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Tausende flüchten vor dem Terror aus Nigeria in den Niger | Afrika | DW.DE | 17.03.2014

Mehr als 40.000 Menschen haben laut Angaben des UN-Flüchtlingswerkes (UNHCR) bereits in der bitterarmen Region Diffa im Südosten Nigers Zuflucht gesucht. Vor allem Frauen und Kinder flüchten vor der zunehmenden Gewalt im Norden Nigerias über die Grenze. Die nigrische Regierung hält die Grenzen zum Nachbarn offen und gewährt den Ankömmlingen einen vorläufigen Flüchtlingsstatus. Viele der Vertriebenen sind ohnehin nigrische Staatsbürger, die jenseits der Grenze gelebt und gearbeitet haben. Es bestehen enge ethnische, familiäre und wirtschaftliche Beziehungen in der Grenzregion. Daher findet der größte Teil der Flüchtlinge Unterkunft in nigrischen Familien.

Diejenigen, die nicht bei Verwandten in der Region unterkommen, haben es deutlich schwerer und sind auf die Unterstützung durch Hilfsorganisationen angewiesen. So geht es auch Fatima Haruna, die aus der Großstadt Maiduguri fliehen musste, wo die Terrorgruppe Boko Haram ihre ursprüngliche Machtbasis hat. "Unser Haus ist den Flammen zum Opfer gefallen", berichtet sie. "Hier kümmert man sich um uns. Nur in den ersten Tagen lief die Hilfe etwas schleppend, da neue Flüchtlinge angekommen sind."

Täglich kommen neue Flüchtlinge

Schon die Einheimischen haben es in der Region Diffa schwer, sich zu ernähren. Die Ernte 2013 war schlecht. 40.000 zusätzliche Flüchtlinge stellen auch die Hilfsorganisationen vor große Probleme. Transportwege sind lang, die Straßen schlecht. Die Stadt Diffa liegt immerhin fast 1400 Kilometer von der Hauptstadt Niamey entfernt. Zum Teil muss Essen und Trinkwasser eingeflogen werden. Und täglich strömen weitere Flüchtlinge über die Grenze nach Niger.

Trümmerlandschaft in Maiduguri nach einem Bombenanschlag im März 2014

Es sind so viele, dass die derzeitige internationale Hilfe nicht mehr ausreicht. "Wir brauchen die Unterstützung auch anderer Hilfsorganisationen. Es ist höchste Zeit, dass sie hier Hilfe leisten", meint Abdoullaye Ada, der Leiter der Hilfsaktion des Roten Kreuzes in Diffa, das nach eigenen Angaben schon mehr als 13.000 Menschen versorgt. Ada weist auch auf die schwierige Wohnsituation vieler Flüchtlinge hin: "Überall in Diffa sieht man Menschen, die ihre kleinen provisorischen Zelte aufschlagen."

Keine Flüchtlingslager aus Angst vor Boko Haram

Die nigrische Regierung verweigert bislang die Errichtung offizieller Flüchtlingslager. Zu groß ist nach Einschätzung von UN-Mitarbeitern die Angst, dass diese potentielle Anschlagsziele für Mitglieder der Terrorgruppe Boko Haram sein könnten. Erst Mitte Februar verhinderte das nigrische Militär eigenen Angaben nach einen Anschlag in der Stadt Diffa und nahm dabei etliche Anhänger der Sekte fest.

Da die Flüchtlinge in der ganzen Region verstreut sind, ist es fast unmöglich, jeden mit Trinkwasser und Lebensmitteln zu versorgen. Diese Erfahrung hat auch die Flüchtlingsfrau Amina gemacht und berichtet: "Jeden Tag geht mein Mann los und versucht etwas zu Essen aufzutreiben, das wir kochen können. An manchen Tagen bekommen wir etwas, an anderen bekommen wir nichts. Das ist ein großes Problem."

Warten auf Medikamente

Neben dem Mangel an Trinkwasser und Essen sieht Abdoullaye Ada vom Roten Kreuz auch die medizinische Versorgung als großes Problem. Zwar hätten Mitarbeiter des UNHCR vor Ort Flüchtlinge auf ihren Gesundheitszustand hin untersucht, die versprochenen Medikamente seien aber bislang nicht eingetroffen. "Die meisten der Flüchtlinge sind traumatisiert, haben aber kein Geld für eine Behandlung oder Medikamente", klagt Ada.

Viele der Geflohenen haben Schreckliches erlebt. Bei Angriffen von Boko Haram oder durch die anschließenden Vergeltungsaktionen des nigerianischen Militärs haben sie Familienangehörige oder ihre Existenzgrundlage verloren. "Ich habe gesehen, wie Menschen abgeschlachtet wurden. Auch mein Ehemann wurde getötet. Jetzt bleiben mir nur noch meine drei Kinder", erzählt eine Frau, die sich über die Grenze retten konnte.

Vergleichbare Schicksalsschläge treffen immer mehr Zivilisten in Nigeria, da in den drei Bundesstaaten Adamawa, Yobe und Borno die Gewalt seit der Ausrufung des Notstandes im Mai 2013 noch deutlich zu­genommen hat. "Die entsetzlichen Attacken durch Boko Haram haben verheerende Auswirkungen auf das Leben in Nordnigeria", sagt Daniel Bekele, Leiter der Afrika-Abteilung von der internationalen Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. "Hunderttausende sind in andere Landesteile und Nachbarländer geflohen. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass ihre Rechte geschützt werden." So sind nach Angaben der Vereinten Nationen allein innerhalb Nigerias über 470.000 Menschen auf der Flucht. Etwa 13.000 weitere Menschen sind über die Grenze nach Kamerun geflohen.

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