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3D-Metalldruck: Werden Werkzeuge überflüssig?

Im Projekt IDAM gelang der Einstieg in den serienmäßigen 3D-Druck von Stahlbauteilen. Bild: BMW

Langsam baut sich aus dem Nichts im blitzenden Laserlicht ein hochkomplexes Bauteil auf. Wer das erste Mal eine Vorführung eines 3D-Metalldruck-Verfahrens sieht, ist fasziniert. Doch dem Serieneinsatz standen bisher nicht nur das langsame Aufbautempo entgegen, sondern auch fehlende Automatisierungskonzepte, Digitalisierungsstrategien und Metallpulver. „Es ist nicht mit einer Optimierung des Prozesses getan, es bedarf vielmehr einer ganzheitlichen Verbesserung der gesamten Prozesskette inklusive der Standardisierung der Schnittstellen zwischen Hard- und Software", betonte daher noch vor kurzem Prof. Dr. Ingomar Kelbassa, Leiter der Fraunhofer-Einrichtung für Additive Produktionstechnologien IAPT in Hamburg.

50.000 Bauteile pro Jahr: Ist das erst der Anfang?

Die Botschaft des Wissenschaftlers kam 2019 in Berlin an: Gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) entstanden bei GKN Metallurgy in Bonn und am BMW Group Additive Manufacturing Campus in Oberschleißheim im Projekt IDAM (Industrialization and Digitalization of Additive Manufacturing) zwei digital vernetzte, voll automatisierte Fertigungslinien, die mit dem vor 25 Jahren am Aachener Fraunhofer Institut für Lasertechnik ILT erfundenen laserbasierten Pulverbettverfahren (Laser Powder Bed Fusion LPBF) arbeiten. Innerhalb von drei Jahren gelang 12 Projektpartnern, die vom inhabergeführten Kleinunternehmen, bis zum Großkonzern reichten, der Aufbau und die Integration von 3D-Metalldruck-Fertigungslinien in die Serienproduktion. Auf ihnen lassen sich pro Jahr hochproduktiv 50.000 Gleichbauteile und mehr als 10.000 Individual- und Ersatzteile fertigen. Dank des modularen Aufbaus soll sich die jährliche Produktionsrate beliebig skalieren lassen.

Erfolgsfaktor: maßgeschneidertes Metallpulver

Die Projektteilnehmer haben die gesamte Prozesskette von der Entwicklung und Auslegung des 3-D-Bauteils, der Inline-Prozessüberwachung, der KI-Auswertung bis hin zum digitalen Zwilling ganzheitlich verbessert. Doch nicht nur die Prozesse, sondern auch die Metallpulver müssen maßgeschneidert sein, meint IDAM-Projektteilnehmer Dr. Simon Höges von der GKN Additive GmbH aus Bonn. Der Direktor für metallischen 3D-Druck stellte auf dem AKL'22 International Laser Technology Congress in Aachen das für den LPBF-Prozess maßgeschneiderte Metallpulver DPLA vor, das auf Basis des in der Automobilindustrie weitverbreiteten niedrig legierten Dualphasenstahls DP600 entstand. Für die Neuentwicklung spricht laut GKN nicht nur, dass es vergleichbare mechanische Eigenschaften wie DP600 besitzt, sondern laut Höges auch „anwendungsorientierte Wärmehandlung " erlaube: Anwender können durch gezielte Wärmebehandlungsprozesse wichtige Eigenschaften wie Festigkeit variieren.

Mit der Pulverauswahl und der Steifigkeit des Werkstoffes steht und fällt die Qualität des gedruckten Bauteils, stellte auch Raphael Koch von der Ford-Werke GmbH auf dem AKL'22 fest. Erste Erfahrungen machte der Additive Manufacturing Research Engineer beim Entwickeln von funktionellen LPBF-Prototypen für den Fahrwerksbereich. Es handelte sich um Hilfsrahmen und Querlenker, die konventionell aus warmgewalztem Mehrphasen-Stahl entstehen.

3D-Metalldruck: Für Großserie nicht geeignet

Seine Erfahrungen sind erstaunlich: Er sprach sich nicht für maßgeschneidertes Rohmaterial aus, sondern für 3D-Druck-Metallpulver vom Markt, weil es den Aufwand an Entwicklungszeit und Kosten senkt. Die damit gedruckten Bauteile sollten dann allerdings ähnliche Eigenschaften aufweisen wie herkömmliche Bleche für Fahrgestelle. Die Streckgrenze sollte 700 bis 800 MPa betragen, die Dehnung mehr als 10 Prozent und die Dichte 7,85 g/cm³. Aufgrund der ersten guten Erfahrungen mit 3D-Metalldruck im Fahrwerksbereich ist es nun für Koch denkbar, „konventionelle Prototypen durch metallische 3D-Druck-Bauteile zu ersetzen". Generell eigne sich der 3D-Metalldruck auch für kleine und mittlere Komponenten oder Hybridversionen, für die Großserie sei er dagegen nicht zu empfehlen.

„Weiterentwicklungen in der additiven Fertigung sind nur im Zusammenspiel aus Anlage, Pulver und Prozess möglich," sagt Severin Luzius, Leiter Applikation, Materialien und Beratung für die additive Fertigung bei der Trumpf SE + Co. KG, Ditzingen. Als Beispiel nennt er den Einsatz der Additive-Manufacturing-Anlage TruPrint 5000 mit integrierter Wärmebehandlung, die dank 500 Grad Celsius Vorheizung den 3D-Druck von Werkzeugstählen mit hohem Kohlenstoffanteil erlaubt. „Mit steigendem Kohlenstoffgehalt lässt sich Stahl besser härten und er verschleißt weniger", erklärt Luzius. „So könnten Anwender auch Umformwerkzeuge für den in der Automobilindustrie weitverbreiteten Usiborstahl drucken und durch konturnahe Kühlung den Verschleiß am Werkzeug reduzieren."

Metallische Gläser: Hochfest, hart und elastisch

Spannende Neuanwendungen ergeben sich manchmal erst in der Zusammenarbeit mit anderen Firmen: In einem Projekt ging es um den 3D-Druck von amorphen Metalle. Diese auch metallischen Gläser genannten Werkstoffe sind sehr hart, fest und zugleich elastisch. Sie besitzen also Eigenschaften, die sich eigentlich widersprechen. Wegen ihrer hohen Festigkeit können Entwickler Bauteile aus amorphen Metallen dünner, materialsparender und somit leichter konstruieren. Bewährt haben sie sich in Automobilindustrie bereits bei verschleißfesten Antriebskomponenten und Zahnrädern, stabilen Federungen und Membranen für Einspritzdüsen. „Um amorphe Metalle zu drucken, haben Trumpf und Heraeus Amloy gemeinsam ein Verfahren entwickelt, das mit sehr feinem Fokus und extrem kleinem Schmelzvolumen funktioniert", erläutert Trumpf-Materialexperte Jan-Christian Schauer. „Die Wärme wird schnell abgeführt. So wird die kritische Abkühlrate erzielt, die das Material amorph erstarren lässt."

Doch noch mehr Möglichkeiten bietet die Kombination von konventionellen Verfahren mit dem metallischen 3D-Druck. Industrieunternehmen entwickelten unter der Koordination des Fraunhofer ILT im Forschungsprojekt MultiPROmobil multifunktionale Laserwerkzeuge zum Schneiden, Schweißen und Auftragschweißen mit Draht (w-LMD). Zum Einsatz kommen sie in einer Zelle für multifunktionale Laserroboter-Technologie, die im Zusammenspiel mit digitalem Zwilling für die flexible und wirtschaftliche Fertigung von Blechbaugruppen für Elektrofahrzeuge ausgelegt ist.

Weiterentwickelter Kombikopf passt sich an

Im Mittelpunkt steht ein Kombikopf, der sich bereits bei der Testproduktion bei einem semi-bionischen Leichtbauteil bewährt hat: Der Kopf schneidet, schweißt und verstärkt mit additiven Strukturen den konstruktiv optimierten Dreieckslenker eines Elektrofahrzeugs. Das alles geschieht sehr schnell ohne Werkzeugwechsel dank des luftgekühlten Kombikopfes, der sich dank autonomer Düse und einer adaptiven Strahlformungsoptik an die drei unterschiedlichen Bearbeitungsvorgänge schnell anpasst.

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