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Können Amazon richtig weh tun - Verdi kontert Weihnachtsversprechen des Versandriesen

Jedes Jahr gibt Amazon (Anzeige) die Stichtage bekannt, an denen Weihnachtsgeschenke noch pünktlich zum 24. Dezember geliefert werden: der 20. Dezember bei Standardversand, der 21. Dezember bei Premiumversand. „Der Streik hat keinen Einfluss auf die Einhaltung unseres Lieferversprechens, denn die überwältigende Mehrheit unserer Mitarbeiter arbeitet normal", versichert nun ein Amazon-Sprecher.


In fünf Jahren haben Weihnachtsstreiks Amazon kein einziges Mal bedroht

Seit fünf Jahren will die Gewerkschaft Amazon mit Streiks in der Weihnachtszeit dazu bewegen, die Arbeitsbedingungen seiner Arbeiter nach Tarif zu regeln. Amazon weigert sich und verweist darauf, dass man überdurchschnittliche Löhne für die Logistik-Branche zahle.

Das sieht Verdi anders. 


Dass Amazon noch immer Tarifverhandlungen ablehne, ist für Leipzigs Streikleiter Thomas Schneider eine „Provokation". Verdi-Landesbezirksfachbereichsleiterin Silke Zimmer kritisiert vor allem das geringe Weihnachtsgeld für die Amazon-Beschäftigten. Dies liege mit 400 bis 600 Euro etwa 1000 Euro unter Tarif. „Bei dem Umsatz, den Amazon in der Weihnachtszeit auf dem Rücken der Kolleginnen und Kollegen erwirtschaftet, ist dies durch nichts zu rechtfertigen", kritisierte sie.


Experte: Amazon ist ein übermächtiger Gegner

Mit Amazon habe sich Verdi ausgerechnet einen Gegner ausgesucht, an dem die Gewerkschaft sich die Zähne ausbeißen werde, sagt Gerrit Heinemann, Professor für Handel an der Hochschule Niederrhein. „Die fünf Jahre in Folge zeigen, dass die Streiks nichts bringen." Den etwa 350 Streikenden stehen 12.000 Festangestellte und tausende Hilfsarbeiter, die alleine wegen der Weihnachtszeit eingestellt wurden, gegenüber. Auch Amazon selbst beschwichtigt seine Kunden: „Wir sind auf viele Szenarien eingestellt. Streiks sind aber nur eine Variable, wie etwa das Wetter mit Eis und Schnee und erschwerten Bedingungen."


Verdi hat neue Streiktaktik: Wir haben aus der Vergangenheit gelernt

Von diesen Zahlen dürfe man sich nicht blenden lassen, sagt Verdi-Pressesprecher Günter Isemeyer auf Nachfrage von FOCUS Online. Amazon argumentiere immer mit der Gesamtzahl der Mitarbeiter. Dabei gebe es insgesamt zwölf Versandhandelszentren in Deutschland. Dazu werde in Schichten gearbeitet. „Wenn aus einer Schicht dann die Hälfte der Arbeiter fehlen, tun wir Amazon auch schon durch ein paar hundert Streikende weh", erklärt Isemeyer.


Man habe aus den Streiks der vergangenen Jahre gelernt und die Strategie umgestellt. „Wir sind jetzt in der Lage, aus dem laufenden Betrieb heraus zu streiken und haben uns dezentral organisiert", sagt Isemeyer. Die Streiks finden also nicht mehr flächendeckend statt, sondern an strategischen Punkten, an denen Amazon verwundbar sei.

„Vor Ort analysieren wir, ob es sich lohnt, zu streiken", erklärt Isemayer. Aktuell tun das nur zwei Versandzentren. Weitere könnten sich also noch anschließen. Mitarbeiter würden dann einfach während der Schicht die Arbeit einstellen.


Streiks schaden am Ende den Mitarbeitern

Mit diesen Streiks schaden sich die Mitarbeiter nur selbst, glaubt Heinemann: „Verdi provoziert nur eine verstärkte Automatisierung ihrer Werke." Der Experte ist sich sicher: Verdi hat keine Chance. „Der Streik bei Amazon ist lediglich ein PR-Gag, der Resonanz in der Bevölkerung für Tarife schaffen soll", sagt Heinemann.


Der Gewerkschaft gehe es nicht speziell um Amazon, sagt Heinemann. Dahinter stehe die Diskussion, nach welchem Tarif Mitarbeiter in Logistikzentren von Einzelhandelsketten bezahlt werden: dem Einzelhandels- oder dem weniger gut bezahlten Logistiktarif. An anderen Punkten könnte man mit Streiks mehr bewirken, glaubt Heinemann. „Der gesamte Einzelhandel atmet wahrscheinlich gerade auf, dass Verdi nicht sie bestreikt", sagt Heinemann. Amazon hätte einfach zu gute Lieferstrukturen.


„Regelmäßige Lohnerhöhungen, die Zahlung eines Weihnachtsgeldes und sogenannte Bonuswochen sind nicht guter Wille, sonder eine Folge der Streiks", sagt hingegen Verdi-Sprecher Isemeyer. Man habe in den vergangenen Jahren also schon viel erreicht. Die Zukunft hänge auch von diesem Weihnachten ab.

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