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„Das ist eine ganz neue Generation"

Foto: Marks21

Im Januar vergangenen Jahres hat SYRIZA die griechischen Parlamentswahlen gewonnen. Im Juni 2015 hat Boris Kanzleiter eine Artikel-Reihe mit dem Titel „Rote Punkte auf dem Balkan" für das Neue Deutschland verfasst. Darin hat er einen linken Aufschwung in den Balkanländern beschrieben, der motiviert ist von den Ereignissen in Griechenland. Spätestens im Herbst 2015 war die Hoffnung, die in SYRIZA gesetzt wurde, aber längst wieder verflogen. Manche der Balkan-Länder wurden zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt, die Abschiebemaschine aus Deutschland in diese Länder läuft und Geflüchtete, die sich auf dem Weg ins Innere von Europa befanden, sitzen an Grenzen in Lagern fest. Wir haben uns mit dem Leiter des Büros der Rosa-Luxemburg-Stiftung für Südosteuropa in Belgrad getroffen, um mit ihm über das vergangene Jahr dort zu sprechen.

HATE: Boris, was hat die Linke auf dem Balkan mit der Linken in Griechenland gemeinsam?

Boris Kanzleiter: Die politische Stimmung in Griechenland hat generell viel Einfluss auf die Stimmung in den Balkanstaaten und in Osteuropa. Die Länder haben mit ähnlichen Strukturproblemen zu kämpfen, also ist die Identifikation entsprechend groß.


HATE: Welche Strukturprobleme sind das?


Kanzleiter: Die Folgen der Wirtschaftskrise aus dem Jahr 2008/2009 dauern in der gesamten Region an. Kroatien und Griechenland befinden sich seitdem in der Rezession und in den anderen Ländern sieht es ebenfalls nicht viel besser aus. Auch die Reaktionen der Eliten in Griechenland und den Balkanländern waren sehr ähnlich. In all diesen Ländern wurde eine gnadenlose Austeritätspolitik umgesetzt: Staatliche Betriebe wurden privatisiert, Sozialleistungen gestrichen oder gekürzt und neue Arbeitsgesetze durchgesetzt, die Flexibilisierung und Prekarisierung vorantreiben. In Serbien wurden die Löhne im öffentlichen Sektor beispielsweise um 10 bis 15% gekürzt.


HATE: Doch im Gegensatz zu den Balkanländern hat in Griechenland Anfang 2015 eine erst einmal scheinbar linke Kraft die Parlamentswahlen gewonnen. Es gab Hoffnung.

Kanzleiter: Genau. Die Austeritäts-Programme der Regierungen haben natürlich überall ähnliche Effekte, aber in Griechenland war der Widerstand dagegen am stärksten. Dort wurden die Strukturprobleme auch am deutlichsten sichtbar und von SYRIZA sehr genau artikuliert. Linke, politisierte Menschen auf dem Balkan haben sich mit dem linken Widerstand gegen die europäische Austeritätspolitik stark identifiziert und zwar nicht nur mit der inhaltlichen Programmatik, sondern auch mit den „Bewegungen der Plätze". Vor allem der Syntagma-Platz wurde ein symbolischer Bezugspunkt.


HATE: Haben sich die Menschen auf dem Balkan auch auf Plätzen getroffen?


Kanzleiter: Ja, das haben sie. Leider wurde international aber kaum darüber berichtet, genau wie über andere Proteste auch nicht. Es gab nämlich nicht nur in diesem, sondern auch in den vergangenen Jahren immer wieder spannende Sozialproteste.


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