"Open Source" - der Begriff tauchte zum ersten Mal in den 80er Jahren auf, als Computersoftware zum Gemeingut erklärt wurde. Das Prinzip: Jeder sollte mitbasteln und niemand besitzen. So lief die Pflanzenzüchtung die letzten Jahrtausende über ab - bis Lizenzen und Patente dazukamen. Heute müssen Bauern hohe Lizenzgebühren bezahlen und das oftmals jedes Jahr aufs Neue, wenn sie ihre Ernte im großen Stil verkaufen.
Für die Gärtnerin Barbara Keller ist das Züchten ein reines Hobby. Sie züchtet ausschließlich alte Sorten weiter, also Saatgut, das durch die Industrialisierung der Landwirtschaft von neuen, ertragreicheren Sorten verdrängt wurde. Kellers Neuheiten: ein polnischer Weizen und ein Rauweizen.
"Die alten Getreide sind meiner Meinung nach wunderschön", erzählt die Würzburgerin. Sie böten mehr Geschmack, wüchsen höher und in unterschiedlichsten Farben.
"Es gibt schwarze, rote und sogar fast weiße Weizen. Das ist eine Vielfalt, die wir jetzt so auf den Äckern nicht mehr kennen."
Gärtnerin Barbara Keller
Ihre neue Weizensorte sollte besonders standfest sein, also auch nach Gewittern weniger stark abknicken und dadurch leichter zu ernten. Damit eine Sorte im großen Stil vermarktet werden kann, braucht es eine Lizenz. Diese zu beschaffen, ist aufwändig und teuer. So kam der Gärtnerin das Open Source-Projekt gerade recht.
"Man geht in dem Moment, in dem man mit Open Source-Saatgut arbeitet, die Verpflichtung ein, alles was man daraus weiterentwickelt auch als Open Source Saatgut weiterzugeben."
Gärtnerin Barbara Keller
Alle diese Sorten werden gewissermaßen zu Gemeingut. Initiator der Lizenz ist der Agrarwissenschaftler Johannes Kotschi. Er berichtet über eine gute Resonanz in der Öffentlichkeit. Jeweils drei Tomaten- und Weizensorten stehen bisher unter Open Source-Lizenz, bis Jahresende sollen zehn bis fünfzehn neue dazukommen.
Markus Peters vom Bayerischen Bauernverband sieht die Lizenz skeptisch.
"Wir bauen auf immer weniger Fläche unsere Pflanzen an. Der einzelne Bauer muss natürlich auf seiner Fläche so auch mehr generieren. Das ist nicht möglich in der Art und Weise, wie es vielleicht vor einigen Jahrhunderten funktioniert hat."
Markus Peters vom Bayerischen Bauernverband
Gab es in Bayern nach dem Zweiten Weltkrieg noch mehr als 50 Züchter, sind heute noch 12 mittelständische Saatzüchter aktiv. Diese, so Peters, müssten sich ohnehin im Wettbewerb gegenüber großen Agrarkonzernen behaupten. "Die brauchen ihr Einkommen aus ihrem züchterischen Fortschritt, damit auch tatsächlich Sorten entstehen können, die in Bayern standortangepasst angebaut werden können." Marktwirtschaft gegen echte Sortenvielfalt also?
Züchtung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe
Eine neue Pflanzensorte im professionellen Rahmen zu entwickeln, kostet nach Angaben des Bundesverbandes der Pflanzenzüchter zwischen einer und zwei Millionen Euro und dauert rund zehn bis fünfzehn Jahre. Auch Open Source-Saatgut wird nicht kostenfrei entwickelt.
Open Source-Gründer Johannes Kotschi plädiert für Züchtung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die Kosten tragen sollte vor allem der Staat, die Landwirte und die Gesellschaft als Ganzes.
"Man könnte sich zum Beispiel einen Züchtungscent denken, der auf Produkte aus Open Source lizenzierten Sorten erhoben wird."
Open Source-Gründer Johannes Kotschi
Den Staat in der Verantwortung sieht auch Gisela Sengl, agrarpolitische Sprecherin der Grünen im Bayerischen Landtag: "Wir fordern, dass zwanzig Prozent aller Forschungsmittel der agrarökologischen Forschung zugutekommen. Ich schätze zur Zeit, sind das nicht mehr als eineinhalb Prozent."
Open Source-Saatgut fördere die Unabhängigkeit der Bauern von transnationalen Konzernen wie Bayer, Syngenta und Co.
"Da geht es halt einfach auch um Geld. Wenn ich jetzt eine Lizenz für dreißig Jahre habe und das Saatgut nicht nachbauen darf, muss ich das immer wieder bei dem Saatgutkonzern kaufen. Der verdient dann eben dreißig Jahre noch ganz schön viel obendrauf, da ist die züchterische Arbeit längst wieder drin."
Landtagsabgeordnete Gisela Sengl
Die neue EU-BioverordnungAuch wenn in Bayern viele Bauern nach wie vor ihr Saatgut von lokalen Züchtern beziehen, beherrschen etwa bei Mais und Gemüse die großen Konzerne das Feld. Open Source-Verfechter hoffen auf die neue EU-Bioverordnung, die 2021 in Kraft tritt. Dann soll es nämlich einfacher werden, neue Sorten registrieren zu lassen. Damit könnte die Vielfalt auf den Feldern wieder größer werden.
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