Als Robel im September 2015 in Wurzen nahe
Leipzig aus dem Auto steigt, liegen sechs Monate
Flucht hinter ihm. Vier Monate davon in
unterschiedlichen Flüchtlingsunterkünften, drei
Monate in einem libyschen Gefängnis, drei
Wochen Gefangenschaft im Sudan, angekettet an einen Baum.
Robel ist damals 18 Jahre alt. Die Flucht vor der brutalen
Militärdiktatur in Eritrea hat ihn gezwungen, schnell erwachsen
zu werden. Aber jetzt, sagt er sich, jetzt fängt endlich
mein Leben an. An den langen, heißen Sommernachmittagen
spielt er im Park Fußball oder fährt mit dem Fahrrad zum
Schwimmen an den Weiher. Es könnte immer so weitergehen.
Doch es sind nur kurze Momente der Unbekümmertheit.
Denn es ist noch nicht das Ende seiner Flucht.
Robel ist einer von 200 Geflüchteten, die seit 2015 in
der 16.000-Einwohner-Stadt Wurzen leben. Bereits kurz nach
der Wende wird sie als Hochburg der Rechtsextremen bekannt.
Noch vor den tagelangen rassistischen Ausschreitungen im
September 1991 in der sächsischen Kleinstadt Hoyerswerda
hatten bewaffnete Neonazis in Wurzen eine Flüchtlingsunterkunft
angegriffen. Eine Generation später beginnt der
Terror von Neuem. [...]
Reportage