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Welchen Stellenwert haben regionale Produkte heute?
Man kann das am Beispiel des Honigs deutlich machen. Jeder mag Honig und weiß ihn nicht nur aufgrund seiner gesunden Eigenschaften wertzuschätzen – und das erst recht, wenn er weiß, wo er herkommt. Dann ist es plötzlich etwas Ehrliches, der Bezug zur Ware ist hergestellt. Man sieht in der Warengruppe sehr deutlich, dass regionale Produkte einen besonderen Stellenwert einnehmen. Nahezu an jedem Standort führen wir die Produkte eines regionalen Imkers, teilweise sogar mehrere. Unsere Erfahrung ist hier: Die Kunden schätzen regionale Produkte sehr, auch wenn diese durch die handwerkliche Herstellung manchmal etwas teurer sind. Aber die Qualität und die kurzen Wege sind ausschlaggebend.
Dementsprechend ist die Bedeutung regionaler Produkte immens für uns. Ein regionaler Lieferant ist nicht nur eine Differenzierung, sondern auch ein Stück Ehrlichkeit und Vertrauen für die Region. Die Industrielieferanten bekommen sie überall. Wir sind hier verwurzelt, kommen aus Kiel, da gehört es natürlich auch zu unserer Philosophie, regionale Lieferanten zu forcieren. Der Anteil regionaler Produkte ist im Sortiment immens gestiegen in den letzten Jahren.
Wie kommen Sie an regionale Lieferanten heran? Die nehmen ja in der Regel nicht an Messen teil.
Schwierig. Der erste Reflex, wenn wir anrufen, ist meist: „Eine große Kette mit mehr als 80 Standorten beliefern? Das können wir nicht!“ Deswegen versuche ich das immer ganz behutsam anzugehen, mit einem Besuch vor Ort. In einem persönlichen Gespräch wird dann verdeutlicht, dass es nicht um eine Belieferung aller Standorte, sondern um die Belieferung einzelner, ausgewählter Läden im regionalen Umfeld geht. Dabei ist mir wichtig, dass das Tempo immer vom Lieferanten vorgegeben wird.
Die Impulse für neue Produkte kommen zum Teil von mir – das ist wie ein kleines Hobby, in dem Bereich auch in der Freizeit immer die Augen aufzuhalten. Zum Beispiel war ich am Wochenende mit meinem Bulli unterwegs und habe eine Landschlachterei entdeckt. Da habe ich direkt auf der Homepage geguckt und gesehen, dass sie auch Weckgläser mit Fertiggerichten anbieten – da fasse ich dann mal nach. Ansonsten sind tatsächlich Messen wie die Eat&Style in Hamburg mit vielen kleinen Anbietern wichtig, aber auch Kulinarik-Zeitschriften, die ich immer aufmerksam lese.
Mengenmäßig ist ein Verkauf über einen großen Supermarkt eine ganz andere Nummer als ein kleiner Hofladen. Wie lösen Sie das Problem?
Manchmal ist das Interesse bei den Produzenten gar nicht da, das Ganze in größerem Rahmen zu machen. Bei mir gilt die Prämisse: Der Lieferant gibt das Tempo vor. Was für ihn passt, das machen wir.
Bei welchen Produkten funktioniert das Regionale besonders gut, wo hat es sich als schwierig erwiesen?
Das hängt immer davon ab, wie das Produkt aufgezogen ist. Es muss ehrlich sein und der Kunde muss es verstehen. Das sind die Garanten für Erfolg. Aber das ist im Vorfeld nicht immer abzusehen. Da gibt es Waren, bei denen ich anfänglich gedacht habe, dass sie viel zu teuer sind, war damit aber auf dem Holzweg. Ein Beispiel dafür sind Fertiggerichte im Weckglas aus einer Holsteiner Manufaktur. Mit denen arbeiten wir seit 2012 zusammen, weil die Produkte einfach ansprechend sind und die Thematik Landlust, „zurück zur guten alten Zeit“ abbilden. Die Gläser kosten bis zu 9,99 Euro, aber ich habe gesagt: Wir versuchen’s einfach mal an zwei, drei Standorten im Dunstkreis von Scharbeutz, wo der Produzent herkommt. Mittlerweile haben wir die Gläser fast flächendeckend im Sortiment.
Können Sie überhaupt normal durch einen Supermarkt gehen?
Kaum. Ich würde diese „Brille“ gern mal wieder ablegen, mal durch einen Supermarkt gehen und gar nicht gefangen sein und ständig diesen Reflex haben, Produkte im Regal gerade zu drehen. Sowas ist natürlich eine Berufskrankheit. Ich bin immer auf der Suche nach dem Besonderen. Die großen Namen wie Barilla oder Milka kennt jeder, für uns ist es wichtig, im neuen Bereich zu fischen. Das sind in diesem Jahr zum Beispiel Mehlwürmer oder Heuschrecken.
Haben Sie die im Sortiment?
Wir hatten gerade eine Aktion mit einem Insekten-Müsliriegel, der Büffelwürmer (ähnlich Mehlwürmern, Anm. d. Red.) enthält. Kalorisch gesehen können Sie auch eine Pizza essen, so energiehaltig ist dieser Riegel. Und er polarisiert. Der erste Reflex ist Ekel, wenn man sich aber mal die CO2-Bilanz anschaut oder vergleicht, wie wenig Platz Würmer in der Produktion im Vergleich zu anderen Tieren benötigen, dann fallen da schnell die Vorteile ins Auge. Aber es ist was Neues und braucht seine Zeit.
Ulf Hennings präsentiert zwei Reagenzgläser mit gefriergetrockneten Mehlwürmern beziehungsweise Heuschrecken und lädt zur Kostprobe. Nur an die Mehlwürmer trauen sich Autorin und Fotograf heran – der Geschmack: überraschend erträglich, nussig und knusprig. Aber den Ekel-Reflex zu unterdrücken fällt schwer.
Wann kommen die Insekten und Würmer standardmäßig in die Regale?
Das ganze Thema ist rechtlich noch nicht ganz wasserdicht, weshalb das noch dauern wird. Wir arbeiten noch am Konzept. Ich gehe aber davon aus, dass das Thema Insektenfood mittelfristig in der Mitte der Gesellschaft ankommen wird.
Auch die Supermärkte selbst verändern sich. Welche Aspekte spielen heute eine Rolle, wenn Sie einen Laden renovieren?
Wir legen den Schwerpunkt auf Frische-Sortimente – Obst und Gemüse werden fokussiert platziert. Trendsortimente wie Gewürze werden in den Fokus gerückt, denn die Leute kochen gerne. Außerdem ist das Thema Wohlfühlatmosphäre wichtig. Früher lagen die Gangbreiten bei 1,40 Meter, jetzt liegen sie bei 1,60. Enge mag keiner.
Hat sich auch das Einkaufsverhalten der Kunden verändert?
Auf jeden Fall. Die Kaufakte werden weniger. Während man früher zwei, drei, vier Mal in der Woche losfuhr, hat sich das mittlerweile auf den einen Wochenendeinkauf verlagert. Unsere Kunden kommen vor allem freitags und samstags, und dann auch erst wieder am nächsten Wochenende. Deshalb versuchen wir mit der Marktgestaltung die Verweildauer zu erhöhen. Zum Beispiel durch Beratung an den Frischetheken oder durch Gastronomie im Laden, etwa einer Sushi-Bar in Kiel-Wik.
In den Werbeprospekten stehen bei Supermärkten die Fleischprodukte meist ganz vorn. Ist das noch zeitgemäß?
Der Kunde erwartet das. Es entwickelt sich sicherlich langsam davon weg, aber wir müssen natürlich unsere Kundenstruktur berücksichtigen, das Durchschnittsalter liegt bei 45 bis 50 Jahren. Mit den Fleischartikeln grenzen wir uns ab gegenüber Discountern, die keine Frischetheken mit guter Qualität bieten. Auch da bemühen wir uns um regionale Anbieter.
– Quelle: https://www.shz.de/19767816 ©2018Rétablir l'original