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Auch nach dem Wahlkampf: Landespflegegeld macht weiter Ärger

Nur noch bis zum 31. Dezember können Pflegebedürftige das in Bayern neu eingeführte Landespflegegeld beantragen.

Bis 31. Dezember muss das neue Landespflegegeld beantragt werden. Doch der Streit zwischen dem Bundesarbeitsministerium und der bayerischen Staatsregierung gärt weiter.

 

Seit Anfang Juli kann in Bayern das Landespflegegeld beantragt werden. Kritiker werfen der CSU vor, die Maßnahme sei ein Geschenk an die Wähler gewesen. Pflegebedürftige aber profitieren von dem Zuschuss. Der Freistaat zahlt Betroffenen - unabhängig vom Einkommen - jährlich bis zu 1000 Euro. Doch wer die Leistung noch in diesem Jahr in Anspruch nehmen möchte, sollte sich beeilen: Die Antragsfrist für das aktuelle Pflegegeldjahr endet am 31. Dezember.

Derweil geht der Streit um das Landespflegegeld in eine neue Runde. Der öffentlich ausgetragene Streit zwischen der bayerischen Staatsregierung und dem SPD-geführten Bundesarbeitsministerium (BMAS) in Berlin ist weiterhin ungelöst. Das BMAS prüft nun ein Rechtsaufsichtsverfahren in Bayern - eine Maßnahme, die in der Geschichte der Bundesrepublik bisher noch nie zur Anwendung kam.

Grundsätzlich soll das Landespflegegeld - das unabhängig von Leistungen der Pflegeversicherung ausgezahlt wird - Betroffenen helfen sich weitere Unterstützung zu organisieren. Dabei können die 1000 Euro in die Betreuung durch professionelle Pflegekräfte fließen oder als Unterstützung für pflegende Angehörige verwendet werden. Kontrolliert wird die Verwendung nicht.

Unnötiges Störfeuer aus Berlin?

Im September erklärte SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil, dass das Landespflegegeld auf andere Sozialleistungen angerechnet werden müsse. Die bayerische Sozialministerin Kerstin Schreyer sprach damals von einem unnötigen “Störfeuer aus Berlin”. Der Streit war programmiert.

Das BMAS hat zwischenzeitlich zwar eingeräumt, dass der Zuschuss grundsätzlich nicht auf Grundsicherung und Sozialhilfe angerechnet werden müsse, bei der sogenannten Hilfe zur Pflege bleibt das Bundesministerium aber unnachgiebig. Dabei handelt es sich um eine Sozialleistung für alle, die den Pflegaufwand selbst nicht stemmen können.

Das BMAS argumentiert, die Hilfe zur Pflege hätte den gleichen Zweck wie das Bayerische Landespflegegeld und müssten demnach verrechnet werden. Das bayerische Gesundheitsministerium widerspricht in aller Deutlichkeit und empfiehlt den Bezirken - als zuständige Sozialträger - das Landespflegegeld nicht anzurechnen.

Bundesregierung prüft Rechtsaufsicht in Bayern

Auf Anfrage dieser Redaktion bestätigt das BMAS, dass es aufgrund des Streits mit der bayerischen Staatsregierung den Mechanismus der sogenannten "Rechtsaufsicht durch die Bundesregierung" prüfe. Mit diesem grundgesetzlich zugesicherten Recht kann die Bundesregierung die Ausführung von Bundesgesetzen in den Ländern kontrollieren.

Zwar ist die Bundesregierung im Fall des Pflegegeldes nicht berechtigt, direkte Weisungen zu erteilen, kann aber Beauftragte in Landesbehörden entsenden und einen Antrag im Bundesrat stellen, dass dieser eine Rechtsverletzung per Beschluss feststellt. Das allerdings wäre ein bisher einmaliger Schritt und würde den Konflikt weiter befeuern.

Schon im September hat Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) mitgeteilt, dass das neue bayerische Landespflegegeld auf die staatliche Hilfe zur Pflege angerechnet werden müsse.

Christina Jäger, Sprecherin im BMAS, erklärt, dass es für ein solches Verfahren die Zustimmung der ganzen Bundesregierung bräuchte und betont, dass das BMAS bezüglich des Landespflegegeldes bei seiner rechtlichen Auffassung bleibe und das auch zur Sprache bringe. "Was ein mögliches Rechtsaufsichtsverfahren im Freistaat Bayern betrifft, laufen derzeit Gespräch innerhalb der Bundesregierung.", so Jäger. Dass sich allerdings die CSU-Bundesminister gegen ihre eigene Landesregierung in Bayern stellen, ist unwahrscheinlich. Doch beendet ist die Debatte damit noch nicht.

Die Rechtslage bleibt weiterhin unklar, trotzdem müssen Pflegebedürftige bis Ende Dezember den Antrag gestellt haben - eine denkbar ungünstige Situation. Sollte der Streit weiter eskalieren, könnte als letzte Instanz sogar das Bundesverfassungsgericht angerufen werden.

Doch selbst wenn mit dem Landespflegefeld und der Hilfe zur Pflege Sozialleistungen doppelt bezogen wurden, müssen Betroffene - unabhängig vom Ausgang der Streitigkeiten - nichts zurückzahlen. Lediglich die "handelnden Kommunen und Länder könnten zur Verantwortung gezogen werden", erklärt BMAS-Sprecherin Christina Jäger und verspricht: "Wir gehen nicht an die Einzelnen ran."

Landespflegegeld löst Antragsflut aus

Schon Mitte Oktober teilte der Medizinische Dienst der Krankenversicherung mit, dass das Landespflegegeld (MDK) eine regelrechte Antragsflut für Begutachtungen zur Pflegegradeinstufung ausgelöst habe. Laut MDK seien 2018 schon rund 320000 Anträge bearbeitet worden. Für Betroffene ist es wichtig, eine Pflegegrad-Begutachtung rechtzeitig zu beantragen. Ein Begutachtungsantrag sollte möglichst noch im November beim MDK gestellt werden.

Einen Anspruch auf Landespflegegeld haben alle Pflegebedürftigen ab Pflegegrad 2, die ihren Hauptwohnsitz in Bayern haben. Im Haushalt sind rund 400 Millionen Euro veranschlagt - eine realistische Einschätzung. Nach Angaben des bayerischen Gesundheitsministeriums haben schon jetzt rund 315000 Betroffene einen Antrag gestellt. Insgesamt rechnet das Ministerium mit 360000 Anspruchsberechtigten. Seit dem 5. September wurde der Zuschuss schon ganze 220000 Mal ausgezahlt. Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer des Antrags liegt derzeit bei circa vier bis sechs Wochen. Schon fünf Tage später soll das Geld auf dem eigenen Konto sein.

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