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Humor ist wie Lego

Mittwochnachmittag im Tiergarten: Feuer prasselt im Kamin, an den Wänden hängen Bilder von Menschen mit Tierköpfen, aus dem Lautsprecher tönen Schmonzetten von Michael Bublé. Ingmar Stadelmann betritt das „Café am Neuen See" in Jogginghose, bestellt keine Wildbuletten, die sind ausverkauft, stattdessen die Kalbsleber. Am Mittwoch kommender Woche hat sein neues Stand- up-Comedy-Programm „Humorphob" im Quatsch Comedy Club in der Friedrichstraße Premiere. Vor fast vier Jahren startete dort auch seine erste Show „Was ist denn los mit den Menschen?", für die er mit dem Deutschen Comedypreis ausgezeichnet wurde. „Seitdem ist viel passiert. Die Leute haben mich angenommen, auch wenn viele sicherlich denken, dass ich auf der Bühne manchmal ein Arsch bin", meint der 35-Jährige.

Bekannt ist Stadelmann nicht nur durch die Bühne, sondern auch als Radiomoderator. In der Show „LateLine", ausgestrahlt auf sieben Jugendwellen der ARD, kann das Publikum direkt im Studio anrufen und mit ihm diskutieren. „Da muss ich schlagfertig sein und kann nicht nur Einstudiertes aufsagen." Eine Eigenschaft, die leider nicht alle Comedy-Kollegen besäßen, findet er. Stand-up-Comedian ist er geworden, weil „etwas aus ihm raus musste". Nach ersten Gehversuchen in den 90er Jahren und einem Studium der Kommunikationswissenschaften an der FU Berlin saß er einst im Quatsch Comedy Club und dachte sich: Ich gehöre eigentlich auf die Bühne und nicht ins Publikum.

Der Name des neuen Programms „Humorphob" ist kurz nach dem Anschlag auf das Pariser Satiremagazin „Charlie Hebdo" entstanden. „Ich habe mit einem Freund über Menschen gesprochen, die Angst vor Humor haben, die über politisch nicht Korrektes nicht lachen können." Das hat ihn darauf gebracht. In der Show werden vor allem Dinge behandelt, die auf den ersten Blick nicht lustig sind: Islamischer Staat, Flüchtlingskrise, Pegida - „die in Sachsen haben Angst vor Menschen mit einer anderen Sprache?" Stadelmanns Ziel ist es, auch diese Themen so zu betrachten, dass man darüber lachen kann. Sieht er sich selbst als politischen Komiker? „Dadurch, dass ich aktuelle Themen behandle, vielleicht schon - aber ohne moralischen Zeigefinger."

In Deutschland: Nur dicke Frauen in pinken Klamotten und prollige Türken mit Pferdeschwanz

Nur Kabarettist, das möchte er nicht sein, diese Art des Humors findet er gerade in Deutschland ziemlich angestaubt. Lieber wagt er Neues, sieht Deutschland als Entwicklungsland, wenn es um Stand- up-Comedy geht. Die Bühnen würden von zweidimensionalen Comicfiguren bevölkert: dicke Frau in pinken Klamotten, prolliger Türke mit Pferdeschwanz. Er dagegen will als dreidimensionales „Super- Ich" wahrgenommen werden.

Und den deutschen Humor? Den sieht Stadelmann vor allem durch RTL geprägt und attestiert dem Fernsehsender ein Monopol: „Da muss man sich auch mal fragen, wieso kein anderer Sender eine Gegenbewegung startet und ein eigenes Stand-up-Programm anbietet." Während US-amerikanische Comedians wie Margaret Cho oder Ellen DeGeneres Humor benutzen, um gesellschaftliche Grenzen zu sprengen, geschieht hierzulande eher das Gegenteil. Dort attackieren Comedians gesellschaftliche Missstände und benutzen Stereotype, um diese umzukehren. Aus einer Position der Verletzbarkeit - sie gehören selber zu einer Minderheit - machen sie sich zusammen mit dem Publikum lustig über die sogenannte Mitte der Gesellschaft. In Deutschland ist es jedoch zumeist so, dass die Komiker es sich in der Mitte bequem machen und von dort aus Witze über diejenigen machen, die nicht dazugehören.

„Bei uns ist die Bestätigung des Stereotyps fast immer die Pointe", stimmt Stadelmann zu. Deshalb benutzt er Klischees auch nur, wenn er sie anschließend brechen kann. Stadelmann will wissen, was die Leute im Alltag beschäftigt. So zieht er in der Show etwa darüber her, dass Facebook nur noch benutzt würde, um Babyfotos zu posten. Ohne Facebook würden also keine Kinder mehr geboren werden. „Das Internet potenziert die Dummheit des Einzelnen."

Sein Humor zündet jedoch nicht immer. Lange Zeit hat er sich anhören müssen, dass das, was er da macht, nicht funktioniert. Vor ein paar Jahren wollte er im Quatsch Comedy Club die Weihnachtsfeier der Sparkasse bespaßen. Die ersten Minuten gingen gut, doch zuletzt hat nur noch der Techniker gelacht. Und obwohl der Applaus ausblieb, hat er sich zehn Minuten lang verbeugt. Trotz hilft eben am besten gegen Traumatisierung.

Entsprechend cool gibt er sich vor der anstehenden Premiere. „Jede Show ist wie Lego. Ich habe fertige Bausteine, die ich zusammensetze. Ob es am Ende eine Burg oder ein Feuerwehrauto wird, weiß ich vorher auch nicht", sagt der gebürtige Sachsen-Anhaltiner.

Ob er Angst hat, die Leute mit seinen Witzen auch mal zu verletzen? Das könne schon passieren, räumt er ein, aber „es gibt keine rassistische oder sexistische Sprache, sondern nur rassistische oder sexistische Menschen". Er hält sich da an sein großes Vorbild, den englischen Komiker Ricky Gervais, der sagte, dass man nicht im Recht sei, nur weil man sich beleidigt fühlt.

Donnerstagabend im Quatsch Comedy Club: Ingmar Stadelmann moderiert die Live-Show und hat die Lacher auf seiner Seite. Nicht alle Comedians kommen an diesem Abend so gut weg wie er. Das Haus ist voll, das Publikum besteht aus allen Altersklassen. Egal ob es um Pegida geht, um sächsische Sprachprobleme oder sodomitische Terroristen, die Zuschauer gehen mit. „Lachen für Demokratie" ist das Motto. Auch Dating-Apps sind für ihn ein großes Thema. „Tinder" sei so was wie „Zalando für Menschen". Dann schaut er sich die Leute genau an und sagt „,Elitepartner' kennt hier sicher keiner". Daten muss Ingmar Stadelmann selbst nicht mehr. Er hat eine polnische Freundin. Mit ihr und den beiden Hunden geht er gerne spazieren. Das „Café am Neuen See" liegt da genau auf seiner Route. Wie praktisch.

Quatsch Comedy Club, Friedrichstraße 107, Premiere am 3. Februar, 20 Uhr Rétablir l'original