Muss man jeden Quatsch mitmachen? Das fragte sich Lydia Herms, als sie bei Instagram auf den Hashtag #coffeeoutside stieß; schlicht übersetzt: Kaffee draußen. Um mitreden zu können, hat sie kurzerhand mitgemacht. Und die Antwort auf die Frage fällt eindeutig aus: ja!
DRadio Wissen (heute Deutschlandfunk Nova), 05. Mai 2016
Nils fährt vor. Er kennt sich hier aus, im nördlichen Grüngürtel Berlins, kurz vor Brandenburg. Neben ihm fährt mein Freund Christoph. Es geht vorbei an Kühen, Löwenzahn, frisch gefällten Bäumen und grüßenden Spaziergängern.
Nils habe ich im Internet kennengelernt, auf Instagram, über gemeinsame Kontakte. Irgendwann einmal postete er nicht nur Fotos von Fahrradtouren, Bandproben und seinen zahlreichen Tattoos – sondern auch von einem Kaffeetrinken. Auf einer Parkbank Allein war er da, und auf dem Weg zur Arbeit. Und nicht etwa mit einem gekauften Coffee to go, nee, sondern mit einem Emailbecher neben einem Camping-Gasbrenner…
Nils markierte das Foto mit dem Hashtag #coffeeoutside. Ich sah das, grinste und dachte: Hipster.
Ich hatte keine Ahnung! (Radreise endet, absteigen, Schritte)
im Hintergrund: „Gut, dass wir Ausrüstung dabei haben.“ (Lachen)
Es gibt eine regelrechte Kaffeebewegung in der Fahrradwelt, wenn auch nicht professionell organisiert. Ob in Ontario/Canada, in Portland/USA, in Japan oder in den polnischen Wäldern, überall fahren Menschen wohin, um sich dort Kaffee zuzubereiten – und posten dann Bilder. Und Nils macht das auch…
im Hintergrund: „Jetzt'nen Kaffee.“
(Kramgeräusche, Gemurmel, Lachen) Nils packt das Equipment aus. Ist nicht wenig: Gaskocher, Edelstahlkessel, Filterhalter aus Draht, so zum Zusammenschieben, Filter natürlich, Kaffeebohnen und eine winzige japanische Kaffeemühle. Außerdem seinen Becher, wir haben eigene mitgebracht, Leitungswasser und so ein komisches Plastikding, das aussieht wie ein Fernrohr, sich AeroPress nennt und angeblich der neueste Schrei ist. Ein Zylinder, in dem der Kaffeesatz mit einem Stempel nach unten gedrückt wird, wie eine French Press, nur kleiner und ohne Henkel.
Nils im Gespräch:
Also, ich hab' das Zeugs immer mit. Egal. Ich fahr' zu meinen Eltern,
und ich hab' es mit. Und dann begeistere ich meine Mutter, wenn ich
das auspacke. […] Irgendwann saß ich mal am Gleisdreieck, vor
meiner Arbeit, um 7, und dann kamen, ich glaub', die gehen da jeden
Morgen lang, so zwei Frauen, mit'nem Hund und dann sahen sie mich.
Und dann haben sie den Kaffee gerochen, und dann standen sie da. Und
dann meinte ich so, ja, dann treffen wir uns morgen, dann mache ich
ihnen auch einen. (mahlt weiter) […] Das ist dann so genau das
Erlebnis, was eigentlich nur begeistern kann…“
So oft es zeitlich möglich ist, hält Nils auf dem Weg zur Arbeit im Grünen an und kocht sich einen Kaffee. Seine Kollegen haben wenig Verständnis für Nils' Kaffeeritual. Ich kenne diese Bedenken, hatte ich auch. Das Zubereitungs-Zeug ist doch voll schwer, und anschließend heiß, und nass, und schmutzig. Und man muss ja eigentlich auch nicht ständig Kaffee trinken, es ist also Quatsch, das alles immer mitzuschleppen…
Nils im Gespräch: „Nö. (Lachen) Das ist jetzt nicht, weil ich jetzt unbedingt den Kaffee brauch'. Sondern, das ist das, weil einmal spiel' ich gern mit Feuer, ich mag den Geruch des Mahlens, also, das ganze Prozedere mag ich. Ich mag, dass ich das so mache. Dass ich weiß. So'n geübten Handgriff. Ich weiß, dass mich das Zeit kostet. Für mich ist das kein Aufwand. (Feuerzeug, Gasbrenner zickt, ist plötzlich leer) Scheiße, woll'n wir uns nicht doch'nen Kaffee holen? (Lachen).“
Die
erste Gaskartusche ist leer. Natürlich hat Nils eine zweite dabei,
klar.
Irgendwann kocht das Wasser im Kessel, der gemahlene Kaffee ist im Filter, der steht über meinem Becher, und dann gießt Nils den Kaffee auf, so wie zuhause. Nur eben draußen, an einem See. Ich bin begeistert.
Nils im Gespräch: „Ich hab' da auch mal drüber nachgedacht: Ist das jetzt scheißehipstermäßig? Und dann glaube ich, keiner, der irgendwie das macht, nur weil's total cool ist, schleppt sich tot mit irgend'nem Mist und macht das jahrelang, nur weil's jetzt Hipscheiß ist.“ – „Kauft sich einmal alles, fotografiert sich, und dann verschimmelt's im Schrank oder so.“ – “[…] Davon würde ich mich gern distanzieren. Ich mach' das, weil ich wirklich drauf steh'.“
(Kaffeekochatmo
im Hintergrund) Nils
genießt die Freiheit, zu fahren, wo er will, und Kaffee zu trinken,
wann er will. Es kam schon vor, dass er lange Radtouren gefahren ist,
ohne einen einzigen Kaffee zu kochen – weil keine Zeit war, das
Wetter zu schlecht, oder die Begleitung nicht interessiert. Passiert!
120 EUR sollte ich einplanen, rät mir Nils, für die erste Ausrüstung bestehend aus Gaskocher, Mühle und Kessel. Es geht teurer, und hochwertiger, wenn der Kessel beispielsweise nicht aus Stahl, sondern aus Titan, und somit superleicht ist. Ich beschließe: Ich fange ganz klein an. Mit einer Kaffeemühle aus Japan, dem Vorläufer von Nils' Modell, kaum größer als 'n Deoroller. Kessel und Brenner kommen als nächstes.
Und
dann geht’s wieder raus
– mit
#coffeeoutside!