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Das unendliche Gedicht - Kunst und Schreibmaschine

Vier Schreibmaschinen, vier einladend auf frischem Frühlingsgrün ausgebreitete Decken, im Wind flatterndes Papier vor vielen hundert glitzernden Tasten fünf konzentriert funkelnde Gesichter: Wer künftig im Stadtpark dieses Bild sieht, der befindet sich mittendrin in einem kleinen großen Kunstprojekt – und ist herzlich eingeladen, Teil von „Das unendliche Gedicht“ zu werden. „Kultur für alle“ ist nicht nur der berühmte Grundslogan des einstigen Nürnberg Kulturdezernenten und Vordenker des soziokulturellen Partizipationsgedankens Hermann Glaser, sondern, sagt Maria Trunk, ehemalige Vorständin des Quellkollektiv e. V. und heute verantwortlich für das Raumvermittlungsangebot „Raumkompass“ der Stadt Nürnberg „auch der klassischen soziokulturellen Arbeit bis heute, bei der ein regelmäßiges Angebot das A u O ist.“ Deswegen packt Maria Trunk in ihrer Freizeit Erika, Tippie und Tippie sowie Triumph jeden Freitagnachmittag auf ihr Lastenrad und bringt sie in den Stadtpark, breitet Decken aus und spannt Schnüre und macht ein paar Quadratmeter Grün zu einem magischen Ort aus Tastenklappen und Farbbandgeruch, aus Papierrascheln und roten Fingern – und aus Mut und Fantasie. „Stell dir vor“ – so beginnt jedes Blatt, das die 38-Jährige den neugierigen Kindern, ihren Eltern und Großeltern in die Schreibmaschinen spannt. Die sind alt und haben Macken, verlieren Farbe oder mal einen Buchstaben, bieten dafür aber ein ganzheitlich-sinnliches Erlebnis, das „das fast alle Kinder und die meisten Erwachsenen nicht mehr kennen“, beobachtet Maria Trunk. Die Idee zu diesem Angebot, bei dem „jeder ein Dichter sein, jeder Kultur machen kann“, kam der zweifachen Mutter, nachdem sie selbst per Zufall zu einer Schreibmaschine und den ersten Schreiberfahrungen darauf kam: „Man schreibt so viel langsamer als man denkt, das macht was mit einem. Dazu kommen Tastenklackern und Farbgeruch, das Klingeln des Zeilenendes – und „ein meditativer Zustand, der alle Sinne bedient.“ Dieses Erlebnis möchte Maria Trunk teilen. Und gemeinsam mit vielen verschiedenen Menschen „Das unendliche Gedicht“ schreiben. „Das Gedicht wird unendlich, da jeder Teil des Gedichtes mit ‚Stell dir vor‘ beginnt und immer weiter fortgeführt wird – von euren Wünschen, Visionen und Vorstellungen von einer freien, fairen, lebendigen & friedvollen Welt von morgen!“ Nichts können, nichts müssen, einfach: Hinsetzen, die Gedanken fließen lassen und das Papier zu den anderen an die Leine hängen. „Es ist wundervoll zu sehen, wie die Menschen reagieren“, sagt Maria Trunk, die geduldig erklärt, wie das unbekannte Gerät funktioniert. Kinder sind neugierig, Großeltern glücklich in eine alte Zeit zurückversetzt. Kinder diktieren Purzelbaumgedanken an Eltern, Erwachsene grübeln und sammeln und lösen sich, spielen mit Buchstaben und lyrischen Mustern. Allen gemein ist „dass die Augen leuchten, wenn sie hören, dass sie etwas beitragen können“ – nämlich zu einer großen Ausstellung: Alle Gedichte, die im geplanten Zeitraum bis Ende Juli entstehen, sollen gut aufbewahrt und im Herbst Teil einer Publikation und Ausstellung werden, zu deren Teilnahme ab Mai auch professionell Schreibende aufgerufen sind. Die Grundidee? „Ist es möglich, eine gemeinsame Sprache zu entwickeln, eine gemeinsame Sprache für ein gelingendes Miteinander?“, sagt Maria Trunk, die mit ihrem Projekt „die Kraft der Phantasie, des miteinander Schreibens, Sprechens, Hörens und Denkens“ erforschen möchte. Stell dir vor … wie das wohl ausgehen könnte?

 

„Das unendliche Gedicht“
bis 29. Juli immer freitags bei trockenem Wetter
16:00-18:00 Uhr
an der Straße der Kinderrechte im Stadtpark Nürnberg
Instagram: @das_unendliche_gedicht