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Auch mal still sein | choices - Kultur. Kino. Köln.

Auch mal still sein

25. Oktober 2018

Killer&Killer kombinieren Tanz und Theater – Tanz 11/18

Mit gesenktem Kopf steht Sophie inmitten der großen Halle: „Können wir nochmal anfangen? Das Licht brummt so laut.“ Für ihre Performance muss sie sich voll konzentrieren. Sie allein steht auf der Bühne. Trotz der tropischen Temperaturen des Sommers ist sie an diesem Probennachmittag voller Energie, zuckt, murmelt, schreit, trommelt mit den Fäusten gegen die Wand. Thalia beobachtet Sophie genau – wie wirkt die Performance heute? „Ich bin jedes Mal gespannt und manchmal überrascht“, erzählt sie später, kleinste Nuancen von Sophies Stimmung spüre sie.

Sophie und Thalia Killer sind Schwestern und sie bilden das Künstlerinnenduo Killer&Killer. Seit 2015 entwickeln sie gemeinsam Theaterstücke und gewannen im Juli 2018 den KunstSalon-Theaterpreis für ihr Stück „Der Prozess“, eine Adaption und Eigeninterpretation von Kafkas Roman: Ein Bankangestellter wird grundlos verhaftet und grübelt über seine mögliche Schuld. Ihr erstes gemeinsames Bühnenstück „Einer tanzt aus der Reihe“ wurde 2015 bereits mit dem Folkwang Preis ausgezeichnet.

Ihre Stücke sind auf das Körperliche fokussierte Performances irgendwo zwischen Tanz und Sprechtheater. „Man muss nicht immer alles in Kategorien stecken“, sind beide überzeugt. Sie wollen sich immer weiterentwickeln, ohne sich Grenzen zu setzen. So wagen sie auch in ihrem neuen Stück etwas Neues: „Es ist für mich ganz neu, auch mal still zu sein auf der Bühne und das auszuhalten“ sagt Sophie.

Von alltäglichen Gefühlen und großen Fragen

Mit ihren Themen berühren sie die alltägliche Gefühlswelt ebenso wie die ganz großen gesellschaftlichen Fragen: Es geht um Einsamkeit und Liebe, Schuld und Zukunftsutopie. Die Themen entstehen im Dialog und sind immer auch durch persönliche Erfahrungen beider Schwestern geprägt.

Als ausgebildete Schauspielerin steht Sophie in ihren Stücken oft selbst auf der Bühne. Gemeinsam mit Thalia entwickelt sie im kreativen, improvisierten Prozess die Dramaturgie und Choreografie. An der Folkwang Akademie lernte sie Schauspiel, in Berlin Tanz, von dem Magazin „tanz – Zeitschrift für Ballet, Tanz und Performance“ wurde sie zu den Hoffnungsträgerinnen 2018 gekürt. Thalia, die in Pforzheim Schmuck- und Objektdesign studiert hat, kümmert sich außerdem um Bühnenbild, Kostüm, Licht, Werbung und Kommunikation. Für beide ist das perfekte Teamarbeit: „Wir sind einfach voll auf einer Wellenlänge.“ Das merkt man sofort, wenn man sie kennenlernt – erzählen sie von ihren Projekten, glänzen ihre Augen.

In Köln, wo Sophie lebt und beide hauptsächlich arbeiten und proben, fühlen sie sich künstlerisch zu Hause. Sie arbeiten im Barnes Crossing, einem Theaterstudio im Industriegebiet Michaelshoven, im tiefsten Kölner Süden. Hinter Fabrikgebäuden versteckt sich hier die Wachsfabrik, eine kreative Keimzelle mit Galerien, Theaterräumen und Künstlercafés. 

Anders als in Berlin, wo durch das kulturelle Überangebot Ablenkung, Sättigung und Gleichgültigkeit entstehen könne, erlebten sie in Köln mehr Verbindlichkeit und unterstützende Netzwerke, erzählen sie. In ihren eigenen Stücken arbeiten sie teilweise mit anderen Schauspielern zusammen. Sophie spielt hin und wieder auch in anderen Theaterprojekten mit, Thalia verkauft weiter selbst entworfenen Schmuck in Berlin. „Aber Killer&Killer hat immer Vorrang“, da sind sie sich einig.

Zwischen virtueller Realität, Realität und Tagtraum

Neben der künstlerischen Arbeit muss sich Sophie auch mit organisatorischem Dingen wie Förderanträgen beschäftigen: „Ich wurde im Studium zwar eigenständig ausgebildet, aber das habe ich nicht gelernt.“ Durch die Zusammenarbeit mit anderen Künstlern konnte sie das fehlende Wissen jedoch schnell nachholen.

Zurzeit proben sie den ersten Teil ihres neuen Stückes „die mit den Augen atmen“. Es geht um das Spannungsverhältnis zwischen virtueller Realität, Realität und Tagtraum: Kann man der Realität entfliehen? Warum hat man das Bedürfnis ihr zu entfliehen? Und was hat das für eine Auswirkung auf den Menschen? Erstmals wird Thalia auch eine Videoinstillation für das Stück erarbeiten.

Sophie und Thalia proben an diesem Abend noch weiter, am nächsten Tag wollen die beiden den ersten Teil Freunden und Familie präsentieren.
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