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Gläsern und graziös

Baseballer Max Kepler knüpft bei den Minnesota Twins aktuell an die starken Leistungen aus seiner ersten Saison an. (Foto: John Autey/AP)

Der deutsche Outfielder Max Kepler sorgte schon im vergangenen Jahr in der MLB für Aufsehen. Doch nun bestätigt er seinen Erfolg - und erhält dafür das Lob eines einflussreichen Förderers.


Als Max Kepler am 1. August 2016 im Spiel gegen die Cleveland Indians als erster Europäer der Baseball-Geschichte drei Homeruns schlug und seinem Team zu einem 12:5-Sieg verhalf, jubelten nicht nur die Fans der Minnesota Twins. Auch in Regensburg, wo Keplers Karriere einst begann, wurde gefeiert. Kepler, der dort 2008 und 2009 das Internat besucht hatte und für die Buchbinder Legionäre in der Bundesliga angetreten war, wurde wenige Tage später zum Spieler der Woche in der nordamerikanischen Profiliga gekürt.


Heute, knapp ein Jahr später, gehört Kepler zum festen Aufgebot der Twins, die nach sechs Spielzeiten ohne Playoff-Teilnahme erstmals wieder eine realistische Chance auf die K.-o.-Runde haben. Keplers jüngster Anteil am Erfolg: In der Nacht zum Samstag verhalf er seinem Team mit zwei Schlägen (Hits) und zwei Punkten (Runs) zurück ins Spiel. Aus 0:6 wurde 9:6 - das zweitgrößte Comeback der Klubgeschichte. Es läuft gut beim 24-jährigen Deutschen, der sich mit 16 Jahren in die USA aufmachte, um den Sprung in die Major League zu schaffen. Und auch das hat etwas mit Regensburg zu tun.


Als Martin Brunner 2016 in Regensburg von Keplers drei Homeruns in einem Spiel hörte, machte ihn das stolz. Der Baseball-Ausbilder, der den Nachwuchsspieler am Internat begleitet hatte, wusste auch, dass diese Auszeichnung der Maßstab für die kommenden Jahre sein würde. Dass viel Druck auf den Schultern des 24 Jahre jungen Kepler lasten würde. In der MLB gibt es Spieler, die zehn Jahre lang vergeblich auf die Auszeichnung als bester Spieler der Woche warten.


"Ich traue Max zu, dass er diesen Erfolg wiederholt"

Nun, im Juli 2017, sagt Brunner mit Blick auf die jüngsten Ergebnisse: "Ich traue Max zu, dass er diesen Erfolg wiederholt." Wer Brunner und das Baseball-Geschäft kennt, versteht diese Aussage als großes Lob. Denn seit Beginn des Jahres arbeitet der Regensburger Baseball-Funktionär für die MLB als Entwicklungshelfer in ganz Europa. Zuvor hatte er 2002 das Regensburger Internat aufgebaut, das auch Kepler zwei Jahre lang besuchte.


Brunner weiß, dass die zweite Saison in der besten Liga der Welt schwerer ist als die erste: "Teams wie die Los Angeles Dodgers haben alleine 100 Angestellte, nur um den Gegner zu analysieren." Das bedeutet: Wer eine erfolgreiche Saison spielt, wird vor der nächsten Runde komplett durchleuchtet. Jeder gegnerische Pitcher weiß inzwischen, welche Stärken und Schwächen Kepler hat und kann gezielt darauf reagieren. "Gläsern sein", nennt das Brunner. Damit umzugehen, das lerne Kepler gerade, sagt Brunner - und er mache das gut.

Die Zahlen untermauern das: Zehn Homeruns und 43 Runs hat der Outfielder zur Halbzeit der Saison auf dem Konto, 38 Punkte sammelten Läufer durch seine Schläge. Er ist auf Kurs, die Bilanz von 2016 zu erreichen, mindestens. Für Brunner sticht aber noch deutlicher heraus, dass Kepler vielseitiger geworden ist. "Gegen linkshändige Pitcher ist er ungefähr genauso gut wie gegen rechtshändige". Für einen links schlagenden Spieler sei das eine Seltenheit. Max Kepler so darf man das inzwischen verstehen, ist gekommen, um zu bleiben.


  "Er ist perfektionistisch veranlagt"

Kepler, der Sohn einer Texanerin und eines Polen, wuchs in Berlin auf, wo seine Eltern an der Deutschen Oper angestellt waren. Mit dem Baseball begann er an der John-F.-Kennedy-Schule, einer deutsch-amerikanischen Gemeinschaftsschule. In Regensburg am Internat sei für ihn im richtigen Alter das Richtige passiert, sagt Martin Brunner. "Als Max damals mit seiner Mutter zu Besuch kam, war uns nach wenigen Stunden klar: er ist etwas Besonderes." Und Keplers Eltern waren sich schnell einig, dass ihr Sohn nirgends in Europa eine bessere Ausbildung bekommen würde. "Für uns war Max eine Bereicherung", sagt Brunner. "Er ist perfektionistisch veranlagt. Er war für sein junges Alter schon sehr zielstrebig." Das in Keplers Spielweise "Graziöse", wie Brunner es nennt, sahen auch die MLB-Teams, die ihn in Regensburg beobachteten und verpflichten wollten. Den Zuschlag erhielten 2009 für 800.000 Dollar Vertragsbonus die Minnesota Twins - ein Team, das auf Entwicklung setzt und dem jungen Deutschen eine Perspektive bietet.


Die größte mentale Herausforderung hatte Kepler da aber noch vor sich. Denn nur drei Prozent der Spieler mit einem Vertrag erreichen am Ende auch die Königsklasse. Ein Großteil schafft es nie über die Minor Leagues hinaus. Sieben Jahre verbrachte Kepler in den Unterklassen der MLB, reiste über kleine Dörfer und spielte für niedriges Gehalt weit weg von Millionenzirkus und ausverkauften Stadien. Er musste viel Geduld aufbringen. "Sein feiner Charakter hat Max durch die Minor Leagues geholfen", sagt Brunner, "und seine Eltern". Sich selbst, der Kepler 2008 von Berlin nach Regensburg holte, nennt er erst an dritter Stelle. "Wir haben ihm hier die Plattform gegeben", sagt er, "aber wir haben keinen fertigen Spieler in die USA geschickt.


Ein fertiger Spieler ist Kepler immer noch nicht - und doch ein gutes Stück weiter als noch 2009. Auch jetzt, wo Kepler es in die Major League geschafft hat und mit seinem Team die Playoffplätze angreift, ist Brunner noch in Kontakt mit ihm. "Ich verfolge jeden Tag, wie er spielt", sagt er. "Ich traue Max zu, dass er der erste deutsche Spieler wird, der in der MLB ins Allstar-Game kommt." Ratschläge aus der Ferne brauche er inzwischen nicht mehr; wenn, dann spendet Brunner aufmunternde Worte nach Niederlagen. Doch auch das war zuletzt immer seltener nötig.

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