Draußen ist es noch dunkel, als Hanife sich in ihrem Bett aufsetzt. Verschlafen greift sie zu ihrem Handy. Wieder hat eine Frau geschrieben. Hanifes Arbeit beginnt. Die Pläne von der Freiheit werden nachts geschmiedet. Wenn die Realität zerbrechlich wirkt und die Stille der Nacht das Leid des Tages milder erscheinen lässt. Dann fassen sie wieder Mut, weil das Ausbrechen plötzlich möglich scheint. Sie, das sind Frauen, oder Personen, die sich hinsichtlich ihrer Geschlechtsidentität als Frauen begreifen, die den Entschluss fassen, sich von ihrem gewalttätigen Partner zu trennen. Sie schreiben, wenn der Mann neben ihnen im Tiefschlaf ist, oder wenn sie allein sind, weil er gegangen ist, nachdem er seine Wut mit Schlägen an ihnen ausgelassen hat. Auch Hanife Adaa lag früher oft nachts wach. Für sie war es fast zu spät, als sie vor acht Jahren ihren gewalttätigen Ehemann verließ. Heute unterstützt sie mit ihrem Verein Yetis Bacim (Hilf mir, Schwester!) Frauen, sich aus Gewaltbeziehungen zu befreien.
Es braucht lange, bis das Vertrauen da ist, sagt Hanife. Bis die Frauen ihr ihre Adresse geben oder für ein Treffen bereit sind. Für die Frauen, denen sie hilft, ist Hanife vieles: Zuhörerin, Komplizin, Beschützerin, Vorbild, Sprachrohr. Aber vor allem ist sie eines: ihr einziger Weg da raus.