Reportage von Sofia Dreisbach und Luise Binder
Elias, der Prophet, und Simon, der Apostel. Die beiden jungen Männer haben sich biblische Namen ausgesucht, vermutlich unabsichtlich. Sie sitzen in einem Park nicht weit von der Münchner Theresienwiese, auf einer Bank am Sandkasten. Immer eine Zigarette in der Hand, schwarze Jacken und schwarze Bauchtaschen, aus denen sie Tabak, Papers und Filter ziehen. Die Kinder halten Sicherheitsabstand.
Elias und Simon wollen eine Botschaft verkünden, nur nicht die biblische. Die zwei, die ihre echten Namen nicht nennen wollen, sind Mitglieder der Gruppe „Antifaschistischer Aufbau". Sie sind Münchner und Kommunisten. „Wir erkennen die Regeln des bürgerlichen Staates nicht an." Dieser Satz gilt für das Kollektiv, wie beinahe alles, was sie an diesem Nachmittag sagen.
Den „Antifaschistischen Aufbau" gibt es offiziell seit drei Monaten - seit wann er tatsächlich existiert, wollen die beiden nicht sagen. Auch wie viele Leute sich dort regelmäßig treffen, soll ein Geheimnis bleiben. Die Grundausrichtung: klassenkämpferisch. Ihr Feindbild: Neonazis. Die Forderung: Abschaffung des Kapitalismus. „Wir haben keinen Masterplan dafür", sagt Elias. Vor allem gehe es darum, den „ausgebeuteten Menschen" Informationen zu geben und zu helfen; ihnen bewusst zu machen, woher die Unterdrückung komme. Sie sind für Kommunismus und gegen den bürgerlichen Staat.
Geheimnisvolle Verabredung
Die Antifa gibt es nicht. In Deutschland existieren verschiedene Gruppen mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Will man Aktivisten der Antifa treffen, ist die Absprache geheimnisvoll: Mails ohne Namen der Absender, keine Telefonnummer für Nachfragen, Treffpunkt an einer U-Bahnstation, um danach weiter „an einen ruhigen Ort" zu gehen. Wer dort warten wird, bleibt bis zuletzt ein Mysterium. Von den Gesprächspartnern aus München weiß man nach dem Treffen nur das Alter (18 und 22) und dass der eine Maschinenbau studiert und der andere arbeitet.
Viel Geheimniskrämerei für eine politische Bewegung, die die Massen erreichen will. Die vom Antifaschistischen Aufbau geführten Kämpfe seien für einen Großteil der Menschen von Interesse, sagen die beiden. „Uns bleibt als Öffentlichkeit nur die Straße." Taten statt Worte. Das verbinden die meisten mit der Antifa, aber nicht im positiven Sinne. Brennende Autos, Steine werfende, vermummte Demonstranten. So wie in Leipzig, als im Dezember 2015 am Rande einer Neonazi-Demonstration linksextremistische Krawalle ausarteten. Oder im Juni dieses Jahres in Berlin: Bei der teilweisen Räumung eines Wohnprojektes in der Rigaer Straße kam es zu schweren Ausschreitungen zwischen Linksextremen und der Polizei.
Gewalt als legitimes Mittel
Gewalt sei manchmal hilfreich, sagt Elias. „Sie ist nicht aus Prinzip gut oder schlecht." Gewalt zu verteufeln sei scheinheilig. Ihrer Meinung nach verteidigt der bürgerliche Staat seine Existenz nur mit Gewalt. In der Polizei sehen die Antifaschisten die Handlanger eines Systems, dessen Regeln sie nicht anerkennen. Mit ihrem Einsatz bei Demonstrationen beschütze die Polizei Neonazis. „Nazis holen sich durch den Auftritt Selbstbewusstsein und verbreiten menschenverachtende Propaganda."
Simon zieht ein letztes Mal an dem Zigarettenstummel, dann schnippt er ihn zu dem Dutzend Kippen zu seinen Füßen. Er und sein „Genosse", wie sie einander nennen, sehen nicht aus wie Schläger. Eher schmächtiger Körperbau, junge Gesichtszüge, blasse Haut. Es ist eine Utopie, die sie antreibt. Von einem Land, in dem sie gerne leben wollen. Von einem Land, in dem alle gleich sind.
Wie sie das erreichen wollen? Nicht durch Wahlen. „Das politische System ändern wir nur durch einen Umsturz." Es müsse eine spontane Bewegung sein wie in Griechenland, sagt Simon, nippt an seiner Paulaner Spezi und dreht sich eine neue Zigarette. Im Hintergrund jagen zwei kleine Jungen mit Stöcken über den Platz. Der eine trifft den anderen. Geweint wird nicht.
Angst bei der Antifa?
„Bei rechten Strukturen hilft kein Diskutieren", sagt Elias. Man müsse organisierten Neonazis die Möglichkeit nehmen, sich frei zu bewegen. Selbstverteidigung und Notwehr nennen die beiden Antifaschisten das. Aber ihre Aktionen treffen nicht nur Rechtsradikale und die Polizei. Anwohner fühlen sich bedroht, wenn in ihrer Straße Autos in Flammen stehen und Steine fliegen. „Es ist auf jeden Fall nicht unser Ziel, der Bevölkerung Angst zu machen", sagt Simon. Man müsse mit den Bürgern in Kontakt bleiben, die Aktionen erklären und begründen. Dass dieser Kontakt verloren gegangen sei, sei ein großes Problem der Antifa.
Es ist eine schwierige Zeit für die linke Szene: Ihre Politik ist in der Defensive, das islamfeindliche Bündnis Pegida und die AfD sind im Aufschwung. Bekommt man es als Antifaschist da mit der Angst zu tun? „Ich würde es eher Hilflosigkeit nennen", sagt Simon. Elias drückt seine Zigarette auf der steinernen Bank aus und greift in die hintere Hosentasche. Er zieht eine kleine, schwarze Sprühdose hervor: Pfefferspray. Die hat er immer dabei. Greife ihn ein Neonazi an, habe er schon dieses Gefühl - Angst. Ihre Gegner erkennen sie inzwischen auf der Straße, deswegen sind sie häufig zu zweit unterwegs. Aber das akzeptieren sie: „Wenn wir als Antifaschisten nicht von Nazis gehasst werden, haben wir etwas falsch gemacht."