1 abonnement et 2 abonnés
Article

"Wer auch Pizza mag, bitte liken"

Die Kunden warten gleich in mehreren Schlangen. Eine Kundin bestellt eine "YumYumEpicYum"-Pizza extra. Hektisch springt eine Figur aus groben Pixeln, sie heißt "MatteoMagDich", in einer ebenfalls grob pixeligen Pizzeria ohne Wände herum. Wenn die Bestellungen rechtzeitig rausgehen, zeigt eine weiße Zahl über seinem Kopf an, wie viel Matteo verdient hat.


Während man diesen Text liest, backen etwa 20 000 Menschen digitale Pizza. "Arbeite in einer Pizzeria" heißt das Spiel und ist einer der erfolgreichsten Titel auf Roblox, einer Mischung aus sozialem Netzwerk und Spieleplattform. Roblox ist in den USA ein Phänomen. Bereits im Dezember 2017 überholte Roblox in den USA Youtube als die Internetseite, auf der Kinder unter 13 die meiste Zeit verbringen. Das zeigen Zahlen des Marktforschungsunternehmens ComScore. Das Phänomen will jetzt die Welt erobern. Vor wenigen Tagen startete die deutsche Version der Plattform.


Dass das pädagogisches Potenzial hat, steht außer Frage. Dieses Potenzial müssen Eltern jedoch fördern und lenken. Tun sie das nicht, könnten die Kinder in der enormen Auswahl versinken. Und nicht alle Welten sind so unschuldig, wie eine Pizzeria-Eröffnung.

Dass die meisten Spieler noch so jung sind, merkt man. An der Optik, die wie eine Mischung aus Lego und Minecraft wirkt, an den kindlichen Namen der Spieler und den Spielen selbst, die in der Regel kurz und unkompliziert aufgebaut sind. Viele Elemente hat man schon irgendwo anders gesehen, und zwar besser. Die Titelauswahl in der Spiele-Bibliothek erinnert an Netflix oder Steam, das Währungssystem an Gratis-Spiele aus dem App-Store. Im Spiel können die Spieler virtuelles Geld - so genannte Robux - verdienen, zum Beispiel durch Pizzabacken.


Die Spieler können in einer einfachen Programmiersprache eigene Spiele erschaffen

Warum ist Roblox also so erfolgreich? Das hat zum Teil sicher damit zu tun, dass Roblox im Grunde kostenlos ist, obwohl die Spieler virtuelles Geld - sogenannte Robux - kaufen können, um zusätzliche Inhalte freizuschalten. Die meisten Spiele lassen sich auf Handy, PC, Konsolen und sogar auf 3D-Brillen spielen. So holt man, wie auch viele andere Spiele und Plattformen, möglichst viele Spieler ab. Das Spiele-Portal hebt sich in einem Punkt von allen anderen ab. Die Spieler können in einer buchstäblich kinderleichten Programmiersprache eigene Spiele erschaffen. Nach Unternehmensangaben entwickeln mehr als vier der monatlich 90 Millionen Spieler etwa eine Million Spiele - pro Monat.

Genau deshalb schnitt Roblox auch in einem Test der Fachstelle für Jugendmedienkultur NRW gut ab. Die einfach verständliche Progammierumgebung von Roblox-Studio fördere die Kreativität von Kindern. Fortgeschrittene Kinder können mit der Skriptsprache Lua die Umgebungen immer stärker verändern und immer komplexere Spiele schaffen.


Kinder lernen heimlich Programmieren

Im Netz wimmelt es von Geschichten, in denen Kinder mit Roblox ohne Wissen ihrer Eltern Programmieren gelernt haben sollen. Auch in manchen Medien wird Roblox gefeiert. Vergangenes Jahr titelte das Forbes-Magazin zum Beispiel: "So trainiert Roblox die nächste Generation der Spiele-Unternehmer." Titelheld der Geschichte ist Alex Binello, der noch nie eine Programmier-Stunde besucht hatte. Trotzdem entwickelte er auf dem Portal das Spiel "Meep City", eine Art virtuelle Stadt voller Minispiele, das ihn letztlich zum Millionär machte.

Weil Roblox von der riesigen Spielauswahl lebt, schüttet das Unternehmen einen Teil der Einnahmen an die Entwickler aus. Das funktioniert so: Ein Spieler kreiert ein Spiel. Wenn andere Spieler Robux für Items in seinem Spiel ausgeben, bekommt sie der Spieler gutgeschrieben. Davon kann er wiederum eigene Items kaufen oder sich auszahlen lassen. 98 Millionen Dollar habe man auf diese Art bereits ausgezahlt, sagt das Unternehmen. "Es ist fast so, als ob wir 'American Idol' für aufstrebende Spieleentwickler betreiben würden", beschreibt Gründer David Baszucki im Forbes-Magazin das Konzept.


Mehr als 57 Millionen Spiele soll es auf Roblox geben. Viele davon sind Alltagssimulationen, in denen Spieler Tankstellen, Bauernhöfe oder eben Pizzerien managen. Beliebt sind auch Fan-Versionen berühmter Spiele oder Filme. Die Macher dieser Spiele kopieren einfach Figuren, Logos, manchmal ganze Handlungsstränge, die sie dann zu einem eigenen Spiel verarbeiten.


Nicht alle Spiele sind so unschuldig wie die Eröffnung einer Pizzeria. Es gibt viele Shooter, in denen lustig aussehende Figuren Autos klauen und Mitspieler töten müssen. Auch vor größeren Skandalen blieb Roblox nicht verschont. Vergangenes Jahr ging das Video einer Mutter viral. Sie filmte den virtuellen Sex-Raum, den jemand auf Roblox gebaut hatte und in den ihre sechsjährige Tochter eingeladen worden war. Das Video zeigt nackte Spielfiguren beim Sex. Auf YouTube gibt es bizarre "Let's Play"-Videos, die durch solche, inzwischen gelöschte, Räume voller goldener Geschlechtsteile führen.


Die USK sitzt mit am Tisch

Wegen solcher Fälle wirbt die Spiele-Plattform stark um das Vertrauen von Eltern. Sie kündigte zum Deutschlandstart an, Chats zwischen Spielern zu moderieren und Spiele darauf hin zu prüfen, ob die Figuren in ihnen angezogen sind. Für Eltern gibt es zukünftig auch Kundensupport auf Deutsch und die Möglichkeit, den Zugriff auf bestimmte Spiele zu blockieren. Außerdem soll die Geschäftsführerin der deutschen Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK), Elisabeth Secker, im Beratungsausschuss für Vertrauen und Sicherheit des Unternehmens sitzen.


Die Fachstelle für Jugendmedienkultur empfiehlt Eltern, trotzdem regelmäßig neue Inhalte auf der Plattform zu kontrollieren, weil eben so viele Spiele dort landen. Kinder sollten außerdem keine Handynummern und Bilder verschicken, weil man sich auf der Plattform komplett anonym bewegen könne. Niemand kann also sicher wissen, wer hinter einem Account steht.


Das auf Kinder zielende Konzept von Roblox scheint zu funktionieren. Das erkennt man auch daran, wie sich die bunte Klötzchenwelt auf andere Plattformen auswirkt, die sonst eher nicht für kinderfreundliche Kommentare bekannt sind. Auf Youtube hat das Video über das Pizzabacken von MatteoMagDich 185 000 Klicks und 500 Kommentare. Keine Hasskommentare, fast ausschließlich mit Lob. Der beliebteste Kommentar: "Meine Lieblingspizza ist Margarita. Wer auch Pizza mag, bitte liken."

Rétablir l'original