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Trump engagiert Mackie Messer

Die Theatergruppe am Ickinger Rainer-Maria-Rilke-Gymnasium spielt die Dreigroschenoper. Beeindruckende schauspielerische Leistungen

An den Stangen des Gerüsts und auf der Bank der Nebenbühnen rekeln sich die Huren in knappen Glitzeroberteilen, Pelzschals und aufreizender Wäsche, während in der Mitte Marie Hell als Celia Peachum stimmgewaltig und begleitet vom Orchester von der sexuellen Hörigkeit singt. Die Premiereninszenierung der "Dreigroschenoper" von Bertolt Brecht und Kurt Weill am Dienstag im Rainer-Maria-Rilke-Gymnasium Icking beeindruckte das Publikum immer wieder aufs Neue.

Matej Kelava als Macheath alias Mackie Messer lässt die Puppen tanzen.

(Foto: Manfred Neubauer)

Zuerst einmal mit der Gestaltung der Sporthalle: Vier Bühnen, ein Podest für die Technik und sogar der Diamonds Club aus dem Stück haben dort Platz gefunden, so dass während der Aufführung nur noch der Gummiboden und die mittelmäßige Akustik an die eigentliche Nutzung der Räumlichkeit erinnern.

Auch vor der Organisationsleistung, die hinter einer so professionellen Inszenierung von mehr als drei Stunden steckt, darf man Respekt haben. Unter der Leitung von Lilly Rottengatter, Caro Reigl und Karl Heider ist dieses Theatergroßprojekt entstanden. Normalerweise setzen die Lehrkräfte am Ickinger Gymnasium kleinere Projekte um, bevor Rottengatte in den Ruhestand geht, wollten sie nun einmal ein größeres Projekt machen. Vor einem Jahr begannen sie mit kleinen Änderungen zu einer moderneren Adaption, seit Juni liefen die Proben. Etwa 70 Akteure und ein Team aus sechs Lehrern unterstützte das Projekt. Neben den Schauspielern waren auch neun Musiker und eine Tanzgruppe im Einsatz. Die Musikerin Petra Ulrich probte die Gesangseinlagen mit den Schülern. Bei der Premiere am Dienstagabend kam die Inszenierung hervorragend an, die Halle mit ihren 400 Plätzen war ausverkauft.

Glänzende Besetzung einer ins Heute übertragenen Dreigroschenoper am Gymnasium Icking: Tamino Rötzer als Vladislav Peachum und Marie Hell als Celia Peachum.

(Foto: Manfred Neubauer)

Am beeindruckendsten ist die Leistung der Schauspieler. Tamino Rötzer als Vladislav Peachum und Marie Hell als Celia Peachum sind hier nicht bloß Bettelkönige, sondern Leiter einer Bettlerfirma mit verarmten Osteuropäern. Ihr Zynismus gegenüber Armut und Leid, aus denen sie noch Profit schlagen wollen, genauso wie ihre Doppelmoral gegenüber dem Gesetz halten der heutigen Gesellschaft einen Zerrspiegel vor.

Matej Kelava schwankt in der Rolle von Macheath alias Mackie Messer zwischen lüsterner Gelassenheit und plötzlichem Aufbrausen. Seiner beachtlichen schauspielerischen Leistung kauft man sowohl den skrupellosen Ganoven als auch den Verführer ab. Sein nächstes großes Ziel und das seines Teams als "Börsenbroker" ist ein Gipfel in Frankfurt mit wichtigen Vertretern aus Politik und Wirtschaft.

Ein Straßenkind, gespielt von Mika Zenz.

(Foto: Manfred Neubauer)

Polly Peachum, gespielt von Susanna Schmid, bewegt sich souverän zwischen Naivität und Hysterie. Im Eifersuchtsduell wachsen sie und Lucy Brown (Silvana Paxmann) noch über sich hinaus, während sie einander Beleidigungen an den Kopf singen.

Zu den kleineren Juwelen des Abends gehört der Auftritt von Josephine Rost, die als Burlesque-Tänzerin nicht nur eine gekonnte Show abliefert, sondern auch beweist, dass kleine Patzer kein Problem sind. Kurzzeitig spielt die Technik nicht mit, und statt sich davon aus der Fassung bringen zu lassen, unterhält sie das Publikum mit ein paar schnellen Witzen.

Am Ende überträgt die Inszenierung gelungen Brechts Lehrsätze in die heutige Zeit. Es möge sein, dass Verbrecher ist, wer Banken gründe, philosophiert Mackie, aber er kommt zu einen anderen Schluss als Brecht: "Echte Verbrecher retten Banken, und Idioten kaufen Banken, die nicht mehr zu retten sind." Ganz zeitgemäß erteilt dann der frisch gekrönte König Donald Trump Mackie Messer Absolution und setzt ihn als Topmanager ein. Dieser Schluss wirkt zuerst wie eine billige Lachnummer, aber wenn man sich bewusst macht, wie nah das an heutigen Verhältnissen ist, bleibt einem das Lachen fast im Hals stecken. Das Publikum zeigte sich von der Gesamtleistung begeistert und spendete tosenden Applaus.

Weitere Aufführungen Donnerstag, 8., und Freitag, 9. Februar, Sporthalle des Ickinger Gymnasiums. Karten zu 5 Euro im Sekretariat und an der Abendkasse
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