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Hertha-Fans kämpfen um juristische Folgen für die Polizei

Ziemlich schlimm hatte es ihn erwischt. Gleich doppelt brach er sich die Hand und konnte danach zweieinhalb Monate lang nicht arbeiten. Und das, weil er als Fan von Hertha BSC beim Auswärtsspiel in Dortmund dabei war.

Es war am 27. Oktober 2018, als es dort rund um den Berliner Block zu heftigen Ausschreitungen kam, die den Verein und die Berliner Fanszene bis heute beschäftigen. Hertha musste eine Strafe in Höhe von 100.000 Euro zahlen und 35.000 Euro an die Polizeistiftung Nordrhein-Westfalen überweisen. Nach Behördenangaben wurden damals sechs Polizisten und 45 Berliner Stadionbesucher verletzt. Doch längst sind nicht alle Fragen zum Einsatz der Dortmunder Polizei und zum Verhalten der Fans geklärt. Hertha BSC teilte auf Nachfrage mit, dass der Klub mit der Fanhilfe in Kontakt stehe und ihm weiterhin „an der Aufklärung der Vorkommnisse" gelegen sei: „Das betrifft sowohl das Vorgehen der Einsatzkräfte als auch das Verhalten der Fans."

Während die Polizei auf provozierendes Verhalten und die komplette Zerstörung der sanitären Anlagen im Bereich des Gästeblocks hinwies, fühlten sich viele Fans zu Unrecht von der Polizei angegangen. Einige, die Strafanzeige gegen die Dortmunder Polizei gestellt haben, betreut der fannahe Jurist René Lau. Unter ihnen ist auch der Mann mit dem doppelten Handbruch, der nicht öffentlich mit seinem Namen auftauchen möchte.

Ein Schlagstockeinsatz der Polizei habe die Verletzung verursacht. Dabei hatte der Mann mit den Auseinandersetzungen nach eigenen Angaben gar nichts zu tun. Er habe ganz außen gestanden und die Ausschreitungen von dort beobachtet, sagt er. Weder habe er die Polizei im Graben bekämpft, noch habe er dabei geholfen, die große Fahne, um die es der Polizei laut eigener Aussage bei dem Einsatz ging, zurück in den Block zu ziehen. Videoaufnahmen könnten das belegen.

Die Staatsanwaltschaft Dortmund hat die Ermittlungen eingestellt

Doch wie kam es dann zu den Verletzungen? Als er eine andere neutrale Fahne eines Fan-Clubs abmachen wollte, habe ihn ein Polizist mit mehreren Hieben mit dem Schlagstock schwer verletzt, sagt er. Zusätzlich hätten die Beamten aus nächster Nähe Pfefferspray eingesetzt. Sechs Monate lang passierte nach der Strafanzeige gegen die Polizei nichts - genau wie bei den anderen Strafanzeigen von Hertha-Fans. Mitte Mai erhielt Lau dann einen Bescheid von der Staatsanwaltschaft Dortmund, wonach die Ermittlungen eingestellt worden seien. Außerdem erhielt der Mann eine Gegenanzeige.

Für Lau ist das Verhalten der Staatsanwaltschaft Dortmund nicht akzeptabel. „Im Normalfall wird der Anzeigensteller geladen und angehört", sagt er. Das sei aber nie passiert. „Das erlebe ich in 25 Jahren Arbeit zum ersten Mal." Von der Staatsanwaltschaft Dortmund heißt es auf Nachfrage des Tagesspiegels: „Das Verfahren wurde eingestellt, da nach Auffassung unserer Sachbearbeiterin das Verhalten der Polizeibeamten gerechtfertigt war. Der Polizeibeamte, der dem Zuschauer die Verletzungen beigebracht haben soll, wurde nicht ermittelt."

Die schriftliche Begründung zur Einstellung der Ermittlungen, in die der Tagesspiegel Einblick hatte, besteht zum Großteil aus einer allgemeinen Begründung des Polizeieinsatzes - auf den Einzelfall des Strafanzeigestellers wird nur mit dem Verweis eingegangen, dass er nur dann verletzt werden konnte, wenn er sich in der „unmittelbaren Nähe zum Einsatz befand und die Sicherstellung der Blockfahne verhindern wollte".

Rechtsanwalt Lau vermutet eine Vertuschung von polizeilichem Fehlverhalten

Genau das sollen aber die Videoaufnahmen aus Dortmund widerlegen. Wenn dem so sein sollte, ergibt die Begründung für die Einstellung der Ermittlungen keinen Sinn, sagt Lau. Die Staatsanwaltschaft Dortmund hätte auf den Videos erkennen können, dass der Fan in Dortmund nichts Verbotenes getan habe. Von der Dortmunder Staatsanwaltschaft heißt es dazu schlicht: „Vorliegende Videoaufzeichnungen wurden ausgewertet."

Für Rechtsanwalt Lau liegt nun der Verdacht nahe, dass die Polizei jegliche Kritik an dem Einsatz unter den Tisch kehren wolle: „Ich gehe davon aus, dass die Verantwortlichen wissen, dass polizeiliches Fehlverhalten vorliegt und deshalb versucht wird, die Kritik daran über diese rechtliche Konstruktion zum Schweigen zu bringen." Lau hat deshalb Beschwerde gegen die Einstellung der Ermittlungen eingelegt und Akteneinsicht gefordert. Aus seiner Sicht ist die Angelegenheit noch nicht vorbei.

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