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Critique

Seeedy monks ride again

Seeedy monks ride again und everybody, wirklich: everybody go hype again! 8000 Menschen, Vollbesetzung, Reisebusse, Familienausflüge, generationenschaukelnde Reggeaumarmung – Seeed bambamen mit der ersten Tour nach jahrelanger Abstinenz durch die Arena, choreographieren das Parkett wund und schlagen als Marchingband den Riddim auf die Trommelfelle.

Aber ja, es war ja auch so unklar, ob das jemals wieder passieren wird, ob die Berliner Dancehallcaballeros den Schicksalsschlag verkraften, wegstecken, weitermachen würden. Denn im Frühjahr 2018 verstarb mit Demba Nabé, tragisch genug, nicht nur ein Bandmitglied, sondern einer der drei Rädelsführer dieser Spaßkrawalltruppe um Pierre „Peter Fox“ Baigorry und Frank A. Dellé, die sich 1998 aus dem Morast der Hauptstadt geformt und ihr mit „Dickes B!“ auch sogleich die berühmteste, dreckigste und liebevollste Hommage unserer Zeit auf den stinkenden Leib geschrieben hat. Seitdem waren die New Dubby Conqueros durch die Welt, vor allem aber heimatliche Hirne und Herzen gezogen, um dort mit Esprit und Wucht einer Marchingband, einer Zirkustruppe, die die Riddims in die weltweite Hall of Fame installiert, diesem hüftlahmen Deutschland den Dancehall in die DNA impft und deren Livestärke nicht zuletzt diese vor Gelächter überschwappenden Unsinnschoreos waren, durch die einer durchderwischte und den Spaßstrebern vornedran immer lieber nochmal ein Bein stellte.

Dass Demba Nabé nicht mehr ist, nie mehr sein wird, ist deutlich zu hören auf „Bam Bam“, dem ersten Album seit sieben Jahren, das Seeed im Oktober endlich auf den Markt schmiss oder eigentlich: behutsam legte und mit „Ticket“ sonnenuntergangsgeschmeidige Melancholie vorschickte wie eine Botschaft: Wir sind älter, politischer, reicher, ruhiger, wir sind traurig – aber wir sind da. Haben G€LD, Money und Kapitalismuskritik, haben Familie, Kinder, Frauen, Häuser an Seen, die so schwer wie leichthin die Türen öffnen für alle, die die Welt nicht aufgeben in einer Zeit, in der Clowns regieren und Zäune gebaut werden („Geb ich die Hand heb ich die Faust? Geb ich alles oder auf?“). Haben Knatsch daheim („Sie ist geladen“) und es faustdick hinter den Ohren. Haben Liebeskummer und Tennissocken an und Licht beim Frauenkörperfeiern, sich Deichkind und Trettmann und Nura mit aufs Album geholt, das mit dem schwer vermissten Freund beginnt und endet.

Wie soll das alles funktionieren auf einer Tournee, von der man lang nicht wusste, ob sie überhaupt stattfinden soll? Naja: gut natürlich. Ohne Demba, dafür verstärkt vom dreiköpfigen Frontgroundchor manövrieren sich ein altersloser Dellé und ein angeblich wegen Sport (oder akuter Überfressung, glaubt man der nachdrücklichen Lobpreisung des Schäufeles) weitestgehend sitzender Peter Fox durch die Jahrzehnte, Alben, Hits, machen die (akustisch überraschend schlecht austarierte) Halle zur Linksrechtswogemasse und sich über sich selbst lustig, machen entspanntgute Laune und wahnwitzige Medleys und Mordsdruck, schütteln den Speck und bringen sowohl Sexy back und Waterpumpee als auch diese neuen, volltönenden, fast schon handzahmen Songs, die in weiten Teil so nach Untergang klingen. Sonnenuntergang natürlich, in dessen LED-leuchtenden Farben die gigantischen Boxen blinken und alle Augen machen blingbling und gar nichts ist vergessen. Schon gar nicht Demba Nambé. Hektik-Mektik, slow life, irgendwann ist alles vorbei. Doch so sieht der Deal aus, ich würd ihn wieder nehmen.