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Boris Johnson in Delhi: So will der Westen Indien auf seine Seite ziehen

Handelsblatt, 21.4.2022 - Auf den Reiseplänen europäischer Spitzenpolitiker hatte Indien zuletzt nur eine untergeordnete Rolle eingenommen. Nach dem Besuch von Kanzlerin Angela Merkel im Jahr 2019 kamen lediglich zwei Staats- und Regierungschefs aus Europa zu Besuch in die größte Demokratie der Welt: die dänische Regierungschefin Mette Frederiksen und Russlands Präsident Wladimir Putin, der dort kurz vor der Invasion der Ukraine die enge Partnerschaft mit Indien bekräftigte.

Angesichts des Angriffskriegs, den Indien bisher nicht verurteilt hat, setzt der Westen nun auf eine ungewohnt umfangreiche diplomatische Offensive, um den Subkontinent auf seine Seite zu ziehen. Den Auftakt macht der britische Premierminister Boris Johnson, der an diesem Donnerstag in Indien erwartet wird. Er möchte seinem Amtskollegen Narendra Modi eine Distanzierung von Russland abringen.

Am Wochenende folgt ihm dann EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die ebenfalls den Ukrainekrieg besprechen will. Anfang Mai hat schließlich Bundeskanzler Olaf Scholz die Chance, den indischen Premier im persönlichen Gespräch von einem russlandkritischeren Kurs zu überzeugen. Er erwartet Modi in Berlin.

Indiens Haltung in dem Konflikt ist für den Versuch, Russland international zu isolieren, von erheblicher Bedeutung. Das 1,4-Milliarden-Einwohner-Land ist nach China die größte Volkswirtschaft, die sich den Sanktionen gegen Russland nicht angeschlossen hat. Statt Wirtschaftsbeziehungen nach Moskau zu kappen, baut Indien seine Geschäfte mit dem Land vielmehr aus: Nach dem Kriegsbeginn bestellte die Regierung in Neu-Delhi innerhalb weniger Wochen fast so viel Öl aus Russland wie im gesamten Vorjahr.

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