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Im U-Ausschuss ist Steinbrück gewohnt angriffslustig

Peer Steinbrück muss sich im U-Ausschuss um die sogenannten Cum-Ex-Geschäfte schwere Vorwürfe gefallen lassen. Der Ex-Finanzminister betont, er habe erst 2009 von den Tricks erfahren.

Minutenlang stand Peer Steinbrück (SPD) mit verschränkten Armen im Verhandlungssaal des Paul-Löbe-Hauses. „Bevor die nicht raus sind, setze ich mich nicht hin“, sagte er in Richtung der anwesenden Fotografen. Die Fotos zeigen Steinbrück stehend. Er wollte nicht wie ein Angeklagter auf der Anklagebank wirken.

Auch wenn er mit seiner Standhaftigkeit vermeiden konnte, in einer symbolträchtigen Pose abgelichtet zu werden: Im Anschluss an diese Begebenheit musste sich der ehemalige Bundesfinanzminister dennoch schwere Vorwürfe gefallen lassen. Denn im 4. Untersuchungsausschuss des Bundestages ging es um eines der größten Steuerschlupflöcher in der deutschen Geschichte: die sogenannten Cum-Ex-Geschäfte. Banken, Rechtsanwaltskanzleien und Steuerberater sollen den deutschen Fiskus zwischen 2002 und 2012 – und damit auch während Steinbrücks Amtszeit – um schätzungsweise zwölf Milliarden Euro gebracht haben. Nun musste er sich den Fragen der Abgeordneten stellen.

Steinbrück wies den Vorwurf zurück, er hätte früher gegen die Steuertricks vorgehen können. Er selbst will von den Cum-Ex-Geschäften erst im Mai 2009 durch einen Aktenvermerk erfahren haben. Frühere Hinweise sollen nie auf seinem Schreibtisch gelandet sein. Um als Finanzminister jeden Brief persönlich zu lesen, müsste er einen „48-Stunden-Tag“ haben.

Stattdessen verteidigte der 70-Jährige, der seit Oktober 2016 als Berater für die Direktbank ING-Diba (“Die Bank und Du“) arbeitet, das damalige Handeln: Das Jahressteuergesetz 2007 sei bereits ein erster Schritt gewesen, um mit derartigen Steuertricks fertig zu werden. Das Gesetz habe sich allerdings als unvollkommen herausgestellt. Dennoch: Spätestens da hätte für alle Akteure klar sein müssen, dass entsprechende Deals „illegal“ und „strafrechtlich relevant“ seien, sagte Steinbrück.

Das Jahressteuergesetz hat zwar entsprechende Transaktionen inländischer Banken gestoppt. Ausländische Banken konnten jedoch munter weitermachen – das Schlupfloch blieb bestehen. Die Ausschussmitglieder von Bündnis 90/Die Grünen und der Linken warfen Steinbrück vor, die Bankenlobby bei der damaligen Gesetzgebung an den Tisch geholt zu haben. Im Gesetzestext sind ganze Passagen aus einem Schreiben des Bankenverbandes übernommen worden.

Steinbrück zeigte sich daraufhin gewohnt angriffslustig: „Der Vorwurf, ich sei pfleglich mit den Banken umgegangen, gehört ins Märchenreich“, sagte er. „Ich war damals nicht viel schlauer als Sie in Ihren Reihen.“ So habe es am Jahressteuergesetz 2007 keine Kritik gegeben – weder aus dem Finanzausschuss noch aus dem Parlament. Zudem sei es üblich, Verbände einzubeziehen. Wenn ihm jedoch schon damals die Skrupellosigkeit der Banken bekannt gewesen wäre, dann hätte man sich anders aufgestellt, sagte der 70-Jährige mit Hinblick auf den Einfluss der Bankenvertreter.

Der Finanzpolitische Sprecher der Grünen, Gerhard Schick, sah in der Anhörung einen typischen Steinbrück-Auftritt. „Alle anderen haben vielleicht was falsch gemacht, aber er nicht.“ Aus den Akten gehe jedoch hervor, dass schon 2007 alle Fakten vorhanden gewesen seien.

Die sogenannten Cum-Ex-Deals sind Aktiengeschäfte rund um den Dividendenstichtag. Sie ermöglichten, dass der Fiskus zwischen 2002 und 2012 einmal gezahlte Kapitalertragssteuern gleich mehrfach erstattete. Dem Staat entgingen dadurch Milliarden. Erst im Jahr 2012 hat der heutige Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) das Steuerschlupfloch geschlossen.

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