Nun soll er also kommen, der seit Jahren geforderte Videobeweis im Profifußball. So beschloss es am Samstag das International Football Association Board (IFAB), das oberste internationale Gremium für Fußballregeln. In vier Fällen soll das technische Hilfsmittel genutzt werden können: Bei Toren, bei der Entscheidung von Strafstößen, bei direkten Roten Karten und in dem Fall, dass Spieler bei einer Bestrafung verwechselt worden sind. Wichtige Einschränkung, den Einsatz des Videobeweises soll der Assistent an der Linie überwachen, der entweder bei schwierigen Entscheidungen vom Schiedsrichter selbst darum gebeten wird oder seinen Chef auf etwaige Fehlentscheidungen hinweist. Ganz wichtig: Eine Einforderung des Videobeweises von Seiten der Trainer, wie sie zum Beispiel Bayern-Chef Rummenigge gefordert hat, soll es nicht geben.
In einer zweijährigen Testphase soll nun aufgrund der Untersuchungen in fünf Ligen der Videobeweis ausprobiert werden. Zwölf nationale Fußballligen sowie eine Konföderation haben sich darum beworben, an diesem Test teilzunehmen, auch die DFL will dabei sein. Gut möglich also, dass den deutschen Schiris in der Bundesligasaison 2018/19 bereits die Auswertungen der Kameraaufzeichnungen Verfügung stehen. Auch der frisch gewählte Fifa-Präsident Giovanni Infantino war bei der Verkündung der Entscheidung anwesend, er sprach von einer „historischen Entscheidung für den Fußball“. Es stimmt. Die Videoauswertung wird den Sport nachhaltig verändern.
Bedeutet diese Entscheidung aus Sicht der Fans nun etwas Gutes? Ja, sagen die einen. Endlich wird das Genöle um strittige Schiedsrichterentscheidungen aufhören und auch im Fußball wird so mehr Gerechtigkeit einziehen. Schließlich funktioniert der Videobeweis auch in Sportarten wie Basketball, American Football oder Eishockey. Nein, sagen die anderen. Denn Fußball war schon immer gerecht, denn mal fallen seltsame Schiedsrichterentscheidungen gegen, mal fallen sie für deine Mannschaft. Dazu käme, sagen die Gegner, dass durch das Nachkarten am Spielfeldrand der Spielfluss unterbrochen wird, der nun mal im Fußball so typisch ist. Fakt ist, beide Seiten haben Recht. Irgendwie.
Aus Sicht der Fußballverbände verspricht die Einführung des Videobeweises auf jeden Fall eine Befriedung bei der Diskussion um umstrittene Schiedsrichterberufungen aus vor allem kleinen Verbänden. Denn nicht alle Referees, die während der großen Turniere pfeifen, haben die gleiche internationale Erfahrung. Zudem ist der Druck auf die Schiedsrichter in den vergangenen Jahrzehnten erheblich gestiegen. Nicht nur, weil das Spiel schneller geworden ist, sondern vor allem auch wegen der wirtschaftlichen Auswirkungen, die zum Beispiel eine Fehlentscheidung in der hochdotierten Championsleague haben kann. Ein ungerechtfertigtes frühes Ausscheiden bedeutet für ein Wirtschaftsunternehmen wie Juventus Turin, Manchester United oder Bayern München Millionenverluste. Es geht also auch, wie so oft im Fußball, um das liebe Geld.
Doch andererseits nimmt der Videobeweis, ebenso wie eventuell daraus folgende Veränderungen im Regelwerk, dem Fußball eben auch einen Teil jener Unberechenbarkeit, für die wir dieses Spiel so sehr lieben. Keine guten Zeiten also für uns Romantiker, die wir lieber auf die ausgleichende Ungerechtigkeit des Fußballgotts vertrauen, als auf irgendwelche unliebsamen Fifa-Regeln. Und worüber, frage ich mich, sollen wir uns denn noch am Montagmorgen im Büro streiten, wenn schon sämtliche Unklarheiten im Vorfeld beseitigt wurden? (mpö)
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