Kaum zwei Seiten umfasste das Dokument mit dem Aktenzeichen 505-83SZV-92.42, welches am 30.Oktober des Jahres 1961 von der türkischen Botschaft ans Auswärtige Amt geschickt wurde und doch sollte es der Geschichte der Bundesrepublik Deutschlands für immer eine neue Richtung geben. Mit dem sogenannten Anwerbeabkommen, das an diesem Tag beidseitig beschlossen wurde, wurde die Einreise von Arbeitskräften geregelt, die am deutschen Wirtschaftswunder mitwirken sollten. "Gastarbeiter" wurden diese Menschen genannt und der Begriff entlarvte bereits, dass ein Aufenthalt von Dauer nie vorgesehen war: Nach zwei Jahren sollte es wieder zurück in die Türkei gehen und sie von anderen ersetzt werden. Das Anwerbeabkommen zwischen der alten Bundesrepublik und der Türkei war nicht das erste und auch nicht das letzte dieser Art. Zuvor bestanden ähnliche Vereinbarungen mit Italien, Griechenland und Spanien, danach wurden Verträge mit Marokko, Südkorea, Portugal und Tunesien unterschrieben. Und doch zog kein anderes dermaßen weitreichende Konsequenzen nach sich.
"Man hat Arbeitskräfte gerufen, und es kommen Menschen", schrieb der Schweizer Schriftsteller Max Frisch im Vorwort zu dem im Jahr 1965 erschienenen Buch "Siamo italiani - Die Italiener. Gespräche mit italienischen Arbeitern in der Schweiz". Ähnliches zeigte sich alsbald, als die ersten türkischen Arbeiter*innen in der Bundesrepublik ankamen, sich erst demütigenden Untersuchungen unterziehen mussten und schließlich in Fabrikhallen landeten, in denen sie sich mit niemandem verständigen konnten. Einer von ihnen heißt Metin Türköz. Als er im Januar 1962 in München ankommt, hat er seine Saz dabei. Denn, zwar soll der Aufenthalt nur von kurzer Dauer sein, ein Stück der heimatlichen Kultur dabeizuhaben aber schadet nicht.