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Happily ever after?

Es ist ein heißer Sommertag, ich sonne mich auf einem weißen Sandstrand und da kommt er plötzlich auf einem weißen Ross herbeigeritten. Er steigt vom Pferd, kniet nieder, zückt einen zwanzigkarätigen Diamantring und… Wie fast jedes Mädchen habe auch ich mir schon des Öfteren meine Traumhochzeit, meinen Traumprinzen und unsere Traumverlobung ausgemalt. Doch nicht alle haben das Privileg aus Liebe zu heiraten oder sich seine*n Ehepartner gar selbst auszusuchen...

Manchmal sind Hochzeiten schlichtweg eine wirtschaftliche Transaktion - zum Beispiel im Fall von Heiratsmärkten. Eine*n Käufer*in gibt es nicht, beide Eheparnter*innen erwerben sich gegenseitig, indem sie miteinander eine Bindung eingehen, die Ehe. Fair geht es dabei jedenfalls nicht zu…


Andere Länder, andere Sitten

So bizarr, unrealistisch und vor allem altmodisch ein Hochzeitsmarkt nun klingen mag, er ist in vielen Teilen der Welt noch Realität. Als gutes Beispiel dient Indien, das Land mit einem der niedrigsten weltweiten Heiratsalter bei Frauen. 1901 war das Durchschnittsalter einer indischen Braut dreizehn, hundert Jahre später ist es auf zwanzig Jahre gestiegen. Im europäischen Westen liegt es bei dreißig Jahren. Was sind mögliche Folgen einer sehr jungen Heirat? Jung verheiratete Frauen haben in Indien statistisch gesehen nicht dieselben Ausbildungsmöglichkeiten, bekommen deshalb bald viele Kinder und sterben auch früher. Eine Ehe in Indien einzugehen ist vor allem am Land mehr eine Vereinbarung der Familien, als ein Versprechen um eine gemeinsame Zukunft zwischen zwei Liebenden. Inderinnen verlassen ihre Familien und Dörfer und ziehen zu ihren neuen Ehemännern, die oft bis zu 100 Kilometer entfernt wohnen. Die Familien der Bräute verheiraten ihre Töchter absichtlich mit Männern anderer Sozialklassen, auch als finanzielle Absicherung für sich selbst. Dafür gibt es auch die Sitte einer Mitgift, bei der die Familie der Braut der Familie des Bräutigams einen Teil ihres Vermögens schenkt, damit eine Heirat zustandekommt. Der Wert dieser Mitgift ist von vielerlei Faktoren abhängig: Ist die Braut beispielsweise “älter”, so steigt auch die Mitgift, hat die potentielle Vermählte eine gute Ausbildung, wird die Mitgift kleiner. Theoretisch ist die Sitte der Mitgift schon seit den Sechzigern illegal, eingehalten wird das Gesetz aber nicht wirklich.


Auch in Teilen Europas sind Hochzeitsmärkte und arrangierte Ehe nach wie vor verbreitet. Zum Beispiel die Heiratsmärkte der Kalaidzhis, einer Untergruppe der Roma, die aus zirka 18.000 Mitgliedern besteht und weit über Osteuropa verteilt ist. Viermal im Jahr dürfen sich junge Kalaidzhi-Mädchen so schick anziehen und schön schminken wie möglich, damit anschließend einer der anwesenden Männer um ihre Hand werben kann. Bietet der zukünftige Bräutigam der Familie genügend Geld und gefällt er der zukünftigen Braut, kommt es zum Geschäft. Umgerechnet zwischen 250 und 300 Euro erhält die Familie vom Bräutigam, er im Gegenzug dazu die Tochter.


Heiratsmärkte wie bei den Kalaidzhis sind zwar eine Seltenheit, arrangierte Ehen wie in Indien jedoch nicht. Sogar in Österreich sind arrangierte Ehen und Zwangsheirat präsent. Der Verein “Orient Express”, eine Frauenberatungsstelle und ein Krisenzentrum für Betroffene bei Zwangsverheiratung, zeichnete 2011 54 bedrohte und 29 betroffene Fälle einer Zwangsehe auf. Der Großteil der Bedrohten ist zwischen 15 und 19 Jahre alt, neun der Betroffenen sind minderjährig. Bereits ein Jahr später ist die Zahl der bedrohten Frauen auf 58 gestiegen, laut “Orient Express” nehmen die Fälle jährlich zu. Ob das daran liegt, dass sich mehr Frauen und Mädchen trauen, sich Hilfe zu suchen, oder, dass es tatsächlich mehr Zwangsverheiratungen gibt, weiß man nicht.

Du bist von einer eventuellen Zwangsverheiratung bedroht oder kennst du jemanden, der betroffen sein könnte? Hol dir jetzt Hilfe.

Orient Express

Frauen beraten Frauen

Frauenhäuser Wien

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