Obama hatte aus Umweltschutzgründen den Bau stoppen lassen, US-Präsident Trump gab nach seiner Amtseinführung wieder grünes Licht für die umstrittene Pipeline DAPL in North Dakota. Naturschützer und indigene Gruppen protestieren dennoch weiter.
Auf den Treppen vor dem Rathaus von Los Angeles haben sich Anti-Pipeline-Demonstranten versammelt. Der Kontrast zwischen meinem letzten Eindruck im Camp von Standing Rock und dieser Szene könnte kaum größer sein. Da ist erstmal das Wetter. Vor vier Monaten kämpfte ich in Eiseskälte gegen einen Schneesturm. In Los Angeles scheint die Sonne und selbst Geschäftsleute, die an der Demonstration vorbei laufen, haben ihre Jacketts ausgezogen. Im November hatte Präsident Barack Obama gerade den Weiterbau der Pipeline gestoppt, um eine Umweltstudie anzufordern. Jetzt genehmigte der neue Präsident Donald Trump den Bau mit der Begründung.
"Es war nicht fair, den Weiterbau zu stoppen. Im jahrelangen Genehmigungsprozess hat niemand Einspruch erhoben. Das Unternehmen investierte hunderte von Millionen Dollar. Dann kam plötzlich Widerstand. Das ist nicht fair für unsere Firmen. Ich glaube, alle werden am Ende glücklich sein."Ökologie-Dozentin Alison Lipman sitzt mit ihrem zwei Jahre alten Sohn auf der Treppe. Auf ihrem T-Shirt steht: "Wäre unser Planet eine Bank, wäre er schon längst gerettet." Sie ist entsetzt, wie viele Mitglieder des Kabinetts von US-Präsident Donald Trump die Existenz des Klimawandels leugnen.
"Diese Äußerungen basieren komplett auf Profitdenken und Geldgier. Offensichtlich machen die, die behaupten, es gebe keine Erderwärmung, viel Geld mit Ölbohrungen und fossilen Brennstoffen. Ich glaube nicht, dass sie die wissenschaftliche Fakten nicht kennen. Ich glaube, es ist ihnen nicht klar, dass schon ihre Kinder die negativen Konsequenzen des Klimawandels sehr stark fühlen werden."Hunderte indigener Völker der USA haben durch den Pipeline-Protest erstmals seit der Schlacht am Little Bighorn gegen General Custer 1876 zusammen gefunden. Auch Shannon Rivers folgte den Gebeten der Sioux. Er ist Mitglied der Akimel O'odham oder River People aus Arizona und sieht große Aufgaben für den Widerstand, der sich rund um die Pipeline gebildet hat.
"Als indigene Völker müssen wir diese Demonstrationen anführen. Unsere Stimmen wurden so lange zum Schweigen gebracht. Alle Großstädte der USA sind auf Land unserer Völker gebaut. Selbst in einer Stadt wie Los Angeles mit so vielen Menschen unterschiedlichster Herkunft müssen wir noch darum kämpfen, dass unsere Worte der Vernunft und des Bewusstseins gehört werden."Jetzt sieht es so aus, als hätte der Chef der Pipeline Firma Energy Transfer Partners Recht behalten. Kelly Warren sagte im November: Wenn die Demonstranten glauben, das Projekt aufhalten zu können, sind sie naiv.
"They will not stop our project. That's naive. They are not stopping our project."Am 24. Januar, vier Tage nach Amtseinführung, unterzeichnet Donald Trump einen Erlass zur Beschleunigung des Genehmigungsverfahrens für die Pipeline:
"Es geht darum, das unglaublich beschwerliche, lange, schreckliche Verfahren zu vereinfachen und die Last der Regulierungen für unsere heimischen Unternehmen zu reduzieren. Viele haben uns gesagt, dass sie wegen dieser Verfahren oft aufgeben, bevor sie fertig sind und das soll nicht mehr passieren."Energy Transfer Partners kündigt nach dem Trump-Erlass an, dass schon im März oder April Öl durch die rund 1900 Kilometer lange Pipeline von North Dakota quer durch die USA nach Illinois fließen wird. Doch der Vorsitzende des Rates der Standing Rock Sioux, Dave Archambault, zeigt sich enttäuscht. Er sieht die Entscheidung als eine weitere Verletzung des 1868 geschlossenen Friedensvertrages von Fort Laramie, in dem den Sioux umfangreiches Gelände am Missouri überlassen wurde. Archambault verspricht im Lokalfernsehen, den Kampf gegen die Pipeline vor Gericht weiterzuführen:
"Es ist frustrierend, weil es viel Arbeit war, zu diesem Punkt zu gelangen. Wir haben schon lange eine umfassende Umweltstudie gefordert, die uns ermöglicht hätte, all das Unrecht aufzulisten, das unseren Völkern angetan wurde. Jahrhundertelang haben wir für die Entwicklung fossiler Brennstoffe und Energieunabhängigkeit der USA bezahlt. Heute erfahren wir, dass es die Studie nicht geben wird und wir prüfen unsere Optionen."Demonstranten werden als als "Öko-Terroristen" bezeichnet
Demonstranten seien "Öko-Terroristen"Beifall gibt es für Trumps Erlass noch am selben Tag vom US-Kongressabgeordneten Kevin Cramer aus North Dakota. Er bezeichnet die Demonstranten im Standing Rock Lager als "Öko-Terroristen" und beschreibt, was Donald Trump der zuständigen Einheit von Ingenieuren der Armee, die eine Umweltstudie anfertigen sollte, gesagt hat:
"Der Oberste Befehlshaber der USA hat der Armee gesagt: Tut was Ihr tun solltet und schon immer tun wolltet: zieht die Umweltstudie zurück und erteilt die Genehmigung. Er hat schon lange angekündigt, dass Arbeitsplätze und Infrastruktur eine Priorität für ihn sind. Ein Projekt wie dieses ist unwiderstehlich für einen vernünftigen Menschen wie Donald Trump."Am 23. Februar räumen 220 Polizisten und rund zwanzig Soldaten der Nationalgarde ausgestattet mit Hubschraubern, Militärfahrzeugen und Kampfausrüstung das "Oceti Sakowin Camp" in North Dakota. 47 Menschen, die sich weigern, das Hauptlager der Anti-Pipeline-Bewegung zu räumen, werden verhaftet, darunter ältere Frauen der lokalen indigenen Völker. Zurück bleiben ein paar Strohballen im Schneematsch, Holzpflöcke im gefrorenen Boden und Rauch von Tipis, die die Demonstranten vor der Razzia in Brand gesteckt haben.
Der lokale Sheriff Kyle Kirchmeier bezeichnet die Aktion am Abend im Fernsehen als Erfolg:
"Es war ein sehr guter Tag. Koordination, Planung und Taktik - alles hat heute für uns Sicherheitskräfte gestimmt. Alle waren sehr professionell und wir haben das geschafft, was wir uns vorgenommen haben."Noch ist der Kampf nicht ganz verloren. Ein Lager steht noch in North Dakota: das Sacred Stone Camp, in dem alles begann. LaDonna Brave Bull Allard gründete es am 1. April 2016 auf ihrem eigenen Land am Zusammenfluss von Missouri und Cannonball River. In Gebeten und Zeremonien bat sie um Unterstützung im Kampf gegen die Pipeline zum Schutz von Wasser und heiligen Städten. Tausende folgten ihrem Ruf, darunter Vertreter indigener Völker aus aller Welt und US-Kriegsveteranen.
Jetzt strömen Menschen aus dem geräumten Standing Rock Lager mit Tipis und Zelten ins Sacred Stone Camp. Innerhalb von 24 Stunden vervierfacht sich die Zahl der Bewohner. LaDonna Brave Bull erklärt in einem Radiointerview, dass sie nicht daran denkt, aufzugeben und weiterhin Unterstützung willkommen heißt:
"Ich sage immer, dass wir unser Bestes tun, um uns an Gesetze zu halten. Aber wir tun auch unser Bestes, um gegen Ungerechtigkeit zu kämpfen. Sie haben geglaubt, dass sie mit der Räumung die Bewegung stoppen. Im Gegenteil! Sie haben uns nur gezeigt, zu welchen Maßnahmen sie bereit sind. Wir wissen: Wer auf der richtigen Seite der Gerechtigkeit steht, betet und friedlichen Widerstand leistet, wird gewinnen."Doch in diesem Fall muss sich die tapfere Kriegerin zumindest vorläufig geschlagen geben.
Bulldozer zerstören CampKnapp eine Woche nachdem das Hauptlager geräumt ist, bereitet sich auch "Sacred Stone" auf die Evakuierung vor. Johnny Dangers, einer der Demonstranten, teilt die Atmosphäre im Lager live auf seiner Facebook-Seite mit. US-Behörden argumentieren, dass das Land nicht wirklich LaDonna gehöre und aus Sicherheitsgründen geräumt werden muss. Die Regierung könne für eventuelle Schäden durch Überflutung keine Verantwortung übernehmen. Bulldozer zerstören Küche und Schule, die Wasserschützer gebaut haben. Wenig später ist vom Camp am Fluss nichts mehr zu sehen. LaDonna Brave Bull kündigt an, ihren Einspruch gegen die Entscheidung vor Gericht zu verteidigen und weiter für den Schutz des Wassers stark zu sein:
"Wir müssen zusammenhalten. So viele Leute haben mir geschrieben, dass sie kommen, um mich zu verteidigen. Ich brauche niemanden, der mich verteidigt. Ich brauche Menschen, die das Wasser verteidigen, die für das Wasser beten, wo immer sie sind."