Wernigerode - Der Brocken zieht mich wie ein Magnet an. Ohne ihn würde mir wirklich etwas fehlen", sagt Benno Schmidt, 87. Seit beinahe 30 Jahren wandert er nahezu jeden Tag auf den höchsten Berg Norddeutschlands, 1142 Meter hoch. Laut Eigendiagnose leidet der Mann, den im Harz alle nur den „ Brocken-Benno " nennen, an therapieresistenter „Bergsucht". Auch wenn er es natürlich nicht als Leiden empfindet.
Zum 8804. Mal macht er sich er an einem sonnigen Herbsttag von einem Parkplatz in Schierke aus auf den Weg. Bewaffnet mit seinem Wanderstock läuft Schmidt gemütlich los. Er trägt Wanderschuhe, eine grüne Dreiviertel-Hose, ein Cap auf dem Kopf und einen Rucksack. Darin befinden sich wie immer ein Apfel, eine kleine Flasche Wasser und ein Erste-Hilfe-Set für den Notfall. Sein Körper wirkt athletisch, mühelos wandert er erst über den sogenannten Teufelsstieg, dann über das Eckersloch. Wege auf den Brocken gibt es viele, gelaufen ist Schmidt sie schon alle unzählige Male.
Den Weg über das Eckersloch hält er für den interessantesten. Zwei Stunden braucht er in der Regel für den Pfad, den er für seine Vegetation schätzt, weil sich die Natur hier wild romantisch zeige. „Aus alt wird neu", sagt Schmidt und erfreut sich an einem heranwachsenden Baum, der aus einem abgestorbenen Baumstumpf wächst.
28 Jahre war der Brocken militärisches SperrgebietSchnell kommt er heute nicht voran, zu oft wird er von anderen Wanderern erkannt. Schon aus einigen Metern Entfernung ruft eine Frau zu ihrem Mann: „Das ist der Brocken-Benno!" Für viele ist er eine mindestens genauso große touristische Attraktion wie der Brocken selbst. Und wie es sich für eine Sehenswürdigkeit gehört, hat auch Brocken-Benno jede Menge Info-Material über sich dabei. Schmidt dreht sich um, bleibt auf einem großen Stein stehen und plaudert mit den beiden. „Wir haben so sehr gehofft, dass wir ihn sehen", sagt die Frau. Mit breitem Grinsen kauft das Paar auch noch sein Buch „Der einzige Achttausender im Harz". Der Autor schreibt dem Paar eine persönliche Widmung auf die erste Seite. „Es sind diese netten Begegnungen und tollen Gespräche mit Menschen aus Deutschland und der ganzen Welt, die jeden Aufstieg einzigartig machen", sagt Schmidt.
Es ist allerdings vor allem eines, das den Rentner antreibt: die Sehnsucht. 28 Jahre lang war der Brocken nicht begehbar. Der Berg war militärisches Sperrgebiet, eine anderthalb Kilometer lange Mauer umschloss die Kuppe des Massivs, das mitten auf der deutsch-deutschen Grenze lag. (...)
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