Ein fulminantes Tourende haben gerade Kettcar in Lübeck gefeiert. Sie beendeten am Sonnabend ihre „... und das geht so“-Tour in der Musik- und Kongresshalle und feierten mit 2700 mehr als begeisterten Fans eine Abschiedsparty die sich gewaschen hatte. Denn nach der Tour machen die fünf Hamburger Indie-Rocker um Sänger Marcus Wiebusch erst mal eine lange Pause.
Manchmal möchte man die Zeit anhalten oder wenigstens verlangsamen. Denn dann kann man noch ein bisschen länger genießen und den Abschied herauszögern. So ging es gerade den rund 2700 Kettcar-Fans, die zum vorerst letzten Konzert ihrer Lieblingsband in die Rotunde der MuK gepilgert waren.
Längere Pause steht bereits fest
Schon seit Tourstart war klar: die fünf Musiker legen eine längere Pause ein. Dabei waren Kettcar 2017 erst mit dem fünften Studio-Album „Ich vs. Wir“ aus einer längeren Auszeit gekommen, 2019 legten sie dann eine Live-Scheibe nach und gingen auf Tour. Die endete nun in der Hansestadt. „Das ist unser allererstes Konzert in Lübeck. Was hat uns eigentlich so lange geritten, hier nicht aufzutreten“, fragte sich nicht nur Marcus Wiebusch.
„Bis jetzt mussten die Lübecker immer nach Hamburg auf unsere Konzerte fahren. Jetzt wollten wir es einmal andersherum machen“, erklärt Reimer Bustorff. Doch nicht nur Kettcar stand auf der Bühne. Zur musikalischen Unterstützung hatten sich Lars Wiebusch (Keyboard), Christian Hake (Drums), Reimer Bustorff (Bass) und Erik Langer (Gitarre) gleich drei Bläser zur Verstärkung geholt. So legten Philip Sindy (Trompete und Flügelhorn), Sebastian Borkowski (Saxophon und Altflöte) und Jason Liebert (Posaune) gemeinsam mit Kettcar einen melodischen Klangteppich aus, der sofort ins Ohr ging und das Publikum zum Tanzen brachte.
Schnörkellos politisch
Ihr letztes Konzert wollten Kettcar dann richtig gut machen und gruben dafür altes und neues Songmaterial aus. Mit Liedern wie „Volle Distanz“, „Money left to burn“, „Benzin und Kartoffelbrei“, aber auch „Palo Alto“, „Auf den billigen Plätzen“ oder das melodische „Landungsbrücken raus“ trafen sie genau den richtigen Nerv. Besondere Momente gab es dabei viele. Zum Beispiel beim poetischen Liebeslied „Balu“, das Marcus Wiebusch gemeinsam mit Bruder Larsam Keyboard und Philip Sindy am Flügelhorn mit viel Gefühl spiele.
Dabei zeigte sich auch die große Kunst von Kettcar. Denn wo andere Bands in Kitsch abdriften, bleiben die Texte von Wiebusch schnörkellos und klar. Dass Kettcar auch politische Songs können und sich klar positionieren, ist bekannt. So geht es bei „Sommer 89 (Er schnitt Löcher in den Zaun)“ um die Flüchtlingskrise. „Humanismus lässt sich nicht verhandeln“, sagt Wiebusch zu dem Song. Bei „Der Tag wird kommen“, Wiebuschs wütender Hymne gegen Homophobie im Profifußball, war die MuK ein einziges Hände-Meer. „Was ist jetzt los, Lübeck“, fragt Wiebusch, als der Jubel kein Ende nehmen will. „Tja, kühle Norddeutsche unter sich“, witzelte er.
Nach fast zwei Stunden und zwei Zugaben („Trostbrücke Süd“ und „Kein Außen mehr“) läuteten die Musiker das Ende ein. Doch das sahen die Kettcar-Fans ganz anders. Die jubelten so lange, bis die Band noch einen letzten Song spielte. Nach „Mein Skateboard kriegt mein Zahnarzt“ plus Konfettiregen war endgültig Schluss. Bis sich die Band dann aber von der Bühne löste, dauerte es. „Es wird nicht geweint. Wir kommen irgendwann wieder“, versprach Wiebusch zum Abschied. Hoffentlich.
Von Majka Gerke
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