Die Wärmefolie auf dem Kopf des Jungen knistert im Wind. Der goldene Stoff reflektiert die Sonne in alle Richtungen. Ein Rettungsschwimmer kniet im steinigen Sand neben ihm, reibt seinen Rücken. Der Junge zittert. Seine Augen fixieren nichts, nicht die Helferin, die vor ihm steht, nicht seine Mutter, die neben ihm auf einer grauen Wolldecke sitzt. Das schwarze Schlauchboot, auf dem er kam und in dem das Wasser 30 Zentimeter hoch stand, treibt im Meer hinter ihm. Der Junge und seine Mutter haben es vorläufig geschafft.
Jeden Morgen landen die Boote an Lesbos' Stränden, wenn sie nicht vorher kentern; manchmal sind mehr als 80 Menschen in einem Boot. Insgesamt kamen im Januar und Februar etwa 73.000 Migranten von der nahen Türkei aus auf diese Weise auf die Insel. So viel wie in den ersten sieben Monaten des vergangenen Jahres. "Wir haben gedacht, dass die Zahl der Flüchtlinge in den Wintermonaten deutlich zurückgeht. Doch wir haben uns getäuscht", sagt Boris Cheshirkov, der für den UNHCR seit November auf Lesbos arbeitet.
Am Strand eilen die Helfer zu den Menschen, die im Sand sitzen. Baskische Schwimmer in roten Neoprenanzügen verteilen Socken und Kleider. "Frauenhosen, wir brauchen Frauenhosen", ruft jemand. Holländische Helferinnen in weißen Westen halten Decken hoch, unter deren Schutz sich die Frauen umziehen können. Andere wechseln ihre Kleider in einer Umkleidekabine, in der früher Badegäste ihre Schwimmanzüge ablegten und deren Farbe nun abblättert.
Dann wird es laut, ein Reisebus der UNHCR hält auf der schmalen Straße, welche die Berge vom Meer trennt. Hastig greifen die Menschen das Wenige, das sie mitgebracht haben, kleine Taschen, und steigen ein. Zurück bleiben die Rettungswesten - ein oranger Hügel am Straßenrand.
Unter den Menschen, die Lesbos erreichen, sind mehr und mehr Frauen und Kinder. Im November waren 55 Prozent der Menschen, die auf der Insel landeten, Männer. Im Dezember waren schon mehr als die Hälfte der Flüchtlinge Frauen und Kinder. Im Februar das Verhältnis zwei zu eins.