Lena Gilhaus: Ich war in Imsouane, wo das Atlasgebirge zu einer dramatischen Steilküste abfällt. Da auf einem staubigen Campingplatz habe ich Souphian kennengelernt. Er und seine Freunde saßen vor ihrem Zelt, auf Surfboards lagen ein Dutzend Sardinen, ein paar Fische brutzelten auf Kohlen im Sand. Und weil ich so interessiert rüber geschaut habe, wurde ich direkt auf eine Sardine nach der anderen eingeladen und die jungen Männer haben erst angefangen zu essen, als ich fertig war. Dabei haben sie kaum Geld.
Lena Gilhaus: Ja, Souphian ist 26 Jahre alt, und er hat nach dem Studium vor drei Jahren aus der Not heraus eine Kommunikationsagentur gegründet. Er habe den harten Weg gewählt und keinen Job von der Regierung oder in einer Firma gesucht, sagt er, sondern gedacht, "ich muss mein eigenes Business aufbauen". Er und seine Mitarbeiter würden seitdem hart arbeiten und höchstens drei Stunden die Nacht schlafen. Sie seien mit nichts gestartet, hätten dann nur aufgebaut, und stünden jetzt auf Null.
Lena Gilhaus: Nein, und sie würden von der Regierung auch nichts erwarten. Souphian und seine Freunde kamen mir wild entschlossen vor, das hinzukriegen. Souphians Kollege Amin, mit in der Runde, hat dann auch ein Motvationsmantra aufgesagt. Ihr Ziel sei es, eine Firma aufzubauen, sagt er, nicht an Angst zu glauben - sondern an den Erfolg. Sie würden nicht sagen, dass es einfach sei, es bedeute Kampf, und eins sei klar, sie würden kämpfen, kämpfen, kämpfen, um ihre Träume zu verwirklichen.
Lena Gilhaus: Laut Souphian sei das Geschäftsklima sehr hart, als kleine Agentur gegen viele mächtige Konzerne. Aber es ist ihr Strohhalm, denn für Uniabsolventen auf dem regulären Arbeitsmarkt seien die Aussichten noch mieser.
Lena Gilhaus: Nein, sie wollen in ihrem Land etwas aufbauen, haben sie mir erzählt. Sie kennen aber Leute, die ausgewandert seien und woanders Arbeit gefunden hätten. Für Souphian ist Deutschland ein Vorbild in Sachen Migrationspolitik. Er sagt, Deutschland helfe so viel. Er habe großen Respekt vor Angela Merkels Entscheidung, sagt Souphian, eine Million Flüchtlinge aufzunehmen. Und einer seiner Freunde sagt: Ob Marokko, die Emirate oder Saudi Arabien, sie alle helfen den Syrern nicht. Aber Deutschland mache einen großartigen Job, er sei Deutschland so dankbar. Wir lieben Deutschland, sagt er. Und fügt noch schnell hinzu, dass er eine Stadt in Deutschland kenne, Jena, das Paradies. Denn Jena ist das arabische Wort für "Paradies".
Lena Gilhaus: Ja, ich habe Souphian von der Bezeichnung "Nafris" erzählt, dass diese Abkürzung für eine große Gruppe geflüchteter Nordafrikaner steht, die etwa laut CSU-Politiker Alexander Dobrindt die öffentliche Sicherheit gefährdet: Souphian war natürlich geschockt. Davon habe er noch nie gehört, sagte er mir. Die, die nach Deutschland gehen, würden dort auch arbeiten oder studieren. Und für Souphian ist klar: Die Leute brauchen wirklich Hilfe, sie leiden in Marokko.
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