen vor allem eine sinnvolle Nutzung für Reststoffe. Oder sie bringen Anbieter und Nutzer per Contracting zusammen. Wirtschaftsingenieur Fintelmann gibt eine Spanne zwischen drei und sieben Jahren für die Amortisation an. Ob eine Anlage rentabel ist, wird neben der Wärmeverwertung und den Brennstoffkosten auch von der Vergütung beziehungsweise dem Eigenverbrauch des Stroms beeinflusst. Zu beachten ist aber noch viel mehr. „Der genehmigungsrechtliche Aufwand für die Abfallverwertung kann ein Knock-out-Kriterium sein“, weiß Fintelmann. Der Wirtschaftsingenieur legt Wert auf eine ganzheitliche Projektprüfung und die Standorteinbindung: „Wenn wir zum Beispiel merken, dass das Brennstoffkonzept schöngerechnet ist, raten wir auch mal von einer Anlage ab.“ Angehende Betreiber lernen schnell: Wer Holzgas nutzen will, sieht sich nicht nur einer anspruchsvollen Technik gegenüber – das Berechnen der Wirtschaftlichkeit ist nicht minder komplex.
Damit Anlagen leichter rentabel werden, will Lipro Energy sein Verfahren an immer neue Brennstoffe anpassen. „Was durch den Verkauf hereinkommt, fließt zum großen Teil in die Entwicklung“, seufzt der fürs Kaufmännische zuständige Fintelmann. Künftig sollen auch feine Abfälle wie Sägespäne oder sogar Laub nutzbar werden. Den Vergaser für solche Materialien einzustellen, ist jedoch alles andere als trivial. Jeder Brennstoff braucht eine andere Temperatur. Bei Stroh sind Chlorverbindungen problematisch. Und bei Gärresten lautet die Herausforderung, den Prozess trotz des Ammoniaks stabil halten. Interesse gibt es jedenfalls weltweit: Probeweise landeten schon Palmkerne und die Schalen hawaiianischer Macadamia-Nüsse im Holzvergaser.

erschienen in building & automation 2/2019