7 abonnements et 6 abonnés
Article

Konflikt zwischen Fanhilfe und Dortmunder Polizei schwelt weiter

Was ist am 27. Oktober vor und im Auswärtsblock des Dortmunder Westfalenstadions passiert? Die Antworten auf diese Frage von Fanszene auf der einen, und Verein und Polizei auf der anderen Seite, unterschieden sich unmittelbar nach dem Spiel und in den darauffolgenden Tagen extrem. Hertha BSC und die Polizei verurteilen das Verhalten der Berliner scharf, die sahen sich dagegen in der Opferrolle eines Polizeiangriffs. Vier Monate später gehen die Darstellungen weiter auseinander.

Fritz Müller war beim Spiel vor Ort. Er engagiert sich beim ehrenamtlichen Verbund Fanhilfe Hertha BSC, der sich für Fan-Rechte einsetzt. Müller und große Teile der aktiven Hertha-Fanszene stellen weiterhin den Grund des Polizeieinsatzes in Frage. Die Einsatzkräfte wollten eine Fahne, die in den Bereich zwischen Fan-Block und Spielfeld gelegt wurde, an sich nehmen, da sich die Berliner „im Schutz" dieser vermummt und massiv Pyrotechnik gezündet hätten. Müller bestreitet, dass die Fahne zur Vermummung genutzt wurde, was die Polizei dank Kameraaufnahmen selbst hätte erkennen können, wie es mehrere Anwälte der Fanhilfe bestätigt hätten. Der Block sei „zu jeder Zeit" für die Polizei einsehbar gewesen. Diese Aussage möchte die Dortmunder Polizei nicht kommentieren, sie verweist auf die laufenden Ermittlungen.

Fanhilfe spricht von Angriff auf den Gästeblock

Die Beamten griffen zu Schlagstöcken und Pfefferspray. Laut der Polizei, um sich zu wehren. Müller spricht von einem „Angriff auf den Gästeblock." Die Polizei möchte ihren Einsatz auf Anfrage nicht rückblickend bewerten. Nach den Vorfällen damals, die die Polizei zum Teil als „schwerste Straftaten durch Besucher des Spiels aus Berlin", beschreibt, habe sie eine Ermittlungskommission eingesetzt, die die Ermittlungen zu den Vorfällen im Stadion durchführt. „Diese Ermittlungen dauern immer noch an", heißt es.

Hertha BSC antwortet auf Anfrage, ob sich an der Bewertung der Vorkommnisse im Rahmen der Aufarbeitung etwas verändert habe: "Wir haben bereits direkt nach den Vorfällen in Dortmund deutlich gemacht, dass wir uns eine vollumfängliche Aufarbeitung und kritische Betrachtung der Ereignisse wünschen. Daran hat sich nichts verändert."

Rund 80 Herthaner wurden dabei laut Müller verletzt, manche von ihnen erlitten Knochenbrüche. Die Polizei vermeldete 45 Verletzte. Mehrere Herthaner stellten sich den Polizisten mit PVC-Fahnenstangen kampfbereit gegenüber, eine Pyro-Fackel wurde direkt auf die Polizisten geworfen, die Sanitäranlagen des Gästebereichs wurden zerstört. Müller wolle die Reaktion der Hertha-Fans „nicht beschönigen", sagt aber, dass der Angriff von der Polizei ausging. Sie sei massiv gegen Fans vorgegangen. "So kam es zu Kurzschlussreaktionen."

Der Verein Borussia Dortmund, die Fanbetreuung und das Fanprojekt des BVB hätten der Polizei in einem Gespräch von dem Einsatz klar und deutlich abgeraten. „Da sie aus der Vergangenheit wussten, dass man auch nach dem Spiel den Leuten, die man identifiziert hat, habhaft werden kann", so Müller, der auch sagt: „Man kann davon ausgehen, dass an uns ein Exempel statuiert wurde."

Anfang vom Ende. Die Pyrotechnik war Auslöser des Konflikts. Foto: Bernd Thissen/dpa

Die Polizei verweist auf die klare Positionierung von Hertha BSC nach dem Spiel, auf „zahlreiche Verletzte" durch die Rauchgase infolge der massiven Pyrotechnik aus dem Gästeblock und auf klare Reaktionen der Medien und auch aus der Bevölkerung, die den Einsatz begrüßt hätten. „Mitnichten kann man also davon sprechen, dass nur wir den Einsatz befürwortet haben", so die Polizei. Nach dem Spiel vermeldete sie zehn Besucher, die durch den Einsatz der Pyrotechnik Verletzungen an den Atemwegen davontrugen.

Hertha spendete in der Folge von der angefallenen Strafzahlung von 135.000 Euro 35.000 Euro an die Polizeistiftung von Nordrhein-Westfalen. Die Fans erzürnte das. Ihrer Meinung nach wurden aus Tätern Opfer gemacht. Nicht ein Mal sei nachgefragt worden, wie die verletzten Fans die Situation wahrgenommen hätten. „Der Verein hat sich einen Dreck darum geschert, was dort mit seinen Zuschauern passiert ist", sagt Müller. "Wir sind seit geraumer Zeit mit unserer aktiven Fan-Szene wieder im regelmäßigen Dialog. Diese Treffen dienen zum einen zur Aufarbeitung von Geschehnissen der Vergangenheit, aber vielmehr noch dazu, gemeinsam zu erarbeiten und zu verabreden, wie wir gemeinsam die Zukunft bestreiten wollen", heißt es von Hertha BSC auf Nachfrage dazu.

Für das darauffolgende Spiel gegen RB Leipzig wurde die Ostkurve mit Sanktionen belegt. Fan-Utensilien wie Banner oder Doppelhalter durften nicht mit ins Stadion gebracht werden. "Die Reaktion der Geschäftsführung war und ist für uns mehr als fraglich. Ohne genaue Sachkenntnis nur die Fans zu verurteilen wird der Situation nicht gerecht. Dafür genügt allein eine Videoanalyse", heißt es von der Fanhilfe.

"Unklar, wie Daten bei der Polizei gelandet sind"

Was Fritz Müller und die Fanhilfe außerdem beschäftigt, sind unklare Vorgänge im Umgang mit den Daten diverser Hertha-Fans. Von denen hätten sich einige auf Grund des Einatmens des Pfeffersprays bei den Sanitätern vor Ort behandeln lassen müssen und denen ihre Namen und Adressen für die Krankenkassen-Verbindung gegeben. Diese Fans hätten laut der Fanhilfe anschließend Post von der Dortmunder Polizei bekommen, in der sie wiederum gefragt wurden, ob die Behandlungen auf Grund des Einatmens der Pyrotechnik nötig wurden.

„Es ist bis heute unklar, wie diese Daten bei der Polizei gelandet sind", sagt Müller. Außerdem warten mehrere Fans auf die Bearbeitungen ihrer Anzeigen, die sie gegen den Einsatzleiter gestellt haben. "Bezüglich der strafrechtlichen Vorwürfe gegen Angehörige der Polizei Dortmund verweise ich auf die Polizei in Recklinghausen. Aus Neutralitätsgründen werden Ermittlungen gegen Angehörige der Dortmunder Polizei generell dort geführt", antwortete die Polizei darauf in ihrer Stellungnahme.

Nach dem Spiel hätten die Herthaner, entgegen der ursprünglichen Darstellung der Polizei, das Stadion normal verlassen und ohne polizeiliche Begleitung zum Dortmunder Hauptbahnhof fahren dürfen. Festgenommen wurde unmittelbar nach dem Spiel niemand, Stadionverbote wurden auch nicht erteilt. "Die Hertha-Fans wurden nach Spielende mit einer Begleitmaßnahme durch die Polizei belegt. Im Bereich des Hauptbahnhofes gab es dann noch das Problem, dass ein Teil der rückreisenden Fans den Bahnsteig nicht räumen wollten. Hier bedurfte es weiterer Ansprachen, bis der Bahnsteig geräumt wurde und die zweite Sonderbahn in die U-Bahn-Haltestelle einfahren konnte", heißt es dazu von der Polizei.

Rétablir l'original