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Ein bisschen wie Darmstadt

Würzburg und Nejmeddin Daghfous wollen eine erfolgreiche Saison mit dem Aufstieg krönen (Bild: Picture Alliance)

In Randersacker, einem Würzburger Stadtteil, steht ein Autohaus mit riesiger Glasfassade, in dessen Haupthalle ein Dutzend funkelnder Oberklasse-Fahrzeuge auf einem silbergrauen Boden geparkt sind. Hinter einer großen Glastür, über der in glänzendem Silber „Fahrzeug Übergabe“ prangt, sind allerdings keine aufpolierten und abholbereiten Boliden zu sehen, sondern: Hier präsentieren sich die Würzburger Kickers, die in Randersacker ihr Trainingszentrum haben, vor dem Relegationsspiel gegen den MSV Duisburg.

Bernd Hollerbach muss lächeln und kurz überlegen, als ihm eine Frage nach Parallelen zwischen den Würzburgern und dem SV Darmstadt 98 gestellt wird. „Ja, man kann uns ein bisschen mit Darmstadt vergleichen. Bei ihnen hat auch keiner mit dem Erfolg gerechnet“, sagt der 46-Jährige, der wie Darmstadts Schuster Trainer und Manager zugleich ist. Selbst die „Kickers-Familie“, so nennen sich Vereinsverantwortliche und Fans gerne, hatte eine derart schnelle Entwicklung des Vereins wohl nicht auf dem Zettel. Als Hollerbach, der als Co-Trainer unter Felix Magath beim VfL Wolfsburg und „auf“ Schalke arbeitete, im Sommer 2014 die Mainfranken in der Regionalliga Bayern übernahm, stand der Verein bei „null, ohne richtige Strukturen“, sagt Fabian Frühwirth, verantwortlich für Medien und Kommunikation der Würzburger. Vor 13 Jahren rutschten die Kickers gar in eine Dorf-Liga ab: Als Absteiger 2003 in die Bezirksliga Unterfranken.

Mit Hollerbach als Kopf der Vereins-Kampagne „3×3“ - innerhalb von drei Jahren sollte der Aufstieg in die dritte Liga, in den Profifußball, gelingen - sowie Sponsoren aus der Umgebung und dem finanziellen „Türöffner“ Thorsten Fischer, der aus der Region stammt und dem eine große Online-Druckerei gehört, begann die Erfolgsgeschichte. Statt drei brauchten die Würzburger allerdings nur eine Saison für den Aufstieg in die dritte Liga. Als Regionalliga-Meister setzten sie sich 2015 im Elfmeterschießen gegen den 1. FC Saarbrücken, den damaligen Zweiten der Regionalliga Südwest, durch. Im Januar 2016 verkündete der FC Würzburger Kickers ein neues Projekt, nämlich „3×2“: Innerhalb von drei Jahren sollte der Aufstieg in die Zweite Bundesliga gelingen. Doch bereits in der vergangenen, der ersten Saison in Liga drei gelang den Kickers überraschend der Sprung auf den dritten Tabellenrang, den Relegationsplatz.

Von 38 Saisonspielen verloren die Würzburger in ihrer Debütsaison nur sechs, es gab je 16 Siege und Remis. Nur der souveräne Drittligameister Dynamo Dresden verlor seltener. Mit 25 Gegentoren stellten sie nach dem FC Erzgebirge Aue, der als Zweiter direkt in Liga zwei aufstieg, die zweitbeste Defensive. Nun geht es für die Kickers gegen den MSV Duisburg, den 16. der vergangenen Zweitligaspielzeit, um den zweiten Aufstieg in Serie. „Wir haben hart gearbeitet, damit wir dieses Fest erleben können. Die Mannschaft freut sich, die Region freut sich, und ich freue mich natürlich auch“, sagt Hollerbach, der in Würzburg geboren ist und in der Jugend selbst bei den Kickers gespielt hat. Folglich wäre es für Hollerbach - obwohl er 2009 mit dem VfL Wolfsburg deutscher Meister wurde - „etwas ganz Besonderes“, sollte der abermalige Aufstieg mit Würzburg gelingen. Für das Relegationsspiel an diesem Freitag (19.10 Uhr) im 10 000 Zuschauer fassenden, mehr als 50 Jahre alten, nie wirklich renovierten Stadion im Stadtteil Dallenberg, hätten 30000 Karten verkauft werden können. „Die Euphorie in der Stadt ist sehr groß. Um Mitternacht vor dem Verkaufsstart haben die Leute bereits vor unserer Geschäftsstelle campiert“, sagt Pressesprecher Frühwirth.

Hollerbach sieht für sein Team keinen Nachteil darin, dass das Rückspiel bei den Meiderichern stattfindet. Die Kickers beendeten das vergangene Spieljahr immerhin als stärkstes Auswärtsteam der dritten Liga. Gegen Duisburg gelte es, sich auf die eigenen Stärken zu konzentrieren: „Die Mannschaft hat einen großen Willen, einen hervorragenden Teamgeist. Bei uns hat diese Saison jeder funktioniert“, sagt Hollerbach. „Viele unserer Spieler haben bei ihren vorherigen Vereinen den Durchbruch nicht geschafft oder hatten mit Verletzungen zu kämpfen. Bei uns starten sie jetzt durch“, sagt Frühwirth und meint damit wohl unter anderen Schlüsselspieler wie Kapitän Amir Shapourzadeh (33, früher bei Hansa Rostock und FSV Frankfurt), Rico Benatelli (24, Borussia Dortmund und Erzgebirge Aue), Nejmeddin Daghfous (29, Mainz 05, Paderborn und Münster) oder Spielmacher Emanuel Taffertshofer (21, 1860 München), und weitere Profis, die ihr Glück zuvor nicht finden konnten. „Wir werden ein unangenehmer Gegner sein“, sagt Hollerbach. Und das klingt wirklich ein bisschen nach Darmstadt.
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