BRADENTON. Im Interview am Rande des
Eintracht-Trainingslagers in Florida erzählt der 47-Jährige, wie er sich
Franck Ribéry nach dessen Fehlverhalten in den sozialen Medien
vorgeknöpft hätte, ob er bei der Eintracht in naher Zukunft mit einem
100 Millionen Transfer rechnet und wie er sich in der Zeit in Frankfurt
persönlich weiterentwickelt hat.
Herr Bobic, lassen Sie uns zu Beginn einen
Blick über den Tellerrand werfen: In den letzten Tagen wurde viel über
das Verhalten von Franck Ribéry diskutiert. Wie wären Sie mit dem
Spieler umgegangen?
Das ist gar nicht so einfach. Das Negative an den sozialen Medien ist, dass Meinungen dort oft unreflektiert sind. Ich verstehe die Jungs aber manchmal auch nicht. Ich versuche ihnen immer wieder zu sagen, dass sie nicht jeden Mist posten sollen. Und wie ich reagiert hätte, wenn Ribéry mein Spieler wäre: Ich hätte wahrscheinlich gesagt: ‚Was bist du denn für ein Vollidiot?‘ Ich gehe davon aus, dass die Bayern auch so in etwa mit ihm gesprochen haben.
Vor Weihnachten haben Sie die Verträge einiger Spieler verlängert. Viele warten darüberhinaus auf eine Vollzugsmeldung bei Luka Jovic. Wann werden Sie die Kaufoption bei ihm ziehen?
Viele verstehen nicht, dass man Geld bezahlen muss, wenn man eine
Option zieht. Die Frage ist, ob man das Geld zu dem Zeitpunkt dann auch
hat. Das ist eine bilanzielle Geschichte. Wir haben bei Jovic überhaupt
keinen Druck. Es ist egal, ob wir die Option einen Tag vor Optionsende
ziehen oder in einer Woche. Dass wir sie ziehen werden, ist doch klar.
Zwischenzeitlich haben wir seinen Vertrag aktualisiert, er hat einen
Anschlussvertrag. Er weiß, dass er nicht zu Lissabon zurückgehen wird,
sondern bei der Eintracht bleibt.
Durch die starken Leistungen Ihrer
Offensivabteilung werden Begehrlichkeiten bei anderen Topteams geweckt.
Welche Ablösesumme müsste ein Verein zahlen, damit Sie schwach werden?
Es gibt keine typischen Schmerzgrenzen. Denn
man weiß ja nie, was der Markt bringt und was ein Spieler dann
tatsächlich wert ist: 50 Millionen? 70 Millionen? 100 Millionen? Wenn
wir uns bei Eintracht Frankfurt mal mit diesen Summen beschäftigen
dürfen, das wird dann eine ganz interessante Geschichte. Denn bisher war
Kevin Trapp, der im Sommer 2015 für knapp 10 Millionen verkauft wurde,
der teuerste Transfer.
Aktuell kann die Eintracht mit den großen
Fischen aber noch nicht mithalten. Mit welchen anderen Skills können Sie
Spieler von der SGE überzeugen?
Aktuell müssen wir die Spieler gar nicht mehr
so sehr überzeugen, weil wir eine Geschichte haben. Eine kurze, aber
sehr intensive Geschichte. Uns rufen inzwischen Berater an, die vorher
nicht ansatzweise an Frankfurt gedacht haben. Die haben gedacht, dass
ist nur ein Flughafen (lacht). Wir haben Argumente, den Weg erst einmal
über Eintracht zu gehen, um dann als fertiger Spieler den Sprung zu
einem ganz Großen zu schaffen.
Ein kurzer Rückblick auf Ihre Anfänge hier
in Frankfurt: Da hat Ihnen erst einmal ein rauer Wind ins Gesicht
geweht. Hat Sie das eher beflügelt oder war das zu Beginn doch nicht so
einfach für Sie?
Ich bin sehr uneitel. Aber es hat mich schon
gewundert, was teilweise für Legenden durch den Frankfurter Raum
gegeistert sind. Für mich war Aufsichtsratchef Wolfgang Steubing
entscheidend. Ohne ihn hätte ich das hier sowieso nicht gemacht. Ihm
habe ich absolut vertraut. Dass ich natürlich von allen und jedem auf
den Prüfstand gestellt wurde, gehört dazu. Ich hatte mir vorgenommen,
keine Kompromisse mehr zu machen. Die musste ich in Stuttgart oft genug
machen. Kleinere Kompromisse kann man ab und an machen. Aber nicht bei
den ganz großen Dingen.
Wie haben Sie sich persönlich in der Zeit bei der Eintracht weiterentwickelt? Sind Sie gelassener geworden?
Gelassenheit muss man mit der Zeit lernen. Man
muss Dinge von sich fernhalten. Ich versuche, meinen Job so gut wie
möglich zu machen. Ich will nicht ständig in den Medien stehen und mich
selbst zu wichtig nehmen. Es war in den letzten zweieinhalb Jahren für
mich wichtig, eine gewisse Ruhe zu finden und alles zu reflektieren. Ich
versuche, Druck gar nicht erst an mich heranzulassen. Warum soll ich
mich unter Druck setzen? Ich muss für meinen Job im Kopf klar sein. Ich
habe gelernt, Dinge nicht zu emotional zu betrachten. Denn wenn man
emotional ist, macht man Fehler. Ich mache den Job hier aus Überzeugung.
Wenn ich diese Überzeugung nicht mehr habe, muss man überlegen wie es
weiter geht.
Gab es etwas, dass Sie speziell für den Job in Frankfurt lernen mussten?
Ja, dass es hier oft nur zwei Extreme gibt.
Als mit Adi Hütter beispielsweise der neue Trainer kam, waren wir bei
einigen schon vor der Saison abgestiegen, weil zuvor mit dem
DFB-Pokalsieg alles viel zu schön war. Hier gibt es oft ein
Schwarz-Weiß-Denken. Das passt ja auch zu unseren Farben (lacht). Ich
musste lernen, die negativen Köpfe fernzuhalten und mit denen gar nicht
zu reden. Denn ich rede nicht gern mit negativ denkenden Menschen. Ich
ziehe mich auch deswegen immer mal aus der Öffentlichkeit raus.
Das Highlight während Ihrer Zeit bei der Eintracht war der Gewinn des DFB-Pokals im Mai 2018. Was bedeutet dieser Titel für Sie?
Ich hatte an dem Tag ein richtig gutes Gefühl.
Als es dann geschehen war, spürte ich einfach nur eine tiefe innere
Zufriedenheit und Freude. Ich habe unten am Platz gestanden und habe mir
den Jubel einfach nur angeschaut. Das ist die Magie des Fußballs, diese
Emotionen zu sehen. Ich habe das nur genossen. Das war ein
wunderschöner Abend. Wir werden immer wissen, was wir am 19. Mai 2018
gemacht haben.
Bereits vor dem Finale in Berlin haben Sie
Adi Hütter als neuen Trainer präsentiert. Seit wann und warum hatten Sie
ihn als Nachfolger von Niko Kovac im Auge?
Es gibt ein permanentes Trainer-Scouting. Dass
Niko Kovac irgendwann gehen könnte, war uns bewusst. Wie es dann
passiert ist, war natürlich nicht die Art und Weise, wie wir es uns
vorgestellt haben. Ich konnte dann aber in Ruhe mit Hütter die Gespräche
führen. Dabei findet man raus, ob er zum Verein passt oder nicht. Man
muss miteinander reden, gewisse Empathien entwickeln und gleiche
Vorstellungen haben, wie Fußball aussehen soll. Und bei Hütter hat all
das gepasst. Darüber war nur eine ganz kleine Gruppe eingeweiht. Als ich
meinen Vorstandskollegen und Wolfgang Steubing dann gesagt habe, dass
er es werden soll, haben mich einige erstmal gefragt, wer das denn ist.
Für solche Prozesse braucht man eine absolute Loyalität.
Als Sportvorstand eines großen deutschen
Bundesligisten – mit vielen Sorgenfalten beobachten Sie die Entwicklung
im deutschen Fußball mit der Nationalmannschaft an der Spitze?
Auch bei diesem Thema bin ich gelassen. Es war
wichtig, dass wir mal wieder in ein Tief gekommen sind. Wir waren über
Jahre auf einem Hoch. Jede Nation hatte schon ihren Tiefpunkt. Warum
sollte es Deutschland nicht mal wieder treffen? Wir haben es lange
geschafft, uns oben zu halten. Aber es war gut, dass es jetzt passiert
ist, um Dinge aufzufrischen und upzudaten. Man muss sich immer
weiterentwickeln und Dinge, die nicht mehr zeitgemäß sind, hinterfragen.
Jetzt ist der Dialog beim DFB wieder gut. Aber die letzten vier Jahre
nach dem WM-Titel fand er nicht statt. Da hat man sich auf dem Erfolg
ausgeruht und war nicht nahbar genug. Ich glaube aber nicht, dass man um
den deutschen Fußball Angst haben muss.
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