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Wie in Australien lebende Bremer die Buschbrände erleben

Foto: Dan Himbrechts / AAP / dpa

In Australien kämpft die Bevölkerung seit Wochen gegen die Flammen - und der Kampf ist lange noch nicht vorbei. Rund elf Millionen Hektar Land sind etwa 300 Bränden bereits zum Opfer gefallen, was ungefähr der Fläche von Bayern und Baden-Württemberg zusammen entspricht ( Die britische Zeitung "Guardian" hat eine Visualisierung der Fläche erstellt).

Besonders betroffen ist der Bundesstaat New South Wales, wo die zuständige Feuerbehörde Rural Fire Service (RFS) in der Nacht zu Freitag (Ortszeit) alleine 132 Brände verzeichnete, 55 von ihnen waren außer Kontrolle. „Die Feuer sind hier gefühlt überall", erzählt Rowena Gehl, die am Lake Macquarie rund 140 Kilometer nördlich von Sydney lebt.


Ein Feuer sei derzeit nur rund neun Kilometer entfernt - auf der anderen Seite des Sees. Beruhigend sei das jedoch nicht unbedingt. „Wir hatten schon Tage, an denen wir Ascheregen von 50 Kilometer entfernten Bränden hatten", sagt Gehl, die Mitte 2017 mit ihrer Familie aus dem Oldenburger Land in ihr Geburtsland zurückzog.


Buschfeuer sind im australischen Sommer nichts Ungewöhnliches, doch es ist die Intensität, die in diesem Jahr das Land und seine Bevölkerung völlig überrascht hat. "Aufgrund der Trockenheit hat die Buschfeuer-Saison bereits viel zu früh im September angefangen und sie ist noch lange nicht vorbei", berichtet Gehl. Wie gefährlich die Brände sind, hat ihre Oma, die in Merimbula im Süden von New South Wales wohnt, am vergangenen Wochenende selbst erfahren.


"Meine Oma musste ihr Haus verlassen und fand zunächst Zuflucht in einem Altersheim. Aber als das Feuer immer dichter kam, musste auch das evakuiert werden", erzählt die 40-Jährige. Die Bewohner kamen in einem anderen Altersheim unter, welches dann überfüllt war. "Meine Oma und viele andere Heimbewohner haben auf Matten auf dem Boden oder in Sesseln geschlafen", berichtet Gehl.


Zwar durfte ihre Großmutter aufgrund der gemäßigten Wetterlage mittlerweile wieder nach Hause gehen, doch schon am Wochenende droht die nächste Hitzewelle und steigende Brandgefahr. Wie es dann in Merimbula weitergeht, ist noch offen: Der Küstenort ist von drei Großbränden umgeben, die laut RFS außer Kontrolle geraten sind.


Derzeit gehe für den Ort keine Gefahr aus, teilte das RFS mit. Jedoch sollen Einwohner im nur 20 Kilometer entfernten Eden die Feuer im Auge behalten. Am Donnerstagabend stürzte ein für den Brand bei Eden eingesetztes Löschflugzeug in ein Wasserreservoir. „Das erschwert die Löscharbeiten natürlich weiter", so Gehl. Aber auch für sie und ihre Familie wurde es bereits im November erstmals brenzlig, als für ihre Region die höchste Stufe der Brandgefährdung, das „Catastrophic Fire Rating", ausgerufen wurde. "Das bedeutet nicht, dass die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass es in einer solchen Region brennt, sondern dass falls ein Feuer ausbrechen sollte, es sich unberechenbar verhält und sich aller Voraussicht nach nicht löschen lässt", erklärt Gehl. Sie habe Notfalltaschen gepackt und den ganzen Tag die Feueraktivitäten am Handy beobachtet. „Zum Glück ist bei uns nichts passiert, das Glück hatten viele andere leider nicht."


Ebenfalls im Norden New South Wales sind derzeit die 18-jährige Tia Kettelhake und die 19-jährige Karen Jendrek unterwegs. Die beiden Freundinnen sind im Rahmen eines Work-and-Travel seit Anfang Oktober auf dem Kontinent, das heißt, dass sie durch Australien reisen und Gelegenheitsjobs nachgehen. Derzeit halten sie sich in Arrawarra auf, einem kleinen Küstenort rund 360 Kilometer südlich von Brisbane. 


Besorgt von den Bränden sind die beiden Abiturientinnen aus Vegesack und Schwanewede nicht. „Wir haben hier kaum Anzeichen der Feuer", sagt Karen Jendrek. Dennoch würden die beiden auch täglich auf die Notfall-Apps gucken, ob sich ein Feuer nähert oder ein neuer Brand entstanden ist. Auf ihrer Reise entlang der Ostküste seien sie aber auch schon mit den Bränden in Kontakt gekommen „Wir haben auf einer Orangenfarm gelebt, in derer unmittelbarer Nähe ein Feuer ausgebrochen ist und noch immer lodert. Der Himmel war immer grau und voller Rauch und es roch nach Feuer", erzählt Jendrek. Andere Orte, die die beiden besucht haben, seien mittlerweile teilweise zerstört. „Die Situation hat uns nochmal die Augen geöffnet, welche Auswirkungen unser Verhalten auf die Umwelt hat und wie brenzlig die Situation mit dem Klimawandel eigentlich ist", berichten die beiden.


Weiter nördlich in Brisbane ist die Lage noch etwas entspannter. „Die großen Feuer sind rund 1.400 Kilometer von uns entfernt", sagt Franzi Schwenker. Vor drei Jahren ist sie mit ihrem Freund von Bremen nach Australien ausgewandert, eine Situation wie die jetzige hat die 28-Jährige aber noch nicht erlebt. „Es hat hier seit Monaten praktisch nicht mehr geregnet, wir leiden hier unter einer unheimlichen Dürre", so Schwenker.


In den letzten Wochen habe es immer wieder kleiner Buschbrände im Umland gegeben, teilweise sei die Feuerwehr mehrfach am Tag an ihrem Haus vorbeigefahren. Für den Moment fühlen sich die 28-Jährige und ihr zwei Jahre älter Freund Pascal sicher, unbewusst spiele sie aber dennoch mögliche Evakuierungsszenarien durch. „Im Radio kam neulich die Durchsage, dass ein bestimmter Teil evakuiert werden muss.


Da geht man automatisch im Kopf durch, wo die wichtigsten Dokumente liegen und welche Dinge man einpackt. Da hat man schon ein mulmiges Gefühl", erzählt Schwenker. Einen Eindruck von den Bränden haben die beiden aber dennoch bekommen. Für rund drei Wochen lag Brisbane unter einer Rauchglocke, die wie dicker Nebel ausgesehen habe. „Wir hatten ganz trockene Augen und Husten. Mit unseren beiden Hunden mussten wir sogar zum Tierarzt, weil sich deren Augen entzündet haben."


Beeindruckt sind die Auswanderer vom Zusammenhalt in der Bevölkerung. „Jeder gibt, was er kann. Viele Menschen haben ihren Urlaub geopfert oder unbezahlten Urlaub genommen, um bei der Brandbekämpfung zu helfen und das rechnen die Australier ihnen hoch an. Was hier geleistet wird, ist unglaublich", meint Rowena Gehl. Auch Franzi Schwenker ist beeindruckt von den Einwohnern.


„Egal wo du hingehst, überall werden Spenden gesammelt oder Benefizveranstaltungen organisiert." Freunde von ihnen hätten am Freitagabend bei Facebook zu Sachspenden aufgerufen. „Zwei Tage später war ihre Garage komplett voll. Die Spenden werden jetzt mit einem Lkw nach Sydney gebracht." Auf der anderen Seite herrscht aber auch viel Frustration und Ärger über das missglückte Krisenmanagement von Scott Morrison.


Der australische Premierminister gilt als Skeptiker des Klimawandels und reiste mit seiner Familie in den Urlaub nach Hawaii, als die Großbrände in Australien wüteten. Als er Tage später und nach einigen unglücklichen Aussagen über die möglichen Brandursachen in die betroffenen Gebiete reiste, verweigerten ihm einige der Betroffenen und der Einsatzkräfte den Handschlag und bezeichneten ihn als „Idiot". Als er ihnen dennoch die Hand schüttelte, empfanden das viele Australier als empathielos.


„Als Staatsoberhaupt eines ganzen Kontinents solltest du in den schwersten Zeiten bei deinem Volk sein und nicht im Urlaub", meint Franzi Schwenker. Für viele Australier habe er sein Gesicht verloren. „Alles in allem zeigt es dem durchschnittlichen Australier, dass er nicht für sie da ist, in einer der schlimmsten Lagen, die das Land je erlebt hat", sagte auch die Politikwissenschaftlerin Blair Williams von der Australischen Nationaluniversität in Canberra gegenüber der Nachrichtenagentur dpa.


Feuer wie in diesem Jahr hat auch Helli Meinecke noch nicht erlebt. „Die Ausmaße sind außergewöhnlich", sagt die 54-Jährige, die vor 26 Jahren mit ihrem Mann und den beiden Kindern aus Bremen nach Adelaide gezogen ist. "Der offenbare Klimawandel wird hier leider von vielen Politikern missachtet, was für viel Unmut in der Bevölkerung sorgt", so Meinecke.

Adelaide sei derzeit nicht betroffen, aber auf der benachbarten Insel Kangaroo Island, einem Naturparadies und Heimat vieler seltener Tierarten wie der Schmalfuß-Beutelmaus oder dem Braunkopfkakadu, seien bereits 40 Prozent der Fläche zerstört. Die Tiere, die die Feuer überlebt haben, drohen nun zu verhungern, denn sie finden kaum noch Nahrung.

„Hier in Adelaide ist der sonst so strahlend blaue Himmel ergraut", berichtet Meinecke. Allerdings sei das nicht der Rauch von den Bränden auf Kangaroo Island, der zu ihnen herüberzieht, sondern von denen an der Ostküste. „Stellt euch vor, dass es in Bayern so lange und stark brennt, dass man in Bremen den Rauch sehen und riechen kann", verbildlicht sie ihre Eindrücke. Besonders betroffen ist sie aber von den Schäden, die das Land, Leute und Tierwelt genommen haben - alleine rund eine Milliarde Tiere sind laut Wissenschaftlern bislang umgekommen. „Es wird Jahre dauern, bis das alles wieder aufgebaut ist."

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