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Die Überwachungsphantasien der Sibel Schick

Von Oskar Luis Bender | Sibel Schick ist eine linke Journalistin und Autorin. Die geborene Türkin, die 2009 nach Deutschland kam, hat unter anderem Werke wie „Deutschland schaff' ich ab - ein Kartoffelgericht" geschrieben und veröffentlicht. Nun hat Schick eine Petition auf Campact formuliert, die sich großer Beliebtheit erfreut - aber ob den Unterzeichnern klar ist, was sie dort unterstützen?

Anlass ihrer Petition ist ein Doxing-Angriff (persönliche Daten von ihr würden zusammengetragen und öffentlich gemacht), dem sie 2018 ausgesetzt war. Und ja, so eine Doxing-Attacke ist schrecklich, verabscheuenswert und die Täter gehören ermittelt und im Rahmen des rechtlich Möglichen bestraft. Trotzdem sind Schicks Forderungen undemokratisch, autoritär und problematisch.

Verantwortlich macht Schick im Vorwort ihrer Petition, auch wenn sie ihn namentlich nicht nennt, Rainer Meyer alias Don Alphonso, der sich 2018, damals noch in der „FAZ", an ihr abgearbeitet hatte. Harsch, kritisch, aber keinstenfalls beleidigend - auch zu einer Doxing-Attacke oder Hass hat er nicht aufgerufen. Erst vor kurzem zog Schick noch Jutta Ditfurth zur Verantwortung. Die Frage, wer denn nun wirklich schuld ist, kann ich beantworten: weder der Don noch Frau Ditfurth, sondern die Internet-Trolle, die alles Kritische, was gegen Schick geschrieben wird, fälschlicherweise als Aufruf zum Angriff interpretieren.

„Ich fordere: Besseren Schutz der Betroffenen vor Onlinekriminalität und bessere Präventionsmaßnahmen!", diese Kurzfassung ihrer Forderungen klingt nicht nur harmlos, sondern sogar unterstützenswert, was sich dahinter allerdings verbirgt ist ungeheuerlich.

„Verschärfen Sie bundesweit die Strafen für Hassrede, Beleidigung, Rufmord und Verleumdung, die ins Netz gestellt werden, und vereinfachen Sie die Strafverfolgung. Bisher steht das Bayerische Justizministerium mit dieser Forderung alleine da." Nun sollte langsam klar werden, was das Problem ist. Die Forderung nach „härteren Strafen" ist schon wirklich beachtlich, wenn man bedenkt, dass die von ihr erwähnten Straftatbestände, beziehungsweise deren deutsches Pendant, mit teils bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe bestraft werden. Was will Frau Schick? Dass das mögliche Strafmaß noch höher wird? Oder, dass die Gerichte härter entscheiden? Falls es letzteres ist, muss ich sie leider enttäuschen, die Bundesregierung entscheidet nicht darüber, wie die Gerichte zu entscheiden haben und das ist auch gut so. Falls es Ersteres ist, dann wird das auch schwierig, denn wir können niemanden zehn Jahre wegsperren, nur weil er oder sie online jemanden beleidigt hat, das wäre unverhältnismäßig. Und dass das Bayerische Justizministerium momentan alleine mit seinen Forderungen dasteht, ist auch gut so. Eine kurze Recherche (so viel Mühe haben sich wahrscheinlich weder die Unterzeichner, noch Frau Schick gemacht) macht nämlich deutlich: Das Bayerische Justizministerium unter Georg Eisenach macht sich für eine Art Vorratsdatenspeicherung im Netz stark, im Interview mit der „Mainpost" sagte er letztes Jahr folgendes: „Notwendig wäre die Erlaubnis, die Verbindungsdaten für die Strafverfolgung wieder erheben und speichern zu dürfen. Auch für die Onlinedurchsuchung und die Telekommunikationsüberwachung sollte der Anwendungsbereich erweitert werden. Das würde unseren Strafverfolgungsbehörden sehr helfen." Mit der Vorratsdatenspeicherung hatten in der Vergangenheit nicht nur die Liberalen ein Problem, sondern auch das politische Spektrum links der Mitte, zu dem sich Schick und ihre Anhänger ganz klar zuordnen lassen, woher kommt der Sinneswandel unter ihnen, nun plötzlich dafür zu sein?

Genau so schlimm liest sich „und vereinfachen Sie die Strafverfolgung.", das ist nun wirklich die Höhe. Unsere Strafverfolgungsbehörden und auch Opfer von Hasskriminalität haben im Internet schon mehr als genug Befugnisse, durch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz zum Beispiel, können sie munter alles wegblocken, was ihnen nicht passt, auch wenn es vielleicht gar nicht gegen ein Gesetz verstößt, denn die Netzwerke, gerade Twitter, neigen zum sogenannten „Overblocking", aus Angst vor rechtlichen Konsequenzen, wird nach dem Motto „lieber einmal zu viel, als einmal zu wenig" geblockt. Auch ist es so, dass die Behörden und Staatsanwaltschaften zum teil ganz einfach an iP-Adressen oder Nutzerdaten herankommen, ohne richterlichen Beschluss, denn entweder geben die Netzwerke sowas lieber mal raus, gerade, wenn ihnen jemand mit dem Briefkopf der Polizei oder Staatsanwaltschaft schreibt oder die Ermittler machen - auch unrechtmäßig - gebrauch ihrem Recht bestimmte Bestandsdaten ohne richterliche Anordnung zu erfragen. Was wollen sie also? Dass Staatsanwaltschaften und Polizeien in Zukunft einfach so dazu berechtigt sind, sich sensible Nutzerdaten herauszufischen, die gerade von Interesse sind, ohne richterlichen Beschluss, also ohne die Prüfung durch eine zweite Instanz? Wenn so etwas für die Unterzeichner und Frau Schick tatsächlich wünschenswert ist, dann kann ich nur raten in die Türkei oder nach Russalnd auszuwandern, wo solche Praktiken auf der Tagesordnung stehen, spätestens dann würden sie merken, was sie dort eigentlich fordern.

„Finden Sie heraus, welche große Accounts eine Multiplikator*innenrolle bei Online-Angriffen spielen, damit sich diese nicht ihrer Verantwortung entziehen können [...]", was ist denn hiermit, abgesehen von der traurigen Verwendung des Deutschen, gemeint? Dass Accounts, die jemanden kritisieren, aber nicht zu Straftaten aufrufen, künftig bestraft werden sollen, wenn deren Followerschaft sich daneben benimmt? Das wäre nicht nur falsch, sondern würde auch gegen wichtige rechtsstaatliche Prinzipien verstoßen. Wir können schließlich Niemanden bestrafen, der keine Straftat begangen hat.

Abschließend kann man nur sagen, dass die Unterzeichner und Frau Schick selbst nochmals über den Humbug nachdenken sollten, der in dieser Petition verzapft wird und schleunigst zur Vernunft zurückkehren sollten, anstatt die Bundesregierung dazu aufzufordern einen weiteren Schritt zur Beschneidung von Freiheitsrechten im Internet zu gehen. Aber was will man schon erwarten, von einer die versucht sich ihren Lebensstil über Paypal-Spenden ihrer Follower zu finanzieren und hinter jeder kritischen Stimme einen „rechten Hetzer", „Nazi" oder „Ausländerfeind" wittert. Campact oder Frau Schick selbst, sollten diese Petition schleunigst vom Netz nehmen und nicht länger versuchen mit ihren Forderungen den Autoritären und Undemokratischen nachzueifern.

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