Schwanger erst mit über 40, weil Kinder gerade nicht zur Berufsplanung passen? Damit das klappt, legen in Taiwan viele Frauen ihre Zukunft auf Eis. Sie lassen auf eigene Kosten Eizellen einfrieren.
Mit Mitte 30 arbeiten sie in gut bezahlten Jobs an ihrer Karriere, die Familienplanung aber haben sie bis auf weiteres aufgeschoben: Viele Frauen in Taiwan stehen vor einem ähnlichen Dilemma wie in Deutschland. Entweder fehlt der richtige Partner, oder es findet sich kein passender Zeitpunkt für Nachwuchs. Getrieben vom Ticken der biologischen Uhr entscheiden immer mehr Taiwanerinnen sich für eine Lösung, die in Deutschland unter dem Schlagwort "Social Freezing" für Debatten sorgt: Sie lassen im fruchtbaren Alter Eizellen einfrieren, um sich die Option zur Schwangerschaft noch einige Jahre offenzuhalten.
Taiwan ist nicht das Silicon Valley, wo Apple oder Facebook Mitarbeiterinnen die Prozedur bezahlen, um ihre Arbeitskraft voll auszureizen. In Instituten wie dem "e-Stork Reproduction Center" (Slogan: "Your Friend on Fertility Care!") zahlen die Patientinnen selbst. Umgerechnet 2500 Euro kostet es, die Eizellen entnehmen und in Stickstoff einlagern zu lassen. In der Stadt Hsinchu, einem wichtigen Standort der globalen Hardware-Industrie, sind das meist weniger als zwei Monatslöhne.
Zwischen Mitte 30 und Anfang 40 seien die meisten seiner Patientinnen, sagt der Vizedirektor von "e-Stork", Wang Huai-lin. Es gibt keine offiziellen Statistiken, aber Taiwans Kliniken berichten von steigenden Zahlen. Bei Wang waren es bis Oktober schon mehr als 50 Eingriffe und damit fast doppelt so viele wie im ganzen Vorjahr. Seine Erklärung: "Älter zu heiraten und später Kinder zu haben, das ist der Trend quer durch unsere Gesellschaft."
Eine seiner Patientinnen könnte bald auch Marischa sein. "Für mich ist das eine echte Option", sagt die 33-Jährige, die ihren echten Namen auch in Deutschland lieber nicht im Netz lesen will. "Ich reise viel, privat und geschäftlich, das wäre mit einem Kind nicht mehr möglich." Eizellen einzufrieren, würde ihr garantieren: "Die Qualität stimmt, wenn ich sie brauche." Sie und viele ihrer Freundinnen, sagt sie, wollten sich vom Leben nicht in ein Korsett zwängen lassen.
Ohne Mann geht es in Taiwan nichtVieles erinnert in Taiwan, der wohlhabenden Inselrepublik vor Chinas Südostküste, eher an deutsche Verhältnisse als an das riesige Nachbarland. Während in der Volksrepublik unverheiratete Frauen jenseits der 30 mit dem Etikett "shengnü" ("übriggebliebene Frau") leben müssen, sind späte Hochzeiten in Taiwan mittlerweile Standard. Das durchschnittliche Heiratsalter liegt über 30, der Anteil berufstätiger Frauen bei mehr als 50 Prozent - ein Spitzenwert in Asien. Lange Arbeitstage und unbezahlte Überstunden sind normal. So macht der Nachwuchs sich rar.
Stagnierende Einkommen, absurde Immobilienpreise rund um die Hauptstadt Taipeh und Sorgen um die wirtschaftliche Zukunft des einstigen Tigerstaats sorgen ebenfalls dafür, dass die ältere Generation, für die vier oder fünf Kinder noch normal waren, oft vergeblich auf das erste Enkelkind wartet. Ganz ohne Ein-Kind-Politik stürzte Taiwans Geburtenrate nach der Jahrtausendwende in den Keller und ist inzwischen - wie die deutsche - einer der niedrigsten weltweit.
"Wenn unsere Frauen ihr Leben in die Hand nehmen sollen, dann müssen sie sich von der Idee verabschieden, unbedingt vor 35 ein Kind zu bekommen", so Dr. Wang. Eizellen auf Eis zu legen, sei da die beste Methode. Für Singles wie Marischa bleibt trotzdem ein gewisser Druck: Künstliche Befruchtung ist in Taiwan nur mit Heiratsurkunde zulässig. Spätestens, wenn die Eizellen aufgetaut werden, muss auch Mr. Right zur Stelle sein.