Die vorläufigen Erkenntnisse der Forschung in den acht Ländern zeigen sehr unterschiedliche Antworten, teilweise widersprechen sie sich sogar. Es zeigt sich deutlich, dass formelle Teilhabe von Flüchtlingen an politischen Prozessen immer noch ein weit entferntes Ziel in vielen Ländern ist. Informelle Wege der Beteiligung wie zivilgesellschaftliches Engagement oder lokale Initiativen sind eine Alternative für Flüchtlinge, sich Gehör zu verschaffen. Wir analysieren die Ergebnisse jetzt weiter und arbeiten an der finalen Studie.
Sie haben sehr unterschiedliche Länder ausgewählt. Sind die Ergebnisse überhaupt vergleichbar?
Wir versuchen, Hindernisse zu identifizieren, die viele Länder gemeinsam haben, und Lösungsansätze vorzuschlagen, die ebenso auf viele Länder anwendbar sind. Denn in vielen Fällen gibt es erstaunlich viele Übereinstimmungen - wie zum Beispiel, wenn es um Ausgrenzung und Diskriminierung von Flüchtlingen geht. Die sind meist bedingt durch in der Bevölkerung des Aufnahmelandes verbreitete Stereotypen. Die Möglichkeiten, an politischen Prozessen teilzuhaben, sind in den meisten Projektländern stark limitiert. Das liegt daran, dass man in fast allen Ländern die jeweilige Staatsangehörigkeit braucht, um wählen zu können. Die zu erlangen, kann sehr lange dauern: angefangen bei fünf Jahren bis hin zu 15 Jahren. Dennoch gibt es andere Möglichkeiten, Politik mitzugestalten. Zum Beispiel durch das Engagement in der Zivilgesellschaft oder die Mitarbeit bei sogenannten Graswurzelbewegungen. Diese Möglichkeiten, zumindest informell tätig zu werden, sind - sofern überhaupt vorhanden - auf jeden Fall noch ausbaufähig.
Wie haben Flüchtlinge und Asylbewerber reagiert, als sie von dem Projekt erfahren haben?
Die meisten waren sofort begeistert und hoch interessiert am Thema. Viele erklärten sich bereit, mitzumachen, weil sie hofften, bei politischen Entscheidungsträgern Gehör zu finden und dadurch Dinge ändern zu können.
Wie steht es um die Beteiligung in den Heimatländern?
Da gab es große Unterschiede. Einige zeigten kein Interesse an den politischen Verhältnissen in den Heimatländern - zum Teil, weil sie zu sehr damit beschäftigt waren, erst einmal im Zielland anzukommen. Für andere spielt die Situation in der Heimat weiterhin eine große Rolle, auch nach der Flucht.
Gibt es ein Land, wo Geflüchtete wählen können, ohne die Staatsbürgerschaft des Landes zu haben?
Ja, Schweden. Dort kann man auf lokaler sowie auf regionaler Ebene wählen, wenn man drei Jahre am Stück in Schweden gelebt hat. In Großbritannien kann man zwar ohne die britische Staatsangehörigkeit nicht wählen, dafür aber Mitglied einer Partei werden.
Wie ist die Situation in Deutschland?
In Deutschland muss man die deutsche Staatsbürgerschaft haben, um wählen zu können - so wie in fast allen am Projekt beteiligten Ländern. Flüchtlinge können die deutsche Staatsbürgerschaft erlangen, allerdings ist das oft ein langwieriger Prozess. Dafür gibt es in Deutschland aber zahlreiche andere Möglichkeiten, sich politisch zu beteiligen, zum Beispiel bei NGOs, die sich für Flüchtlingsrechte einsetzen.
Was die Herkunftsländer anbelangt: Inwiefern können Geflüchtete aus der Ferne Einfluss nehmen auf die Politik in ihren Heimatländern?
Manche Länder ermöglichen es ihren Staatsbürgern, aus der Ferne zu wählen. Zudem gibt es informelle Möglichkeiten, sich innerhalb der Diaspora politisch zu engagieren und auf internationaler Ebene auf die Situation in den Heimatländern aufmerksam zu machen.
Haben Sie bei Ihrer Studie Geschlechterunterschiede festgestellt?
Ja. Es gibt nach wie vor hartnäckige kulturelle, religiöse und strukturelle Hindernisse für geflüchtete Frauen, die ihnen die politische Teilhabe erschweren.
Was sind die nächsten Schritte bei Ihrem Projekt?
Wir werden unsere Fallstudien sowie unseren Abschlussbericht fertigstellen. Der wird eine Vergleichsanalyse der Fallstudien sowie Empfehlungen für die bessere Einbindung von Flüchtlingen und Asylbewerbern in politische Entscheidungsfindungsprozesse enthalten - sowohl in ihren Heimat- als auch in ihren Aufnahmeländern. Der Abschlussbericht wird online einsehbar sein. Vorgestellt werden soll er im März 2018 an mehreren Orten, unter anderem in Berlin, Brüssel und Nairobi.
Welches Ergebnis erhoffen Sie sich?
Wir wollen bei politischen Entscheidungsträgern ein besseres Bewusstsein für die Probleme, aber auch für die Chancen politischer Beteiligung von Geflüchteten schaffen - erneut in den Heimat- sowie in den Aufnahmeländern. Darüber hinaus wollen wir praktische Empfehlungen erarbeiten, die gut in die Tat umsetzbar sind und auf der Analyse der jeweiligen Situation vor Ort beruhen.
Hinter den Kulissen: Die beteiligten Forscher berichten über ihre Erfahrungen während der Arbeit an der Studie: