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Strom für die Welt

Die Firma »Solarkiosk« stellt in den entlegensten Gebieten der Welt solarbetriebene Kioske auf. Dafür haben die Erfinder vor einem Jahr den ZEIT WISSEN-Preis Mut zur Nachhaltigkeit bekommen. Was ist seitdem passiert?

Tausende Zelte stehen in der jordanischen Wüste. Eine Straße führt quer hindurch. Die Menschen, die hier leben, nennen sie »Champs-Élysées«. Wenn es Nacht wird im Flüchtlingscamp von Zaatari, dann ist es stockdunkel. Nur an wenigen Orten leuchten Lichter, darunter an einem blauen Container. Solarkiosk heißt das Metallhäuschen, eine Erfindung aus Deutschland. Auf dem Dach befinden sich Solarzellen, die einen Akku aufladen und den Kiosk Tag und Nacht mit Strom versorgen. Im Solarkiosk von Zaatari gibt es Lehrmaterial für etwa 200 Kinder und eine Verbindung zum Internet – und somit zum Rest der Welt.

Den ersten Solarkiosk hat die Solarkiosk AG im Juli 2012 in Äthiopien aufgestellt – als einen Ort, an dem die Menschen in der Umgebung finden, was sie brauchen: Wasser und Essen, ein Kühlfach, in dem sie Medikamente lagern können, Strom, um ihre Handys aufzuladen, eine Internetverbindung, einen Drucker sowie Solarlampen, die dem Klima nicht schaden und auch nicht der Gesundheit – im Gegensatz zu Petroleumlampen. Anfang 2015 standen 50 Solarkioske in zehn Ländern. Das Unternehmen wurde 2015 mit dem ZEIT WISSEN-Preis Mut zur Nachhaltigkeit ausgezeichnet. Wie ging es dann weiter?

Der erste Kiosk in Äthiopien steht noch heute, insgesamt sind es nun 150 Kioske in 12 Ländern, auch der Container im jordanischen Flüchtlingscamp gehört dazu. Sie werden in Deutschland gebaut, nach Afrika verschifft und dort von Solarkiosk-Mitarbeitern aufgestellt. Eine Woche lang zeigen sie den Menschen vor Ort, wie sie den Laden führen sollen. Der Kiosk bleibt im Besitz der Solarkiosk, verdient aber Geld mit den verkauften Produkten. Ein Teil des Gewinns geht an die deutsche Firma.

Das Geschäftsmodell zeigt beispielhaft den Wandel in der Entwicklungshilfe. Wenn Entwicklungshelfer früher ein fertiges Produkt von Europa nach Afrika exportierten, ging dabei oft etwas schief, sagt der Politikwissenschaftler Sebastian Liebold von der Technischen Universität Chemnitz. Weil die Idee aus den Köpfen der Europäer eigentlich nicht ins Land passte. »Viele Projekte werden von der einheimischen Bevölkerung nicht weitergetragen, weil sie sich dafür nicht verantwortlich fühlen«, sagt Liebold. »Stattdessen müsste man eine Wertschöpfungskette schaffen, bei der möglichst viel in Afrika passiert.« Das Geschäftsmodell der Solarkioske gefällt ihm. Aber: »Vielleicht könnten die Menschen in Afrika eines Tages selbst einen Solarkiosk bauen.«

Einen Schritt in diese Richtung hat die Firma vor einigen Wochen gewagt: Das Team in Ghana hat vor Ort einen Solarkiosk gebaut. »So senken wir die Kosten und erhöhen die lokale Produktivität«, sagt Geschäftsführer Andreas Spieß. Über Geld will er nicht sprechen, lieber über die Hürden des Alltags. »Manchmal lag unsere Technologie monatelang im Zoll, manchmal haben wir Sachen nach Afrika geschickt, für die die Menschen keine Verwendung fanden.« Zum Beispiel Haarschneidegeräte, die nur glattes Haar schneiden konnten, während die Menschen in Afrika meist krauses Haar haben. Und er erzählt von Ladenbetreibern, die versucht haben, die Firma um ihren Anteil zu betrügen oder nicht genug Umsätze erzielt haben und dann ausgewechselt wurden. Spieß hat daraus gelernt: »Alles Wichtige muss von vornherein geklärt werden. Die Betreiber müssen genau wissen, welches Handeln welche Folgen haben wird.«

WELTWEIT LEBEN 1,5 MILLIONEN MENSCHEN OHNE STROM

Im jordanischen Flüchtlingscamp Zaatari, wenige Kilometer von der Grenze zu Syrien entfernt, arbeitet Solarkiosk ohne Gewinn. Hier will das Unternehmen einen humanitären Beitrag leisten und Kindern eine Ausbildung ermöglichen. Hoffentlich kommen die Kinder bald raus aus dem Chaos, sagt der Ingenieur Ben Kaippallil, der beim Aufbau des Solarkiosk geholfen hat. Er erzählt von begeisterten Lehrern und neugierigen Kindern und von den nächsten Plänen der Firma: »Im November bauen wir eine solarbetriebene Krankenstation in Al Mafraq in Jordanien nahe der syrischen Grenze auf.« Weltweit seien 1,5 Milliarden Menschen ohne Strom, sagt Geschäftsführer Spieß. Da geht noch was.

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