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21.30 Uhr. Bar? - WELT

Vier Worte und drei Sonderzeichen. "Ich finde Dich süß :-)" hat Thorsten in sein rotes Handy getippt und per Kurzmitteilung an Nummer "201" verschickt. Nummer "201" ist Corinna und auf der Suche nach einem festen Freund - aber das wird Thorsten noch erfahren. "21.30 Uhr. Bar? Mag dein süßes Lächeln", schreibt Thorsten, Industriekaufmann, 22 Jahre und bei der SMS-Flirt-Night auf der Suche nach einer Freundin. Den vierten Donnerstag in Folge. Nummer "201" ist nicht die Einzige, mit der Thorsten via Handy in der Nürnberger Kneipendisco "Frizz" an diesem Abend flirtet. Sie ist aber die Hübscheste, wie er findet. Er mag dunkelblonde, schulterlange Haare und "Frauen, die nicht einen Anlauf von zehn SMS brauchen", um sich von ihm zu einer Caipirinha einladen zu lassen.

"Man merkt doch gleich bei der ersten SMS, ob man auf einer Wellenlänge liegt", sagt er. "Danke. Du bist nett. Wer bist du?" will Corinna wissen. Na also!

Nummer "201" war Thorsten schon aufgefallen, als sie kurz nach ihm mit zwei Freundinnen ins "Frizz" gekommen war. Und er noch damit beschäftigt war, der dunkelhaarigen Eva ein "Ich finde dich süß:-)"-SMS zu schicken. "Es beißt eben nicht jede an", rechtfertigt Thorsten den Flop. Deshalb streut er seine Kurzmitteilungen, das heißt: Er verschickt an einem Abend zwischen 50 und 100 SMS - so viele wie sonst in zwei Wochen. Später steht er dafür vor Corinna und bringt erst mal kein Wort heraus.

Mit dem Leih-Handy darf er im "Frizz" so viele Kurzmitteilungen versenden wie er will - das ist im Eintritt von fünf Mark mit drin. Im Januar vergangenen Jahres hatte Geschäftsführer Marc Klages die Idee einer Kurzmitteilungs-Nacht als erster in Deutschland, wie er behauptet, in seinen Kneipen in Nürnberg, Regensburg, Meißen und Leipzig umgesetzt. Rund 400 Gäste kommen pro Abend, über die Hälfte davon sind Frauen. Telefonieren kann man mit den Handys nicht. Jede Nummer beginnt mit der "01 74-32 50 . . .", die letzten drei Ziffern stehen auf blauen Aufklebern. Thorsten hat sich den Aufkleber auf den linken Ärmel seines Hemds geklebt. Bei Nummer "201" mit den dunkelblonden, schulterlangen Haaren hat er die Nummer auf der Bluse erspäht - unauffällig, damit sie nichts merkt. Ob sie ahnt, wer er ist?

Noch wartet Thorsten, ob Nummer "201" mit dem süßen Lächeln seine Einladung annimmt. Corinna einfach so ansprechen würde er nicht wagen. "Ich bin eigentlich ein schüchterner Typ", sagt er und zuckt verlegen mit den Schultern. So schüchtern, dass er sich ohne SMS davor fürchten würde, einen Korb von einer Frau zu bekommen. Er hat Herzklopfen, als er zum verabredeten Treffpunkt am Tresen geht. Noch sitzt er im Kneipenbereich und versucht, das Lokal zu überblicken, versucht Corinna im Getümmel wieder zu finden. Doch er sieht nur vier Mittdreißiger an der Bar sitzen.

Wo ist Nummer "201" mit dem blauen Glimmer unter den Augen? Das Fiepen und Piepen ihres Handys hat Corinna nicht gehört. In allen Ecken der Kneipendisko surren und summen Mobiltelefone. Corinna ist mit ihren beiden Freundinnen auf der Tanzfläche, hat ihr Leih-Handy in ihre Handtasche gelegt und bemerkt so nicht mal den Vibrationsalarm - schaut aber alle 15 Minuten mal aufs Display.

Corinna ist Profi. Sie war schon etwa 20 Mal auf einer SMS-Party. Corinna weiß, dass sie Männer wie Thorsten erst einmal etwas schmoren lassen muss, dass sie nicht jedes Mal sofort zurückschreiben darf. "Sonst bildet der sich womöglich noch was ein", sagt sie. Außerdem nervt sie, dass alle fünf Minuten ihr Handy fiept. Meist sind es Männer Ende 20 und sie sehen nicht so aus, wie sich Corinna einen Traummann vorstellt: "Die starren einen an und schicken sofort eine SMS." Sie weiß, welche SMS sie wegwerfen kann wie Werbung ins Altpapier.

Corinna sucht zwar einen Freund, will aber auch Spaß haben, nicht den ganzen Abend nur nervtötende Nachrichten beantworten. Von den 200 ausgegebenen Handys schicken Besucher ihr bis zu 50 Kurzmitteilungen am Abend. Nicht jede beantwortet sie, die nette von Thorsten schon. Thorstens Handy fiept. Zwei Mal hintereinander. Zwei Mal neue Post. Die erste SMS ist von einem Jens. Ein Irrläufer. Das passiert jeden Abend mehrmals. Statt Nummer "148" hat Jens die "143" getippt. Der Baggerversuch "Hallo Susi. Willst du mein sugar babe sein?" bleibt unbeantwortet. Die zweite SMS nicht. Die ist von Corinna. Endlich.

"Bin da. Freu mich. Aber kein Alk", hat sie geschrieben. Thorsten strahlt, ballt die Hand zur Faust und kämpft sich bis zum Tresen vor. Als Corinna kommt, ist Thorsten schon da. "Hallo", sagt er unsicher. Sie lächelt, weiß auch nicht, was sie sagen soll. "Was magst du trinken?", fragt Thorsten. Corinna schluckt. "Eine Cola."

"Was arbeitest du", fragt Thorsten. Und: "Wie alt bist Du?" "Bin 20. Und Arzthelferin", antwortet Corinna: "Bist ja echt ganz nett." Das gefällt Thorsten. Aber dann kommt das Aus: "Bist leider nicht so mein Typ, also, ich mag eher größere Männer." Thorsten ist 1,70 Meter. Das ist Pech. Noch bevor sie ausgetrunken hat, geht Corinna zu ihren Freundinnen zurück, die auf der Tanzfläche auf sie warten. Geschäftsführer Marc Klages zuckt mit den Schultern. Es fänden sich etliche Paare durch die SMS-Party, sagt er. "Das ist schön, aber nicht gut fürs Geschäft." Denn die Paare kommen nicht wieder. Corinna und Thorsten schon.

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