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Kündigung in der Probezeit: ... und tschüss!

In der Probezeit ist Kündigen ein kurzer Prozess. Daran verzweifeln muss man nicht. Drei Geschichten vom Ende


"Sie sagte: Ich hoffe, wir bleiben Freundinnen"

"Ich nannte meine Chefin heimlich 'die Ziege'. Eine dürre Frau um die 40, sie hatte mir den Job in ihrer Strafrechtskanzlei in München vermittelt. Offenbar mochte sie mich: Wenn wir zum Gericht gingen, erzählte sie mir unterwegs von den Problemen mit ihrem Freund. Wenn er mal nicht zurückrief oder wenn er nicht mit ihr in den Urlaub fahren wollte. Und sie erzählte mir sogar, dass er zu selten mit ihr schliefe. Hören wollte ich das alles nicht. Von mir habe ich ihr nie etwas erzählt.

Einmal fuhren wir zusammen zu einem Wochenendseminar in die Berge. Ich konnte nicht verhindern, dass wir uns ein Zimmer teilten. Darin stand nur ein Doppelbett. Sie sagte: 'Perfekt!' Abends gab es eine Party, ich ging vor ihr. Als ich morgens aufwachte, lag meine besoffene, schlafende Chefin neben mir. Sie hatte eine Fahne, trug noch ihr blaues Abendkleid, ihr roter Lippenstift war auf dem Kissen verschmiert. Sie wäre nachts noch um die Häuser gezogen, sagte sie nach dem Aufwachen. In diesem Bergdorf! Ich wusste, sie hatte was mit einem Kollegen gehabt, aber stellte keine weiteren Fragen.

Bei der Arbeit war sie ganz anders. Wenn ich Mails für sie schrieb, änderte sie jedes Wort und gab mir das Gefühl, ich sei zu nichts zu gebrauchen. Wenn ich fragte, 'Hast du noch eine Akte für mich?', war die Antwort: 'Ich mache das selbst, das geht schneller.' Ich hatte keine Aufgaben, es gab kein Feedback, zumindest kein konstruktives: Vor Gericht fand ich einmal einen Zettel nicht, den sie brauchte. Danach schrie sie mich an, ich hätte sie aussehen lassen wie den letzten Deppen. Da reichte es mir. Ich sagte: 'Du kannst niemandem etwas beibringen, wenn du immer nur schreist.' Sie war wie erstarrt. Abends erzählte ich meinen Freunden davon, ich hielte es nicht mehr aus. Sie sagten: 'Es ist ganz normal, dass man nicht gern zur Arbeit geht.' Beim ersten Job müsse man eben die Zähne zusammenbeißen. Also blieb ich.

Zwei Wochen später stand ein Kollege bei mir im Türrahmen. 'Hast du einen Moment?' - 'Klar.' Wir gingen in sein Büro, und er machte die Tür hinter mir zu. Da war mir klar: Irgendetwas ist komisch. Er sagte: 'Wir möchten die Zusammenarbeit mit dir beenden, weil du unsere Erwartungen nicht erfüllst und wir gemerkt haben, wir brauchen jemand Erfahreneren.' Wir haben noch kurz geredet, dann habe ich mich bei ihm bedankt, gelächelt und bin nach Hause gefahren. Auf dem Heimweg war ich so froh wie lange nicht mehr nach einem Arbeitstag. Ich musste noch zwei Wochen ins Büro gehen. Niemand sagte mir Hallo oder Tschüs. Auch meine Chefin guckte mich nicht mehr an. Bei der Verabschiedung sagte sie: 'Ich hoffe, wir bleiben Freundinnen.'"
Lea* 29, arbeitet nun in einer anderen Kanzlei. Dort kommt sie gut zurecht

"Ich starrte vor mich hin und dachte: Gleich musst du heulen"

"Ich war völlig geschockt. Nach nur einer Woche gefeuert zu werden, damit habe ich wirklich null gerechnet. Ich hatte es nicht einmal kommen sehen. Der Kontakt zu der Hamburger PR-Agentur kam über Xing zustande. Der Agenturchefin war mein Profil aufgefallen, sie hatte mich persönlich angeschrieben und mir das Stellenangebot zugemailt. Das Bewerbungsgespräch lief sehr gut. Die Atmosphäre war gelöst. Meine zukünftige Chefin und ich lachten viel miteinander. Noch im Gespräch bot sie mir das Du an. Und sagte: Sie hätte ein sehr gutes Gefühl. Eine Woche später meldete sie sich mit der Zusage. Endlich ein fester Job, dachte ich.

Ich habe in Lüneburg Kulturwissenschaften studiert und danach ein Volontariat in einem Hamburger Verlag gemacht. Leider konnten sie mich dort nicht übernehmen. Als ich nun einen unbefristeten Vertrag unterschrieb, konnte ich mein Glück nicht fassen. Ich sollte eine Kollegin als Senior-PR-Manager ersetzen. Es musste wohl zack, zack gehen, aber Druck habe ich keinen gespürt. Das Team war super nett. Meine Chefin fand toll, dass ich Französisch spreche, sie schickte mir gleich eine Termineinladung via Outlook: In meiner zweiten Arbeitswoche wollte sie mit mir nach Paris fliegen.

Die erste Woche verging rasant. Der Freitagvormittag verlief ganz normal. Mittags waren wir in der Speicherstadt essen. Das Wetter war so schön und sonnig, dass wir uns einen Platz draußen auf der Terrasse suchten. Auf dem Handy stellte ich mein Xing-Profil auf meinen neuen Arbeitgeber, auf Facebook teilte ich eine Grafik über die Vereinbarkeit von Job und Familie. Das eine habe ich schon mal, schrieb ich. Nichts ahnend ging ich mit den anderen zurück ins Büro. Eine halbe Stunde später bat mich meine Chefin zum Gespräch in den Konferenzraum. Ich habe mich noch gewundert, dass sie die Tür hinter mir zumachte. Sie wollte eine Pressemeldung, die ich geschrieben hatte, mit mir durchgehen. Ich habe mir dann Notizen gemacht. Sie fragte wie ich mich fühlte. Ich antwortete: Gut und dass ich Spaß an der Arbeit hätte. Dann sagte sie: Schön, sie wolle mir auch Feedback geben.

Und dann kam es: Sie hätte kein gutes Gefühl, schon seit Montag nicht. Das hätte sich im Laufe der Woche bestätigt. Menschlich sei ich ja sehr nett. Aber von der Arbeitsweise passe es irgendwie nicht. Dann hat sie mir die Papiere vor den Latz geknallt. Schon alles vorbereitet, die ganze Kündigung. 'Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende', sagte sie, 'Ich lass dich mal noch einen Moment allein', und verließ den Raum. Ich saß da wie in Trance. Draußen hörte ich die anderen fröhlich lachen. Ich dachte nur: Gleich musst du heulen. Dann habe ich mich zusammengerissen, meine Sachen gepackt, mich verabschiedet und bin gegangen.

Ich bin direkt zu meinen Eltern, an den Weg erinnere ich mich nicht mehr. 'Wie siehst du denn aus?', fragte mein Vater. Das ganze Wochenende habe ich völlig fertig im Bett gelegen. 'Vielleicht hatten die plötzlich kein Geld mehr für die Stelle?', mutmaßten alle. 'War die vielleicht neidisch?' Ich kenne niemanden, dem so etwas schon einmal passiert wäre. Nach nur einer Woche kann man die Arbeit doch noch gar nicht richtig beurteilen. Meine Chefin ist auch nicht konkret geworden, hat immer nur von so einem diffusen unguten Gefühl geredet. Vielleicht hat sie gedacht, ich sei nicht erfahren genug. Aber genau weiß ich es bis heute nicht."

Julia, 31, hat inzwischen eine neue Stelle, sie arbeitet nun für eine Stiftung


"Du Arme, nimm dir doch noch einen Schokoriegel"


"Bei uns im Betrieb, einem interaktiven Theater, kamen alle aus der Kunstbranche, duzten sich und hatten auch jenseits der Arbeit viel miteinander zu tun. Mein Chef lud uns zu privaten Partys ein und gab auch mal ein Abendessen aus. Insgesamt wurde uns immer der Eindruck vermittelt, dass wir froh sein könnten, dort zu arbeiten.

Genau diese freundschaftliche Art aber machte es schwierig, die Arbeitsbedingungen auszuhandeln. 'Du Arme, nimm dir doch noch einen Schokoriegel', sagte mein Chef, wenn die Schicht mal wieder länger gedauert hatte. Planungssicherheit gab es nicht, Dienstpläne auch nicht. Manchmal wusste ich einen Tag vorher nicht, ob ich arbeiten musste. Mein Freundeskreis hatte längst aufgehört, mich zu fragen, ob ich am Wochenende Zeit habe. Ich wusste es ja selbst nicht.

Wahrscheinlich hätte ich schon misstrauisch werden sollen, als man mir am Anfang den zweiseitigen Arbeitsvertrag unter die Nase hielt, in dem so gut wie nichts geregelt war, nicht einmal die Pausenzeiten. Außerdem waren laut Vertrag sechs Monate Probezeit vereinbart, obwohl die Stelle auf ein Jahr befristet war, das kam mir komisch vor.

Nach drei Monaten kam mein Betriebsleiter dann auf mich zu und sagte: 'Du, wir haben da einige Kleinigkeiten im Vertrag übersehen, das würden wir gerne ändern.' Er überreichte mir den neuen Vertrag, ich sollte ihn sofort unterschreiben. Als ich ihn las, fiel mir auf, dass er weniger Urlaubstage vorsah und weniger Bezahlung. Außerdem sollte die letzte Schicht anstatt bis 23.00 Uhr bis 1.00 Uhr nachts gehen. Und das, obwohl das Publikum dann immer unangenehmer und betrunkener wurde, je später es wurde, weil das Theater im Rotlichtbezirk lag.

Als ich meine Vorgesetzten auf die Defizite im Vertrag ansprach, bekam ich zur Antwort: 'Das können wir schon regeln, kein Problem.' Als wäre es total uncool von mir, die genauen Vertragskonditionen wissen zu wollen.

Ich bin mit dem Vertrag zum Anwalt gegangen, er sagte: 'Unterschreiben Sie das auf keinen Fall.' Ein Gespräch mit den Chefs brachte nichts. Also habe ich angefangen, mir etwas Neues zu suchen. Ohne Alternative wäre eine Kündigung für mich ausgeschlossen gewesen. Ich brauchte das Geld. Ich habe dann einen anderen Job gefunden, mit nur vier Monaten Probezeit, unbefristet und genauso gut bezahlt. Gekündigt habe ich beim Betriebsleiter. Er hat ganz verständnisvoll reagiert - wahrscheinlich fand er den Umgang mit uns Angestellten auch nicht toll."

Annika*, 25, ist mit ihrem neuen Job zufrieden, Schokoriegel isst sie nicht mehr


Von Leonie Seifert, Silke Weber und Laura-Solmaz Litschel


*) Name von der Redaktion geändert


Veröffentlicht in: ZEIT Campus Nr. 3/2016, 5. April 2016







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